Bochum. . Im Bochumer Off-Theater Rottstr.5 feierte ein Theaterstück von Werner Streletz Premiere, das die Nibelungenhelden in die Gegenwart holt: „Volkers Lied“.
Erfahrene Kreuzworträtsellöser wissen, dass sich hinter dem Eintrag „Held aus dem Nibelungenlied mit 6 Buchstaben“ nur einer verbergen kann: Volker. Volker von Alzei, genauer gesagt; Ritter und Spielmann am Hofe König Gunthers, der mit den anderen Burgundern auf Etzels Burg stirbt. Neuerdings ist er auch Titelgeber eines Theaterstücks. Am Wochenende feierte „Volkers Lied“ von Werner Streletz im Theater Rottstr.5 Welt-Uraufführung.
Die Bühne Rottstr.5 ist ein Off-Theater in einer ausrangierten Lagerhalle unter der Eisenbahnbrücke nahe der Bochumer Innenstadt. Hier, im trashigen Ambiente, werden Spielformen ausprobiert, die anderswo kaum eine Chance hätten. In diesem Jahr hatten sich die Rottsträßler die Nibelungen vorgeknöpft, in zehn Aufführungen näherte man sich dem Mythos aus moderner Sicht. Streletz’ Stück bildet den Abschluss der Reihe; bei ihm sind die Sagenhelden Brünhild, Hagen und Volker in einer unscharfen Gegenwart angelandet. Über ein Jahrtausend ist vergangen, doch die düsteren Erlebnisse wirken nach. Die betrogene Brünhild hat ihre Kraft verloren, der Siegfried-Mörder Hagen leidet unter Kriegsneurose und Volker will von all dem Blut, das er gesoffen hat, nichts mehr wissen, „das ist doch alles schon so lange her“. Irritiert muss das Trio erfahren, dass der tote Siegfried in der Stadt gesehen worden ist. Wie das endet, soll nicht verraten werden, nur soviel: am Schluss sind zwei von Dreien tot.
Das monolog- und dialoggesteuerte Theaterstück ist eine Herausforderung für den Regisseur. Hans Dreher setzt mit sparsamsten Mitteln Lockerungsübungen auf die statische Dramaturgie an. Heraus kommt intensives Schauspielertheater; wie immer in der Rottstr.5 bekommt das Publikum die volle Ladung an Emotion & Einsatz ab. Dagny Dewath als Brünhild spielt die lauernde Gewalttätigkeit, die nach allen Erniedrigungen in ihr ist, selbst dann noch aus, wenn sie als gefesseltes Bündel an die Decke gehängt wird. Martin Bretschneider als Hagen kommt wie ein metrosexueller David Beckett daher, auch wenn wir früh ahnen, dass das nicht alles sein kann. Tatächlich ist er dann in der Säuferszene gegen Ende so nah am Wahnsinn, wie man es erwarten darf. Die einnehmendste Rolle hat aber Andreas Bittl als Platzhirsch Volker, auf den sich die Inszenierung nicht nur wegen Volkers (live gespielten) Musiknummern fokussiert.
Werner Streletz hat einen originellen Dreh gefunden, einen alten Stoff neu zu fassen. Auch, wenn gewisse Kernaussagen wie „Es wäre schön, gäbe es ein Lied, dessen Melodie alle Panzer der Welt stoppen könnte“ zwar ehrenvoll, aber eben auch ein bisschen wie weihnachtliches Wunschdenken klingen. „Volkers Lied“ ist vielleicht kein so aufwühlendes Kammerspiel wie es Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ war, dafür ist es auch viel zu oft viel zu amüsant. Aber es folgt ihm in nicht allzuweiter Entfernung.