Gelsenkirchen.

„Dieses ganze Gequatsche geht mir auf den Sack, ich mach jetzt mal ein bisschen Musik.“ Hagen Rethers Aussage gegen Ende seines Programms (nach bereits über drei Stunden Spieldauer!) möchte man unterschreiben. Keine Frage: Rethers Kabarett ist böse, bissig, hochintelligent, witzig und allzu oft nur allzu wahr – aber: Mit ein paar Kürzungen, ein paar Längen weniger wäre es noch schlagkräftiger.

Seit 2003 spielt Hagen Rether sein Programm „Liebe“, das er ständig aktualisiert. So gibt es natürlich Anspielungen zu den Themen des Tages: „Jetzt ist er weg. Schade eigentlich, ich mochte ihn immer“, sagt der Kabarettist und meint damit eigentlich Schauspieler Dennis Hopper, während alle auf Spitzen gegen den zurückgetretenen Bundespräsidenten warten. Köhler bekommt später auch sein Fett weg – kurz und prägnant: „Der beleidigte Leber-Horst.“

Ausführlicher beschäftigt sich Hagen Rether mit seinem Lieblingsfeindbild, der katholischen Kirche: „Beim Vatikan hab ich verkackt. Aber die bei mir auch. Doch den Abgang vom Mixa fand ich gut. Wenn das so weitergeht, jeden Monat einer, sind wir die Weihnachten alle los.“ Oder: „Den Polanski haben die ein Leben lang um die ganze Welt gejagt. Wär der Priester gewesen, hätten sie ihn in die Nachbargemeinde versetzt und fertig.“ Oder: „Was waren die letzten Worte Gottes, bevor er gestorben ist? Adam, mach keinen Scheiß. Das Ergebnis nach 2000 Jahren ist Ratzinger.“ Oder: „70 000 Abtreibungsopfer sterben jährlich. Gibt es dafür etwa Wirtschaftssanktionen oder Bombenangriffe gegen den Vatikan?“

Opfer der beißenden Pointen Rethers sind allerdings auch die Lehman Brothers („was die in drei Tagen geschafft haben, da kann Bin Laden nur Bauklötze staunen“), Guido Westerwelle („der authentischste Politiker von allen, der hat sich nie verändert, der war immer gleich doof“), oder Roland Koch („manche haben Angst, dass der jetzt Buddhist wird, dann wird der wiedergeboren“).

Manchmal, zu selten, greift Rether in die Tasten des Flügels, improvisiert zu seinen Ausführungen, parodiert Grönemeyer oder singt, durchaus ernsthaft, Michael Jacksons „Earth Song“. Überhaupt spricht der Mann gegen Ende völlig ohne Ironie viele unbequeme Wahrheiten aus. Kann Kabarett etwas ändern? Leider wohl kaum. Aber, wie sagt Rether doch selbst immer wieder: „Ach, was reg ich mich auf.“