Wattenscheid. . X-Vision ersangen, -tanzten und -lasen sich Spenden für die Neueinrichtung ihres Studios.
Das Theater Unten im Schauspielhaus ist voller E-Bass-Gebrummel und Santur-Singsang. Orient trifft Okzident. „Hoffnung gewinnt“ hieß die Benefizlesung von X-Vision-Gründer Omid Pouryousefi, der 1986 als 13-Jähriger vom Iran nach Deutschland verpflanzt wurde. Hoffnung gewinnt, auch wenn dem Jugendkulturprojekt X-Vision im Januar das Studio in der Swidbertstraße ausbrannte.
Die Jugendlichen singen zu R’n’B- und Hip-Hop-Beats ihre Tracks vom Soldaten und vom Islamisten, die ihre Stoßgebete heucheln, obwohl es paradox ist, im Namen Gottes zu töten. Sie rappen von der Flucht aus ihren Verhältnissen, vom Durchhalten in Schule und Job, obwohl am Ende herzlich wenig Lohn zu stehen scheint.
Vom Durchstehen versteht auch Pouryousefi etwas, wie aus seiner Lesung hervorgeht. Heute vor 30 Jahren: Im Westen jährt sich das Kriegsende zum 37. Mal und in der Wüstenstadt Kerman werden Omid und Amin in aller Frühe wachgeklopft. Es ist das Zeichen, das die Kinder der Nachbarschaft zum Fußballspielen ruft. Doch der Schwarm von Fahrrädern fährt vor die Tore der Stadt, wo zwei erhängte Menschen baumeln. Am Baum ein Plakat: „Wer gegen die islamische Republik ist, stirbt.“
Frauen hätten es schwer, erzählt Pouryousefi. Wie Toktam Moslehi, die an diesem Abend ein persisches Liebeslied interpretiert. Sie lernte im iranischen Untergrund Operngesang. Auch Omids Cousine Shirin trägt plötzlich Tschador und darf laut Mutter nicht mehr mit ihm spielen. „Aber wir können doch schwimmen gehen!“, sagt Omid. Doch sie sind keine Kinder mehr. Sie sind schon neun. Omid versteht die Welt nicht mehr.
Aus dieser Welt kommt Omid 1986 nach Bochum: Er, Ali und Amin haben graue Wüste gegen graue Straßen eingetauscht. Keine Pistazien, kaum Muslime. „Eigentlich ganz spannend“, sagt Pouryousefi, „wir machten Blödsinn, denn die Eltern waren im Iran, um zu verkaufen, was zu verkaufen war.“ Dann der Anruf: Die Eltern dürfen nicht mehr raus. Ali, der Älteste, muss jetzt Mutter, Vater, Bruder und Ernährer sein. Omid gewöhnt sich in den folgenden Jahren an die Kriegsgeräusche zu Silvester, er schlägt das Wort „Tradition“ nach und lernt durch einem Besuch beim Rektor, dem die halbe Krawatte fehlt, dass zu Karneval Mädchen zwar Jungs straflos die Schnürsenkel abschneiden, Jungs sich aber nicht mit Haareabschneiden rächen dürfen.
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Bevor er 2006 als Staatsfeind eingestuft wird, spricht er im Iran mit 300 Menschen, um „meine eigene Wahrheit zu finden“. Am Flughafen kommandiert ihn ein junger Revolutionswächter herum, um ihn später zu fragen: „Ist es denn schwer, in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung zu kriegen?“
Eine ernste Geschichte mit komischen Untertönen. Hoffnung gewinnt, beweisen er und die X-Visionäre. Den Brand nennen sie heute ausgestanden. In WAT sie das nächste Mal am 30. Mai zu sehen sein: ab 17 Uhr beim Sport- und Spielfest zum Weltkindertag im Park am Bußmannsweg.