Witten. . Susanne Kock soll beim Parken ein anderes Auto beschädigt haben. Stimmt nicht, sagt sie. Ihre Versicherung zahlte trotzdem – und stufte sie hoch.
Susanne Kock ist wütend auf ihre Auto-Versicherung. Für diese zahlt sie jetzt rund 200 Euro mehr als noch im Jahr zuvor. Grund ist ein Unfall mit Blechschaden, für den die 52-Jährige von ihrer Versicherung hochgestuft worden ist. Doch sie sei unschuldig, beteuert die Wittenerin – und vermutet hinter dem vermeintlichen Park-Unfall eine betrügerische Masche.
In ganz NRW steigt die Zahl der Unfälle mit anschließender Fahrerflucht in den letzten Jahren kontinuierlich an, von rund 117.000 (2013) auf fast 139.000 (2018). „Ich bin jetzt ein Teil dieser Statistik“, sagt Susanne Kock.
Zeuge will Unfall gesehen haben
Ihr wird vorgeworfen, beim Ausparken ein hinter ihrem VW Caddy stehendes Auto beschädigt zu haben – und dann einfach weggefahren zu sein. Es gibt auch einen Zeugen, der den Unfall gesehen haben will. „Dass man vielleicht nicht mitbekommt, wenn man leicht ein anderes Auto berührt, kann ich mir vorstellen“, sagt Kock.
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Der Zeuge habe aber auch angegeben, dass die 52-Jährige aus dem Auto gestiegen sei um sich den Schaden anzusehen. „Und daran könnte ich mich wohl erinnern.“
Schäden passen nicht zum Fahrzeug
Stutzig machte die Annenerin noch eine weitere Sache: die Schäden am anderen Fahrzeug sollen von ihrer Anhängerkupplung herrühren, befinden sich aber laut Polizeibericht einmal mehrere Zentimeter höher, einmal niedriger als die Anhängerkupplung von Kocks Caddy.
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Der Bericht kommt daher auch zu dem Schluss dass anhand der Spuren „nicht mit Bestimmtheit gesagt werden“ könne, dass Kock auf das andere Auto aufgefahren ist. Den Vorwurf der Fahrerflucht konnte die selbstständige Gärtnerin mit Hilfe eines Anwalts aus der Welt räumen. Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
„Der Versicherung ist egal, was stimmt“
Auch ihrer Versicherung habe sie ihre Zweifel am Tathergang von Anfang an mitgeteilt. Dennoch habe diese, ohne mit ihr darüber zu sprechen, den Schaden in Höhe von rund 1500 Euro beglichen – und sie bei der nächsten Abrechnung in eine deutlich schlechtere Schadensfreiheitsklasse eingestuft.
„Der Versicherung ist egal, was stimmt. Weil am Ende zahle ja ich dafür“, ärgert sich Kock, die gerne selbst einen Gutachter beauftragt hätte, um ihre Unschuld zu beweisen. „Das ist doch ein super Geschäftsmodell. Ich brauche nur einen Kumpel, der als Zeuge auftritt, schon zahlt die Versicherung bereitwillig“, sagt Kock.
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Versicherung hat Regulierungsvollmacht
Dass die Versicherung rechtens gehandelt hat, betont Elke Weidenbach, Expertin bei der Verbraucherzentrale NRW. „Sie muss ihre Schritte nicht absprechen, sie hat eine Regulierungsvollmacht.“ Das bedeute, dass die Versicherung „nach pflichtgemäßem Ermessen“ entscheiden könne, ob sie einen Schadensanspruch begleicht oder nicht – und zwar ohne Einverständnis des Versicherungsnehmers.
Weniger Unfallfluchten in Witten als im Vorjahr
734 Mal entfernten sich im Jahr 2018 Verkehrsteilnehmer in Witten nach einem Unfall vom Ort des Geschehens, ohne die Polizei zu verständigen. 24 Mal waren dabei Menschen verletzt worden. Die Aufklärungsquote lag bei fast 80 Prozent. 2017 waren es 760 Fälle von Unfallflucht.
Im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums Bochum stieg die Zahl der Unfallfluchten leicht an auf 5056 Fälle. Die Zahl der Unfallfluchten mit verletzten Personen nahm hingegen deutlich zu: von 69 (2017) auf 101 (2018). Die Aufklärungsquote sank von 85,51 auf 62,38 Prozent.
„Die Regulierungsvollmacht ist auch eine Opferschutz. Sonst würden Unfallopfer auf ihren Kosten sitzen bleiben,“ so die Juristin. Im vorliegenden Fall „habe die Versicherung die Ansprüche wohl als berechtigt angesehen“, sagt Weidenbach.
Genau diese Handhabe der Versicherung missfällt Kock. „Der Betroffene muss doch informiert werden“, sagt die 52-Jährige. Und sie ist sich sicher, dass sie mit ihrer Erfahrung nicht allein ist. Wer ähnliches erlebt hat, solle sich gerne bei ihr melden (susannekock@arcor.de). „Dann ist man nicht so ein Einzelkämpfer.“ Fernziel der Annenerin ist eine Bürgerbewegung, um gemeinsam Druck auf die Versicherer aufzubauen.