Bochum-Westenfeld. Kontrovers diskutiert wird über die geplante Wohnbebauung in Bochum-Westenfeld. Die Weichen sind gestellt. Doch es gibt Bedenken.

Mehrheitlich mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP hat die Bezirksvertretung Wattenscheid den aktuellen Planungen der Stadt Bochum zum Bebauungsplan Wilhelm-Leithe-Weg Süd zugestimmt. Es gab dazu eine lange und kontroverse Diskussion am 31. Januar bei diesem Tagesordnungspunkt, schließlich geht es hier um eine wegweisende Wohnbebauung dieser großen Freifläche nicht weit von der Wattenscheider Innenstadt entfernt mit sehr ambitionierten Zielen zum Thema Ökologie. Ob die eingehalten werden können, daran scheiden sich aber die Geister.

Thema in der Bezirksvertretung Wattenscheid

Der Bebauungsplan 1009 Wilhelm-Leithe-Weg Süd wird für das Gebiet zwischen Wilhelm-Leithe-Weg, Isenbrockstraße, Jung-Stilling-Straße und Ridderstraße aufgestellt. Wohnbebauung ist hier vorgesehen. Das Bebauungsplangebiet ist Bestandteil der Baulandentwicklung „Neues Bahnhofsquartier Wattenscheid“.

Auslegungsbeschluss für das Baugebiet

Mit dem Auslegungsbeschluss kann eine weitere Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. Der Bebauungsplanentwurf und ergänzende Unterlagen können auf bochum.de/bebauungsplaene eingesehen werden. Den Beschlussvorschlag der Verwaltung erläuterte Tobias Hundt vom Stadtplanungsamt, so soll u.a. die Straßenverkehrsfläche der Ridderstraße verkleinert werden.

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Vor dem Hintergrund der anstehenden Mobilitätswende soll hier ein autoarmes Quartier entstehen, das „unterschiedliche Angebote zur Nutzung alternativer Mobilitätsformen bereithält und qualitativ hochwertige Räume für den Fuß- und Radverkehr bietet. Hier entsteht ein Quartier mit Strahlkraft auf einem der letzten Grüngürtel in Wattenscheid“, erklärten Wolfgang Rohmann (SPD) und Sonja Lohf (Grüne) in der Sitzung der Bezirksvertretung Wattenscheid. Die WAT-Koalition forderte u.a. nochmals, dort neben Dachbegrünung alle Optionen einer auf erneuerbare Energien basierenden Strom- und Wärmeversorgung zu nutzen.

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Große Grünfläche in Wattenscheid

Auf der Fläche zwischen dem Wilhelm-Leithe-Weg und der Jung-Stilling-Straße in Wattenscheid-Westenfeld soll auf rund acht Hektar Fläche ein neues Wohngebiet entstehen. Die Pkw-Stellplätze sind überwiegend in Quartiersgaragen untergebracht. Damit soll der Großteil des Pkw-Verkehrs aus dem Gebiet herausgehalten werden, um „qualitativ hochwertige Räume für den Fuß- und Radverkehr zu ermöglichen“.

Heftige Kritik an der Planung äußerte Gerd Kipp (CDU), „der Gedanke an so ein autoarmes Quartier geht an der Realität und prognostizierten Entwicklung des Kfz-Verkehrs völlig vorbei. Quartiersgaragen finde ich grauenvoll, es gibt hier viel zu wenig Stellplätze vor der Haustür. Dort ist dann das Verkehrschaos programmiert“. Rolf Heyer (FDP) wollte von der Verwaltung wissen, „wie denn die Quartiersgaragen durch den Investor finanziert werden“.

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Ein wesentliches Element ist dabei auch eine 6000 Quadratmeter große Grünfläche, um die beiden geplanten Wohnquartiere miteinander zu verbinden und eine gute Durchlüftung zu gewährleisten. Hier sind neben Spielflächen auch Bereiche zum Entspannen und Verweilen vorgesehen. Nachbarschaftliche Treffpunkte bieten sich zudem in drei kleinen Grünanlagen an.

