Wattenscheid. Immer mehr Eckkneipen schließen. Derzeit herrscht im “Haus Höller“ in Günnigfeld Ausverkauf-Stimmung. Ende März dreht Wirt Hans-Jürgen Goertzen die Zapfhähne hoch in der Traditionsgaststätte. Die Ahnentafel wird wohl nicht verlängert.
„Die kleine Kneipe in unserer Straße, da wo das Leben noch lebenswert ist. Dort in der Kneipe in unserer Straße, da fragt dich keiner, was du hast oder bist...“
35 Jahre ist es alt, das bekannte Lied von Peter Alexander. Eine Hommage an die gemütliche Kneipe um die Ecke. Doch davon gibt es immer weniger. Das Kneipensterben hat in den vergangenen Jahren immer mehr Gaststätten hinweggerafft, jedes Jahr kommen weitere hinzu. Mit „Haus Höller“ schließt bald eine Traditionsgaststätte in Günnigfeld.
Ende März ist Schluss
„Ende März ist Schluss“, sagt Wirt Hans-Jürgen Goertzen. Dann wird er die Zapfhähne ein letztes Mal hochdrehen, die Stühle auf den Tisch stellen. Der Gastronom verkauft derzeit Deko und Küchenartikel: ein Trödelmarkt der anderen Art, der am Dienstag begann und am Mittwoch ab 15 Uhr weitergeht. Teller, Schüsseln, Gläser, Thermoboxen, Käse-Etagere, Blumendekoration, Saucieren, Alubehälter vom Buffet – ein Paradies für Schnäppchenjäger.
„Die Postkarten dort an der Wand in der Ecke, das Foto vom Fußballverein, das Stimmengewirr, die Musik aus der Jukebox, all das ist ein Stückchen daheim...“
18 Kneipen gab es mal in Günnigfeld, übrig geblieben sind zwei. Die Gründe fürs Kneipensterben sind vielfältig. Jüngere Generationen zieht es in „Szene-Läden“; Gäste müssen sparen; andere sitzen lieber in der Wohnung oder im Garten und trinken ihr eigenes Bier. Und oftmals wird kein Nachfolger gefunden, wenn der Wirt oder die Wirtin aus Gesundheits- oder aus Altersgründen Schluss macht. „Zwölf Jahre lang habe ich Haus Höller geführt. Doch aus gesundheitlichen Gründen muss ich jetzt aufhören“, erklärt der 59-jährige Wirt.
Viel erlebt
Und blickt zurück. Viel hat er in dieser Zeit erlebt. Persönliches, Neues, Nettes, weniger Lustiges erfahren. „Ich könnte ein Buch schrieben. Dass man in der langen Zeit seine Stammgäste gut kennenlernt, zuhört, mitdiskutiert – das ist doch selbstverständlich. Genau das zeichnet ja solche Gaststätten aus, in denen der Wirt fast jeden Besucher mit Namen kennt.“ Frauen-, Karten- und Knobelrunden haben sich hier regelmäßig getroffen.“ Und „Haus Höller“ war Günnigfelder Vereinslokal: VfB, K.G. Blau-Weiß, Hochseeangelclub Südfeldmark, Turnvereinigung.
„Man redet sich heiß und spricht sich von der Seele, was einem die Laune vergällt. Die Rechnung, die steht auf dem Bierdeckel drauf, doch beim Wirt hier hat jeder Kredit...“
An der Wand hängen viele Erinnerungsstücke. Auch die komplette Ahnentafel der Wattenscheider Stadtprinzenpaare nach dem Krieg findet sich hier – 1952/53 regierten übrigens Kneipenwirt Christian Höller und Hannelore Bomers. „Die Jüngeren fehlen. Und die Senioren können irgendwann altersbedingt nicht mehr vorbeikommen“, sagt Goertzen. Er hofft, dass sich für „Höller“ noch eine Nachfolgelösung findet – im nächsten Jahr könnte das Lokal dann 60-Jähriges feiern.
„Stehst mit dem Pils in der Hand an der Theke und bist gleich mit jedem per Du...“