Witten. . Witten lehnt Schüler von auswärts ab: Die begehrten Gesamtschulplätze gehen fast nur an Einheimische. Selbst Geschwisterkinder bekommen Absagen.
Die Stadt hat das Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen 2018 auf Wunsch der Politik neu geregelt. „Wittener first“, „Wittener zuerst“, heißt es seitdem. Diese Abschottungspolitik hat offenbar geklappt. Zum neuen Schuljahr werden so wenig auswärtige Kinder wie noch nie beschult.
Vor allem die beliebten Gesamtschulen sollen erst ihre Klassen mit einheimischen Bewerbern füllen, bevor Kinder aus Nachbarstädten zum Zuge kommen. Die Gesamtschule Hardenstein nimmt etwa keine Kinder mehr aus Sprockhövel oder Hattingen neu auf, auch nicht, wenn ihre Geschwister schon nach Vormholz gehen.
2015 gab es noch 200 „Einpendler“
Von 745 Kindern, die nach den Sommerferien neu die weiterführen Schulen besuchen, sind lediglich 27 ortsfremd. Sie haben Anspruch auf einen Schulplatz in Witten, weil ihre Heimatstadt kein Angebot der gewählten Schulform vorhält. Es sind zwölf Herdecker Kinder an der Holzkamp-Gesamtschule und 15 Wetteraner an der Helene-Lohmann-Realschule
2015 zählte man noch über 200 „Einpendler“ nach Witten. 119 kamen damals aus Bochum-Langendreer zur Reichwein-Realschule auf dem Sonnenschein. Dort begrenzte die Stadt schon 2016 die Zahl der Eingangsklassen. Die Bochumer mussten auf die Sekundarschule in ihrem Stadtteil oder eine 13 Kilometer entfernte Bochumer Realschule ausweichen.
Verfahren hat nicht funktioniert
Mindestens eine Klasse stellten traditionsgemäß Sprockhöveler und einige wenige Hattinger oder Wetteraner Kinder an der Hardenstein-Gesamtschule in Vormholz. Alle drei Städte haben auch eigene Gesamtschulen, Hardenstein ist für viele aber die nächstgelegene Schule. Nach dem neuen Anmeldeverfahren erhalten Wittener Kinder, deren Erstwunsch an der noch beliebteren Annener Holzkamp-Gesamtschule nicht erfüllt werden konnte, eine weitere Chance auf diese Schulform in Vormholz. Für das Schuljahr 2019/20 hat dieses Verfahren aber nicht funktioniert.
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Zwar wurden 20 angemeldete Kinder aus Sprockhövel und Hattingen abgewiesen. Jedoch fanden in Vormholz auch zwölf Nachrücker aus Annen keinen Platz. Denn es gab bereits 105 „Erstwunsch“-Kandidaten mit Wohnsitz in Witten – womit die Schule voll war. „Ich hätte die Zusagen schon nach der Anmeldewoche verschicken können“, sagt Hardenstein-Direktor Erwin Eßmann, der gern eine zusätzliche fünfte Klasse eingerichtet hätte.
Warum nicht fünf Eingangsklassen?
Schuldezernent Frank Schweppe zieht dennoch eine positive Bilanz. „Wie mit der Politik vereinbart, stellen wir unsere Infrastruktur den Wittener Schülern zur Verfügung.“ Trotzdem haben 52 Wittener Kinder ihre Wunsch-Schulform – Gesamtschule – nicht erhalten. Warum werden dann bis zum Start einer dritten Wittener Gesamtschule im Jahr 2022 in Hardenstein nicht fünf Eingangsklassen gebildet. Räumlich wäre dies an der Schule kein Problem. Frank Schweppe hält davon nichts.
Zum einen stehe in Hardenstein eine aufwändige Sanierung an, so der Dezernent. Vor allem will er das bestehende System nicht verändern. „Wir haben in Witten genug Platz für alle Schüler“, sagt er mit Blick auf freie Kapazitäten an Realschulen oder Gymnasien. „Ich lasse doch nicht Schulräume leerstehen, um an der Gesamtschule ein Provisorium einzurichten.“
Bald startet die dritte Gesamtschule
Der Start einer dritten Gesamtschule in der Wittener Innenstadt 2022 wird den Run auf die Gesamtschulplätze entschärfen, hofft die Verwaltung. Von 745 Wittener Viertklässlern hatte sich der größte Teil – über 300 Kinder – auf einen Gesamtschulplatz beworben. Mit einer dritten Gesamtschule wird das Angebot auf dann 13 Klassen erweitert – vier an der Hardensteinschule, fünf an der Holzkamp und vier in der Innenstadt.
Angesichts steigender Schülerzahlen hatte im September 2017 der Rat dafür gestimmt, die derzeitige Otto-Schott-Realschule am Viehmarkt in eine vierzügige Gesamtschule umzuwandeln. Auch die nahe gelegene Overbergschule könnte Teilstandort werden. Die Hauptschule ist ausgelaufen, wird aber zurzeit als Dependance der Annener Freiligrath-Hauptschule genutzt.
Arbeitsgruppe erstellt Konzept
2022 soll der erste Jahrgang starten, zurzeit tagen Arbeitsgruppen, die das pädagogische Konzept der neuen Gesamtschule zusammentragen. Darin befinden sich auch Mitarbeiter der Holzkamp- und der Hardenstein-Gesamtschule und Schulentwicklungsberater der Bezirksregierung Arnsberg. Die Leitung hat Andreas Stephan, stellvertretender Schulleiter der Otto-Schott-Realschule, inne. Im Sommer soll das Konzept stehen und zur Bezirksregierung gehen. Mit einer Genehmigung rechnet Schuldezernent Frank Schweppe Anfang 2020.
Keine zwei Standorte
Ihm ist wichtig: Die äußere Form der Schule soll dem pädagogischen Konzept folgen. So spreche vieles dafür, dass die neue Gesamtschule sich unter einem Dach befindet und nicht auf zwei Standorte aufgeteilt wird. „Die Erfahrungen mit dem Schillergymnasium oder an der Hardenstein-Gesamtschule haben gezeigt, dass das nicht nur Vorteile hat“, so Schweppe. Stattdessen könne man das Otto-Schott-Gebäude auch baulich verändern: „Da gibt es Leichtbauklassen, alte Gebäude, die man abreißen könnte. Auch eine Aufständerung wäre denkbar.“ Eine Gesamtschule habe mehr Platzbedarf als eine Realschule.