Witten. Beim Umbau der Pferdebachstraße in Witten droht eine Verzögerung beim Straßenbau. Stadt und Baufirma streiten über die Verfestigung des Bodens.
Dass es bei einem Mega-Projekt wie dem Umbau der Pferdebachstraße in Witten hier und da mal Probleme und Verzögerungen gibt, ist wohl ganz normal. Jetzt sind aber Schwierigkeiten aufgetreten, die nicht unter das übliche Tagesgeschäft fallen. Es gibt Streit mit der federführenden Tiefbaufirma: Wie kann der Untergrund im Bereich Leostraße, wo bereits mit dem Straßenbau begonnen wurde, richtig verfestigt werden? Das Unternehmen hat diese Arbeiten bis auf Weiteres eingestellt. Nun werden Wege gesucht, wie man weiter vorgeht. Die Firma soll ein Schreckensszenario skizziert haben, das weder Politik noch Verwaltung ernst nehmen wollen: Bis zu 87 Monaten Bauverzögerungen seien möglich!
„Unseriös“, „nicht realistisch“, „ein Scherz“, „abenteuerlich“ – so lauten die Kommentare aus Bauverwaltung und Kommunalpolitik, was diese in den Raum gestellte Zahl betrifft. 87 Monate Bauverzögerung, bis November 2027 – das wären mehr als sieben Jahre! Kritiker sagen, hier würden Drohszenarien aufgebaut, weil die Firma ihre eigene Verhandlungsposition stärken wolle. Auch von möglichen Mehrkosten von knapp 800.000 Euro ist die Rede. Bisher ist der Ausbau der Pferdebachstraße, der zuletzt zu Beschwerden von Fußgängern gesorgt hatte, mit zwölf Millionen Euro veranschlagt.
Stadtbaurat: „Auf keinen Fall wird es eine Bauzeitverlängerung von sieben Jahren geben“
Laut Plan soll der im August 2018 begonnene Umbau der Hauptverbindungsstrecke zwischen Uni, Autobahn und Innenstadt 2021 enden. „Wir werden eine Lösung finden und mit der Baufirma darüber reden, wie wir eine Verzögerung auffangen, zum Beispiel durch andere parallel ausgeführte Arbeiten“, sagt Stadtbaurat Stefan Rommelfanger. „Auf keinen Fall wird es eine Bauzeitverlängerung von sieben Jahren geben.“ Drei Monate oder länger – genau kann und will niemand eine Prognose wagen, wie lange es dauert, bis der Straßenbau wieder aufgenommen wird. Rommelfanger: „Die Firma hat noch keinen Bauzeitenplan vorgelegt.“ Aber worum geht es eigentlich im Detail?
Als im Bereich Leostraße/Bahnübergang die ersten Schotterschichten eingebaut wurden, stellte man offenbar fest, dass der Baugrund nicht so tragfähig ist, wie er sein müsste. Tiefbauamtsleiter Jan Raatz: „Boden, der sehr schnell auf Erschütterungen reagiert, weicht auf und verliert an Stabilität.“ Nun streiten sich die Gemüter, wie man den Untergrund nun richtig sichert.
Die Firma will den Untergrund „kalken“, ausgeschrieben war aber nur „schottern“
Die Baufirma soll ein sogenanntes „Kalken“ für erforderlich halten. Dabei wird der lehmige Boden in Verbindung mit Feuchtigkeit verfestigt. Dagegen hält es die Stadt für ausreichend, wenn man nur schottert und so für den nötigen Halt sorgt. Inzwischen wurden Probefelder angelegt und so genannte Druckplattenversuche durchgeführt, um herauszufinden, wie fest der jeweilige Untergrund ist und ob darauf alle nötigen weiteren Schichten für Unter- und Oberbau bis hin zur Teerschicht aufgetragen werden können.
Auch interessant
Tiefbauamtsleiter: Wir wollen eine einvernehmliche Lösung, so schnell wie möglich“
„Ausgeschrieben war, den Boden 30 Zentimeter auszukoffern und 30 cm Schotter einzubauen“, sagt Tiefbauamtsleiter Raatz. „Aber die Schotterschicht war nicht so verfestigt wie erwartet.“ Untersucht wird auch, ob das Material das richtige war. Gutachter sind mit im Boot, um nun das richtige Verfahren zu finden. Ebenso wie der Stadtbaurat betont Raatz: „Wir wollen eine einvernehmliche Lösung, und zwar so schnell wie möglich.“ Er bestätigt aber auch: Die Baufirma habe die Erdarbeiten im Bereich Leostraße eingestellt, „bis ihre Bedenken beseitigt sind“. Ohne diese Probleme könne man beim Straßenbau zwischen Bahnübergang und Innenstadt jetzt schon weiter sein. Raatz: „Wir wären schon am Schottern und hätten schon viel Boden abtragen können.“ Die Firma selbst bestätigt: „Die Gutachter versuchen, die beste Lösung zu finden.“ Warum sie eine mögliche Bauverzögerung von bis zu 87 Monaten angegeben habe, erklärt das Unternehmen so: „Es gibt eine Vielzahl von Behinderungen.“
Bei einem Bruch mit der jetzigen Baufirma müsste der Straßenbau neu ausgeschrieben werden
Die Politik, die im nichtöffentlichen Teil des Verkehrsausschusses informiert wurde, gibt sich vorerst gelassen. „Wir haben ein Auge darauf, dass die Stadt da schnell vorankommt“, sagt Julian Fennhahn von der CDU. „87 Monate wären der Overkill. Wir hoffen, dass es nicht dazu kommt.“ Ausschussvorsitzender Martin Kuhn (SPD): „Wenn das wäre, wäre es eine Katastrophe.“ Im „worst case“, also im schlimmsten Falle, käme es zu einem Bruch mit der Baufirma – und es müsste neu ausgeschrieben werden. Hermann Claaßen vom Bürgerforum: „Dann wären wir wirklich bei 2027.“