Witten. . Die Unfallzahlen gingen 2018 in Witten zurück – gegen den Trend bei den Nachbarn. Die Polizei sagt: Wer im Stau steht, baut weniger Unfälle.

Witten steht in der Verkehrsunfallstatistik 2018 schon fast blendend da, wenn man das bei diesem ernsten Thema einmal so locker formulieren darf. Das besagen alle wichtigen Kennzahlen. Gesunken ist nicht nur die Gesamtzahl der Unfälle von 3768 (2017) auf 3663. Auch die Unfälle mit Personenschaden gingen zurück – von 262 auf 246. Und das galt auch für alle einzeln erfassten Altersgruppen.

So verunglückten weniger Kinder in Witten: 24 (2018) nach 32 in der Statistik für 2017. Weniger junge Erwachsene (48 statt 52) und weniger Senioren (38 statt 42) kamen auf örtlichen Straßen zu Schaden. Die Autobahnen sind hier außen vor. Verkehrstote waren 2018 nicht zu beklagen. 2017 war eine Fußgängerin beim Überqueren der Friedrich-Ebert-Straße tödlich verletzt worden.

In Bochum und Herne stiegen die Zahlen

Auffällig sind diese Zahlen insbesondere, weil sie dem Gesamttrend im Bereich des Polizeipräsidiums, zu dem Bochum, Herne und Witten gehören, völlig entgegenlaufen. Im Gesamtbezirk gab es 2018 sowohl mehr Unfälle insgesamt (24.807; Vorjahr: 24.451), als auch solche mit Personenschaden (1478; 1293), als auch mehr Verletzte in den genannten Altersgruppen. Die Zahl der verunglückten Kinder stieg von 127 auf 153 an.

Erhellend ist aber vor allem der Hauptgrund, den Uwe Bogumil, Direktionsleiter Verkehr im Polizeipräsidium, für das gute Abschneiden von Witten verantwortlich macht. Die „eine“ Ursache dafür habe man zwar nicht gefunden, sagte er bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik am Mittwoch im Bochumer Polizeipräsidium. Bei der Prüfung aller möglichen Ansätze sei man aber zu der Überzeugung gekommen, dass die Häufung der Baustellen und die dadurch bedingten Staus in Witten den Ausschlag gegeben hätten.

Polizeidirektor: Staus senken Unfallrisiko

Die Unfallgefahr sinke nun mal mit dem durchschnittlichen Geschwindigkeitsniveau, führte der Polizeidirektor aus. „Und der langsamste Verkehr ist der, der steht.“ Dass es in Witten 2018 weniger Unfälle gegeben habe, so Bogumil weiter, „war die logische Folge der Baustellen und Staus“.

Auch interessant

„Das soll jetzt aber kein Appell sein an die Städte: Macht mehr Baustellen!“, kommentierte Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier das mit rheinischem Frohsinn. Die Duisburgerin präsentierte die örtlichen Unfallzahlen zum letzten Mal. Sie wechselt (siehe Meldung links) als Personal- und Ordnungsdezernentin in ihrer Heimatstadt.

Mehr Fahrer lassen sich ablenken

Für den Anstieg der Unfallzahlen im ganzen Bezirk nannte Polizeidirektor Uwe Bogumil mehrere Gründe. Vieles habe sich gesteigert. „Es gibt mehr Ablenkung durch Handys, mehr Stress und mehr Aggressionen.“ Es seien mehr Fahrzeuge zugelassen, noch dazu breitere als früher. „Der Verkehrraum wird enger, das führt zu mehr Konflikten.“ Der größte Teil des Anstiegs lasse sich zudem auf die zunehmende Verbreitung von Pedelecs zurückführen. 2017 waren im Bezirk 305 Rad- und Pedelecfahrer zu Schaden gekommen 2018 waren es 388 Verunglückte – eine Steigerung um 27 Prozent.

Weniger Zweiradunfälle in Witten

Auch hier sah es in Witten anders aus. 2018 verunglückten 53 Menschen mit dem Rad oder Pedelec, wobei vor allem der Ruhrdeichkreisel weiter eine Problemstelle bleibt. Aber insgesamt waren auch das sechs verunglückte Zweiradfahrer weniger als im Vorjahr. Das könnte durchaus an Wittens hügeliger Landschaft liegen, so der Polizeidirektor. Das Rad werde hier zwar gerne in der Freizeit genutzt, aber noch nicht im gleichen Maße wie im vergleichsweise „ebeneren“ Herne, um damit zur Arbeit zu fahren.

Rad- und Pedelecfahren soll sicherer werden

Um Menschen im Straßenverkehr vor Schaden zu schützen, setze die Polizei auf „ein ausgewogenes Konzept aus Prävention und Repression“, sagte Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier bei der Vorstellung der Unfallstatistik 2018. Ein Kernbereich bleibe „die dauerhafte Reduzierung des Geschwindigkeitsniveaus“. Angepasstes Tempo sei der beste Schutz für alle Verkehrsteilnehmern, aber auch und gerade für Fußgänger und Radfahrer.

Bei der Sicherheit der Rad- und Pedelecfahrer will die Polizei 2019 einen Schwerpunkt setzen. Es gibt mehrere Ansatzpunkte – je die Hälfte der Zweiradunfälle mit Verletzten ist fremd- und selbstverschuldet. Radler werden von Autofahrern oft beim Abbiegen übersehen. Sie überschätzen aber auch bisweilen das eigene fahrerische Können auf den flotten Bikes. Auch Alleinunfälle unter Alkohol haben zugenommen.

Polizeipräsidentin spricht sich für Helmpflicht aus

Wittmeier findet den Trend zum Pedelec erfreulich. Man müsse aber die Bedingungen dafür verbessern. Sie spricht sich für eine Helmpflicht aus. Laut einer Untersuchung lassen sich so in 30 Prozent der Fälle tödliche Kopfverletzungen verhindern. Zusammen mit Partnern wie der Verkehrswacht veranstaltet die Polizei am 24. April auf dem Bochumer Husemannplatz einen Sicherheitstag für Rad- und Pedelecfahrer. Dort sollen auch Fahrkurse für Wiedereinsteiger angeboten werden.

Man werde aber auch verstärkt auf zugeparkte Radwege achten, kündigte Polizeidirektor Uwe Bogumil an. Und man werde für alle Verkehrsteilnehmer, die sich mit einem Mobiltelefon beschäftigten, „das Entdeckungsrisiko erhöhen“. 2018 wurden bei Kontrollen im Bezirk 3721 Verstöße geahndet – fast eintausend mehr als im Vorjahr (2794).

Unfallschwerpunkt in Annen soll entschärft werden

In der Verkehrsstatistik gibt es aktuell nur einen Unfallhäufungspunkt in Witten. Vor dem Bahnübergang in Annen hat es 2017 dreimal, 2018 fünfmal gekracht. Typisch sind dort Unfälle, bei denen Fahrer, die von der Annenstraße nach links einbiegen, die Vorfahrtsberechtigten übersehen, die Richtung Schranke fahren. Die Sicht wird ihnen durch Linksabbieger verstellt. Mit der Stadt hat die Polizei sich jetzt auf eine Lösung verständigt: Auf der Bebelstraße soll es für die Linksabbieger (in die Annenstraße) und für die Geradeaussfahrer nach Stockum künftig nur noch eine gemeinsame Fahrspur geben.