Wattenscheid. Beim dritten BochumerBücherBord dreht sich alles ums Ruhrgebiet: Ob als Hörstück, lakonisches Erstlingswerk oder einfach als Erzählung, die Literatur des Ruhrgebiets zeigte sich vielfältig.

Eigentlich sind sich ja alle einig, wie sich das anfühlt: Ruhrgebietsliteratur. Denkt man in Kategorien, wird es schwierig. Einige Thesen: Ruhrgebietsliteratur, das seien mehrere Literaturen; das Buch als Trägermedium sei nicht entscheidend, siehe Ruhrbarone.de. Pottliteratur sei anekdotisch, Buden-, Fußball- und Schrebergartengeschichten. Sie handle oft von Jugend und sie diene dem Sich-Rückversichern und Sich-Erschreiben einer Identität.

Lesen am Olympiastützpunkt

Soweit die Bilanz dessen, was Revier-Autoren und Literarische Gesellschaft jetzt auf Einladung des SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer vortrugen. Austragungsort dieses dritten „BochumerBücherBords“ war der in grüner Abgeschiedenheit liegende Olympiastützpunkt in Wattenscheid. Drei Autoren lasen an diesem Abend „Literatur von hier, aus der Stadt mit dem Buch im Wappen, und zwar an Orten, die alle kennen, wo die meisten aber noch nie selbst waren“, so Schäfer.

Als Beispiel für diese Identitätsschreibe las Wolfgang Welt. Er gab eine nuschelige Kostprobe aus seinem ersten literarischen Text, den er mit Ende zwanzig schrieb: „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“. Da ist im Grunde schon alles drin, was zu „Wolfgangs Welt“ gehört: der Fußball, das Bier, der Buddy-Holly-Club, die Zechenwelt in Langendreer, der Ärger mit den Frauen, die höhere Ziellosigkeit. Werner Streletz, Vorstandsmitglied der Literarischen Gesellschaft, lobte Welt dafür, dass er seinem einmal eingeschlagenen Weg treu bleibe: konsequent und in einer sehr eigenen lakonischen Stimmung am „Endlostext“ seines Lebens zu schreiben.

Kopfkino im Schrebergarten

Monika Buschey trat den poetischen Beweis an, dass das Medium keine Rolle spielen muss. Ihr ursprünglich für den WDR verfasstes Hörstück „Die Jutta“, in dem ein vom Leben nicht geliebter Bruno ohne Hoffnung und doch treu wie sein Hund einem jugendlichen Stelldichein im Schrebergarten nachhängt, erweckte die nötigen Gemeinplätze (S-Bahn, Schrebergarten, Jugenderinnerung) zum Kopfkino. Ob fürs Hören oder fürs Lesen: Die Gesetze des guten Geschichtenerzählens wurden beachtet.

Dann kam Andreas Niedrig. Der Oer-Erkenschwicker ist ein sehr bekanntes Stück Ruhrgebiet mit seiner längst verfilmten Biografie vom Heroinsüchtigen zum Weltklasse-Triathleten. Diesmal las er nicht aus seinem Buch. Er erzählte. Auch das typisch für die Literatur von hier: Mündlichkeit. Niedrigs Lebenserzählung, mit der er Manager und Jugendliche motiviert, handelt von Werten, von sozialem Halt und gehaltenen Versprechen: „Wir brauchen Menschen, auf die wir bauen können, weil sie tun, was sie sagen.“ Wie zum Beispiel seine Frau. Erst vor kurzem habe er sich getraut, sie zu fragen, warum sie diese 20 Jahre mit ihm durchgestanden habe. Sie darauf: „Ich habe gesagt, in guten wie in schlechten Zeiten.“

Wohin geht die Reise?

Soweit die Bestandsaufnahme des dritten „BochumerBücherBords“. Drei Geschichten: wie sich Zechenkinder in einen Buddy-Holly-Club flüchten, wie ein mittelalter Mann sein Leben restlos einer Jugendschwärmerei verschreibt, wie jemand sich von seiner Vergangenheit freikämpft und fortan radikal nach vorne schaut. Zugegeben, keiner dieser Autoren ist unter 40 und alle haben sich literarisch schon gefunden. Was außerdem natürlich interessant wäre: wohin die Ruhrgebietsliteraturen thematisch unterwegs sind. Da geht doch noch was.