Bochum. .

Bärtig und unbequem: So zeigte sich Hagen Rether beim Zeltfestival Ruhr. Wechselte Themen so schnell wie Positionen, zog über „Ökoaktivisten mit Nike-Schuhen“ her, amüsierte sein Publikum und strengte es an - drei Stunden lang.

Das Klavier war gestimmt und die Zunge gespitzt - Hagen Rether, wie gewöhnlich im Anzug und mit Pferdeschwanz, erschien trotzdem anders, Donnerstagabend beim Zeltfestival. Es lag wohl am Bart. „Den lasse ich mir aus Solidarität wachsen“, erklärte er, „mit den Pakistani“. Ganz enspannt saß er in seinem Lehnstuhl, aber was er zu sagen hatte, war eher unbequem.

Foto: Monika Kirsch / WAZ FotoPool
Foto: Monika Kirsch / WAZ FotoPool

Die Schau „Liebe“ ist immer die gleiche: Rether sitzt auf der Bühne und erklärt die Welt, dabei putzt er gewissenhaft seinen Flügel, ab und zu spielt er darauf. Allerdings hat er etwas zu sagen, und das hat es auch in sich. Sowohl aktuelle Geschehnisse, wie die Flutkatastrophe in Pakistan, wie auch Historisches verknüpft er. Das ganze ist meist zynisch, oft lustig und manchmal braucht man schon sehr viel Humor, um noch lachen zu können. Aber Rether darf das. Genau wie er auch dem Publikum direkt ins Gesicht sagen kann, was es falsch macht – es lacht sogar noch darüber, applaudiert. Rether ist aber auch selbstkritsch, traut sich bei all seiner Polemik, sich selbst zu widersprechen, stellt einfach mal Dinge in Frage.

Unbequeme - und unwichtige Wahrheiten

„Was rege ich mich eigentlich auf?“, fragte er sich an diesem Abend nicht nur einmal. Er ließ auch kein Thema aus. Der Papst bekam sein Fett weg, ebenso wie George W. Bush und die omnipräsenten „Die“. Mit reichlich Paranoia ausgestattet prophezeite er, „die CIA kriegt das noch raus“, nur um an anderer Stelle mit leichtem Witz zu verkünden: „Der Dalai Lama ist der Peter Lustig für entäuschte Christen“. Ebenso schnell wie seine Themen wechselte er auch die Positionen: Mal war er Linker, dann Stoiker, in schneller Abfolge war er Vegetarier, Atheist und bekennender Peter Ustinov-Fan. Dabei traute er sich nicht nur, unbequeme Wahrheiten zu verkünden, sondern sie gleich auch wieder als unwichtig einzustufen.

„Letztes Jahr war es richtig trocken und heiß hier“, erinnerte sich Rether. Neben den großen weltumspannenden Problemen, durchleuchtete er auch die „Krämerseele“ eines jeden Einzelnen. „Es gibt mittlerweile Ökoaktivisten mit Nike-Schuhen“, lachte er, „finde ich gut!“. Eine Lanze brach er schließlich für die Frauen, und auch hier brachte er etwas Lokalkolorit ins Programm. Mit Flügel und verstellter Stimme gab er seine Version von Grönemeyers „Männer“ zum besten und fragte abschließend: „Wann ist der Mensch ein Mensch?“.

„Zynisch ist, wenn man es gar nicht mehr merkt“, so Rether, „zynisch ist die Wurst im eigenen Darm“. Mit solchen Bildern hielt er sich und dem Publikum den Spiegel vor. Da vergaß man schnell das Klavier im Hintergrund, das er mehr polierte als bespielte. Nach rund drei Stunden Programm fühlte sich dann so mancher erschlagen. Gelacht wurde zwar, aber Rether ist einer, der zum Nachdenken bringt. Vielleicht nicht das Beste zum Einschlafen, „da ist der Tatort oder Volksmusik besser“.