Wattenscheid. Die Schülervertretung der Märkischen Schule in Wattenscheid schlägt Alarm. Sie fordert, den Schul-Neustart zu verschieben. Aus vielerlei Gründen.
Die Gymnasiasten der Märkischen Schule in Wattenscheid schlagen Alarm: Sie halten den Neustart am Donnerstag in diesen Corona-Zeiten für verfrüht. In einem emotionalen Brief wendet sich die Schülervertretung an die Landesregierung. Mit aus ihrer Sicht vielen offenen Fragen und guten Gründen, die Schulen noch weiter geschlossen zu halten. Die Gymnasiasten drohen sogar offen damit, die Schule zu boykottieren, sollte ihr Vorstoß keinen Erfolg haben.
Corona: Wattenscheider Gymnasiasten schreiben Brandbrief an die Landesregierung
Ben Schönhoff und Lara Chahrour haben den Offenen Brief im Namen der Schülervertretung verfasst und nach Düsseldorf geschickt. Darin machen sie deutlich, „dass die für Donnerstag angesetzte Schulöffnung für uns keine verantwortungsvolle Option ist“. Andere Bundesländer seien nicht bereit, derartig früh wieder den Betrieb aufzunehmen, und das bevölkerungsreichste und stark von Corona-Infektionen betroffene Bundesland Nordrhein-Westfalen sollte dies nach Ansicht der Gymnasiasten erst recht nicht tun. Die Schüler fragen: „Wie kann es sein, dass ein Bundesland wie Bayern, das ebenfalls massiv von dem Virus beeinträchtigt ist, die Schüler weiterhin schützt, NRW jedoch nicht?“
Schönhoff und Chahrour verweisen auf die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ja davor warne, die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufs Spiel zu setzen. „Wir finden das verantwortungsvoll und vor dem Hintergrund, dass das Virusgeschehen durch verfrühte Lockerungen wieder zu dynamisch würde und es alle bisherigen Schritte damit zunichte machte, lehnen wir die für Donnerstag geplante Schulöffnung ab. Diese Öffnung kommt verfrüht, ein ausreichendes Hygienekonzept kann in dieser kurzen Zeit nicht sichergestellt werden und es gefährdet alle bisherigen Erfolge.“
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Angst geht um in der Schulgemeinschaft
Bevor sie den Brief an Landes-Chef Armin Laschet (CDU) und auch NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) aufgesetzt haben, sammelten Ben Schönhoff und Lara Chahrour mehrere Schülermeinungen ein, um ein Stimmungsbild der Schulgemeinschaft der Märkischen Schule abgeben zu können. Viele äußern darin die Sorge, dass das Risiko, sich anzustecken, noch viel zu hoch sei.
Schulleiterin vermisst einheitliche Linie
Kerstin Guse-Becker, Leiterin der Märkischen Schule, sieht sich für den Neustart am Donnerstag einigermaßen gerüstet. „Wir haben getan, was wir konnten und uns alle erdenkliche Mühe gegeben, die Hygienestandards einzuhalten und Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.“ Allerdings fühlt sie sich dabei ziemlich allein gelassen. „Wir haben uns alle Informationen selbst zusammengesucht“, sagt Guse-Becker, die von offizieller Seite eine einheitliche Linie vermisst.
Für die Verunsicherung und Sorge der Schüler zeigt die Schulleiterin Verständnis. Der Bitte der Schülervertretung, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und die Schule geschlossen zu halten, könne sie mit Verweist auf einen Erlass der Bezirksregierungallerdings nicht nachkommen. Vom drohenden Schulboykott hat auch Guse-Becker gehört: „Diese Entscheidung kann ich den Schülern nicht abnehmen. Die Teilnahme am Unterricht zur Vorbereitung auf das Abitur ist ohnehin freiwillig und fließt nicht in die Bewertung ein.“ Erst zu den Prüfung ab 12. mai herrscht Schulpflicht.
Die Angst gehe um, vorerkrankte Familienmitglieder durch eine eigene Infektion anstecken zu können. „Ich bin nicht vorerkrankt, aber meine Oma. Wenn sie infiziert ist, kann sie es möglicherweise nicht überleben“, wird ein Schüler zitiert. Auch ein Mitschüler will seine Familie nicht gefährden, „nur um nochmal drei Wochen jeden Tag die Schule zu besuchen, obwohl das für mich sogar wirklich sinnvoll wäre, da ich in einigen Fächern noch offene Fragen habe. Man steht tatsächlich in einem Zwiespalt.“
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Laut Schülervertretung sind noch zu viele Fragen ungeklärt, um den Schulbetrieb wieder aufnehmen zu können. Ben Schönhoff und Lara Chahrour listen auf: Wie kann Chancengleichheit garantieren, wenn Schüler familiär oder selbst zur Risikogruppe zählen und sich gegen einen Schulbesuch entscheiden müssen? Wie kann Chancengleichheit garantiert werden, wenn Schüler nicht von ihren Lehrern unterrichtet werden können, weil diese zur Risikogruppe zählen?
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Und außerdem: Wie wird der Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern in den Räumen und an Knotenpunkten wie beispielsweise Ein- und Ausgängen gewährleistet? Wie sollen alle Schüler mit adäquaten Schutzmasken ausgerüstet werden? Gibt es ausreichend Seife und Desinfektionsmittel? Wie wird eine Grundreinigung und tägliche Reinigung sichergestellt? Wie kann in einer stark sanierungsbedürftigen Schule, in der die meisten Fenster nicht geöffnet werden können, eine Querlüftung eingehalten werden?
Fragen über Fragen, die aus Sicht der Schülervertretung bislang unbeantwortet sind und aus ihrer Sicht nur einen Entschluss zur Folge haben können: Kein Schul-Neustart am Donnerstag. „Wir hoffen auf eine zufriedenstellende Antwort aus Düsseldorf“, sagt Schülersprecher Ben Schönhoff. „Andernfalls halten wir uns die Option vor, die Schule zu boykottieren. Das werden wir dann kurzfristig nochmal besprechen.“
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