Aus Bauernland wird Bauland in Wattenscheid

Diese große, bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche, befindet sich im Eigentum eines privaten Grundstückseigentümers. In Kooperation zwischen der Blueorange Development West GmbH und der Stadt Bochum wird dazu der Bebauungsplan für 250 bis 300 Wohnungen aufgestellt. Rolf Heyer erklärte zu kritischen Anmerkungen aus der Opposition in der BV-Sitzung u.a. auch, dass „schließlich die DZ als Genossenschaftsbank der Landwirte dieses Bauvorhaben finanziert“.

Neben Eigenheimen und Eigentumswohnungen sind auf der Fläche auch öffentlich geförderte und frei finanzierte Wohnungen im Mehrfamilienhaus-Segment vorgesehen. Eine neue Kita ist auch geplant – direkt an einer Grünfläche. Entlang der Isenbrockstraße sollen zudem „nicht störende gewerbliche Nutzungen“ ermöglicht werden.

Quartiersgaragen sind in Wattenscheid geplant

Und es soll „autoarm“ sein - dafür sollen Quartiersgaragen sorgen und damit verbunden ein niedriger Stellplatzschlüssel von 0,9. Anlass der Planung ist laut Stadt der in Bochum hohe Bedarf an qualitativ hochwertigem Wohnraum. Dazu hatte der Rat das „Handlungskonzept Wohnen“ beschlossen. Dabei bildet das Areal in Westenfeld eine Maßnahme des Wohnbauflächenprogramms, das mittelfristig durch die Bauleitplanung umgesetzt werden soll. Die Bürgerinitiative „Westenfelder Felder“ kritisiert allerdings das Vorhaben.

Kritik auch von der UWG in Wattenscheid

Kritik an den Plänen zum Neubaugebiet Wilhelm-Leithe-Weg Süd gibt es auch von der Wattenscheider Bezirksfraktion UWG: Freie Bürger: Sie lehnt die Bebauung in dem Bereich weiterhin ab. Hans-Josef Winkler, Vorsitzender der Bezirksfraktion Wattenscheid, erklärte dazu in der Sitzung der Bezirksvertretung vergangene Woche: „Das heutige Ackerland südlich des Wilhelm-Leithe-Wegs ist die letzte Agrarfläche in Stadtnähe. Als Folge der Versiegelung des Bodens wird sich das lokale Klima innerhalb des Plangebietes von einem Freilandklimatop zu einem Stadtrandklimatop wandeln.“

Ökologie und Stellplatzfrage im Fokus

Und Winkler betont zudem: „Die im Bestand vorhandene lokale Kühlfunktion für die nähere Umgebung wird mindestens eingeschränkt oder geht im schlimmsten Fall komplett verloren. Auch bildet sich weniger Grundwasser neu, weil Regenwasser nicht oder nur erschwert dem Boden zugeführt werden kann und daher über Kanalsysteme abgeleitet werden muss.“ Hierbei stelle sich auch die Frage, „was passiert bei Starkregen auf dem abschüssigen Gelände? Wird die Ridderstraße überflutet?“

Die UWG kritisiert auch die Anzahl der vorgegebenen Stellplätze: „Weniger als einer für Kraftfahrzeuge pro Wohnung ist unrealistisch, auch Elektrofahrzeuge benötigen einen Stellplatz. Der Parkdruck rund um das Gebiet wird sich enorm erhöhen.“

Fragen auch zur Grundschule in Wattenscheid

Und Bedenken gebe es auch vor dem Hintergrund bei den zu erwartenden Grundpreisen, „die sich voraussichtlich für Kauf bzw. Miete ergeben werden. Wer bereit ist, diesen Preis zu zahlen, erwartet bzw. setzt auch voraus, sein eigenes Mobilitätsverhalten zu bestimmen“. Die UWG: Freie Bürger hätten bereits im März 2021 die Bebauung abgelehnt. Winkler weiter: „Prekär wird auch die Situation bezüglich der ohne hin bekannten mangelnden Grundschulen-Infrastruktur – bei 250 Wohneinheiten wird dann auch die entsprechende Schülerzahl zu erwarten sein.“

Winklers Fazit lautet: „Ja, wir benötigen Wohnraum, aber nicht immer auf Kosten der unversiegelten Flächen. Stoppt die Bebauung am Wilhelm-Leithe-Weg Süd. Es wäre besser, zunächst einmal Brachen und Schrottimmobilien zu ertüchtigen, als immer neue Flächen zu versiegeln.“