Witten. . Nachdem am Dienstag in Witten Busse und Bahnen stillstanden, streikten am Mittwoch rund 250 Beschäftigte. Vor allem aus der Stadtverwaltung.
Gellende Pfiffe und beißende Kälte – die Stimmungsmacher hatten es bei der ersten Streikwelle von Verdi am Mittwochmorgen in Witten nicht leicht. Am beliebtesten war der heiße Kaffee, der bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz ausgeschenkt wurde.
Bei Temperaturen um null Grad ziehen rund 250 Teilnehmer in einem Demonstrationszug von der Westfalenstraße zum Rathaus. Sie schwenken die rot-weißen Verdi-Fahnen und blasen in ihre Trillerpfeifen. Doch kaum ein Passant ist an diesem nasskalten Morgen zu sehen, der sich besonders für den Warnstreik im öffentlichen Dienst interessieren könnte.
Öffentliches Leben bleibt diesmal fast unberührt
Es ist denn auch mehr ein Mobilmachen in eigener Sache als ein spürbarer Nadelstich, wie ihn Verdi am Dienstag mit dem Streik von Bus und Bahn in Witten gesetzt hatte. Diesmal bleibt das öffentliche Leben fast unberührt. Die Mülltonnen werden geleert und auch der Bus kommt wieder – von der VER mal abgesehen, die in Witten aber nur einige wenige Linien bedient. Und da sind natürlich noch die Notgruppen in den städtischen Kitas, deren Erzieherinnen am Mittwoch auf die Straße gehen.
Sie stehen voll und ganz hinter der Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn oder mindestens 200 Euro mehr im Monat. „Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal“, sagt Sandra Stolle (42) von der Offenen Ganztagsbetreuung Bergstraße in Alt-Wetter. Das mit dem Geld gilt genauso für die eigene Lohntüte wie für die gesamte Einrichtung. „Wie in den Kitas sollte man vor einem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz erst einmal die Standards festschreiben“, fordert Kollegin Petra Senger (53) – womit sie einen ausreichenden Stellenschlüssel genauso wie vernünftige Räume und einen anständigen Etat meint. „Es gibt Kitas mit 100 Kindern in zwei Räumen, das geht gar nicht“, sagt Sandra Stolle.
Aber zurück zum Streik, der in erster Linie den Verdienst der Beschäftigten im Blick hat. Während von einer prozentualen Lohnerhöhung mehr die oberen Lohngruppen profitieren dürften, würde ein konkreter Betrag wohl stärker den unteren Einkommensgruppen zugute kommen. „Für unsre kleinen Gehälter wären 200 Euro besser“, sagen Brigitte (62) und Fatma, Reinigungskräfte bei der Wittener Stadtverwaltung.
Untere Lohngruppen wünschen sich 200 Euro mehr
Als Teilzeitkräfte mit Steuerklasse 5 käme bei ihnen zwar längst nicht die volle Lohnerhöhung an – aber besser als nichts. Vier bis fünf Stunden putzen sie täglich das Rathaus, nach Abzügen bleiben ihnen rund 850 Euro im Monat. Auch sie sprechen das an, was Personalratsvorsitzender Christian Derksen erwähnt: Dass bei immer weniger Personal immer mehr Leistung gefordert werde. „Von anfangs 20 Frauen sind wir jetzt noch fünf bis sieben“, sagt Brigitte, die seit 28 Jahren die Rathausflure schrubbt.
„Geld ist da“, ruft der Personalratsvorsitzende
Derksen redet nur kurz angesichts der Kälte, schlägt dabei aber kämpferische Töne an. „Die Leute werden eingespart, die Leistungen immer schlechter, aber hat das irgendeinen Effekt?“ „Selbstredend“ sei Geld da, ruft Derksen. „ratet mal, warum alles neu angemalt wurde und da oben ein goldenes Zifferblatt dranhängt?“ Damit spielt er auf die 25 Millionen Euro teure Rathaussanierung an.
Für eine „Frechheit“ hält er es, dass die Arbeitgeber selbst nach der zweiten Verhandlungsrunde noch kein Angebot vorgelegt hätten. Verdi-Kollegin Ina Hecht erinnert an sprudelnde Steuern und Haushaltsüberschüsse von „45 Milliarden Euro“.
Nach einer Stunde ist alles vorbei, ein kleines Häuflein hält sich noch am heißen Kaffee fest. Es ist vor allem die Kälte, die die Kundgebungsteilnehmer vertreibt. Zur Arbeit müssen sie nicht mehr zurückkehren, obwohl es erst 10.45 Uhr ist. Warnstreik, erste Welle.