Witten. Medizin-Studenten klären Schüler des Ruhr-Gymnasiums über Sex, Aids und Verhütung auf. All das funktioniert auch ohne peinliche Stille. Eine Anregung für den regulären Sexualunterricht

Krieg' ich von der Pille große Brüste? Was ist der Lusttropfen? Früher haben junge Schüler solche Fragen an das Dr. Sommer-Team geschrieben. In Witten dagegen kommen Medizin-Studenten in die Schule – um genau solche Fragen zu beantworten. Und, um über Aids aufzuklären. All das funktioniert erstaunlich unverkrampft.

Etwa 30 Mädchen der 9. Klasse des Ruhr-Gymnasiums sitzen im Stuhlkreis, sie sind um die 14 Jahre alt, tragen Jeans, Turnschuhe und lange Haare. Viele haben das Abenteuer Sexualität noch vor sich. Wie verhüte ich? Was mag mein Freund? Was schützt wirklich gegen Aids?

Studenten stehen Rede und Antwort

Statt diese Fragen in einem beschämenden Sexual-Unterricht durchzusprechen, stehen heute junge Studenten der Uni Witten/Herdecke sechs Stunden lang Rede und Antwort. Im Klassenraum nebenan läuft dasselbe Programm mit männlichen Schülern. Hinterher sprechen alle gemeinsam über den Tag. „Students Health Dialogue” (SHD) nennt sich die 2004 gegründete Initiative zur gesundheitlichen Aufklärung.

„Die Schüler vertrauen uns, weil wir neutrale Personen sind”, sagt Studentin Lisa Schückes. Hier sprechen keine Eltern, keine Lehrer. Die 23-Jährige und ihre Kommilitonen sind authentisch, offen und locker, wenn es um Aufklärung geht. Ob sexuelle Praktiken, Homosexualität, Informationen über Verhütung und übertragbare Krankheiten: Die angehenden Mediziner reden mit den Schülern auf Augenhöhe. „Manchmal lernen wir selbst noch dazu”, sagt ein Medizinstudent.

Das Internet beeinflusst Sexwissen

Denn das Schülerwissen über Sex ist oft durch das voyeuristische Internet beeinflusst. Pornos gibt es überall im Netz – und mitunter Missverständnisse: „Nicht wenige denken, dass Aids ein Problem in Afrika ist”, sagt Student Marvin. In den Medien sei Aids häufig nur ein Thema im Zusammenhang mit Homosexualität. „Viele denken, Aids ist heilbar”, wissen die Medizin-Studenten. Aber so ist es nicht.

Im Stuhlkreis erörtert Maxie Hähnel (23) derweil mit den Schülerinnen, wie man ein Kondom benutzt und wo man es kaufen kann. "Besser nicht am Automaten", rät Hähnel. Auch vor bestimmten Gleitmitteln wird gewarnt, da sie Kondome zum Platzen bringen können.

Die Mädchen sind aufgeklärt und unverkrampft. Kein Kichern zu hören, keine verlegene Geste. Schülerin Annika (15) meint: „Ich kann hier mein Wissen auffrischen.” Wer doch eine Frage hat, bei der er rot wird, kann die Black Box nutzen – mit Platz für Feedback und Fragen. So wie damals, beim Dr. Sommer-Team.