Wattenscheid. Das Wattenscheider Wahrzeichen soll künftig auf vielfältige Weise genutzt werden können. Die WAZ gibt dazu einen Über- und Ausblick.
Die Seilscheiben stehen still, und doch geht wieder Energie aus vom Fördergerüst auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Holland. Denn die Scheiben stehen, um das Wahrzeichen der Stadt und der Bergbaugeschichte der Region Stück für Stück weiter zu beleben. Die Sicherung der Anlage war eine Bedingung, um das Gerüst nach der umfangreichen Restaurierung für Besucher wieder zugänglich und damit begehbar zu machen.
Bürgerinitiative begleitete Aktion von Anfang an
Praktisch von Beginn an hat die Bürgerinitiative „Wir in Wattenscheid - Schacht 4“ den Prozess begleitet und Möglichkeiten und Ideen dazu entwickelt. Nun steht die Gestaltung der Fläche im Blickpunkt. Der Abschluss der aufwendigen Sanierung des historischen Turms wurde, kaum zu glauben, immerhin erst im Juni 2019 feierlich begangen. Die Wirtschafts-Entwicklungs-Gesellschaft Bochum (WEG) hatte dazu angekündigt, noch in eben diesem Sommer auch die Planungen für die Sicherung des Zugangs, für die Beleuchtung und die Außenanlagen gemeinsam mit dem ISEK-Büro der Stadt vorzustellen. Das verzögerte sich mit dem Voranschreiten der tatsächlichen Arbeiten, dem Sandstrahlen der Konstruktion und dem Neuanstrich. Allein zur Renovierung des Fördergerüstes waren das rund 1,9 Millionen Euro.
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Es müsse neu kalkuliert werden, erklärte damals Sven Frohwein, Sprecher der WEG, denn die Sanierung des Turms war umfangreicher als vorgesehen. Denn erst mit dem Freilegen der tragenden Konstruktion konnte festgestellt werden, welche Teile durch Korrosion nicht mehr zu erhalten waren , sondern ausgetauscht werden mussten. Was erneute Abstimmungen mit der Unteren Denkmalbehörde bedeutete. Für die Durchführung des Gesamtprojektes waren ursprünglich über 2,8 Millionen Euro eingeplant. 80 Prozent dieser Summe sollten durch Fördermittel abgedeckt und dazu jeweils zehn Prozent von der Stadt Bochum und der Bochum Wirtschaftsentwicklung beigesteuert werden.
Sanierung aus Mitteln des ISEK-Projektes
Die Sanierung wurde hauptsächlich mit Mitteln aus dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) für Wattenscheid-Mitte gestemmt, also aus Mitteln der Städtebauförderung. Weitere Mittel kamen aus dem Programm „Wachstum für Bochum“. „Die Sanierung des Umfeldes soll 2020 abgeschlossen werden“, schloss die Begründung im Juni des vergangenen Jahres noch recht optimistisch. Als dann die genaue Abrechnung vorgenommen wurde, stellte sich der ursprünglich angesetzte Rahmen als zu eng heraus. „Es musste mehr gemacht werden“, berichtete Sven Frohwein, deshalb müssten die Kosten noch gegengerechnet werden, und „das Verfahren läuft“, beruhigte er umgehend, dass das Gesamtprojekt damit nicht zum Scheitern verurteilt war.
„Wir prüfen noch mit allen beteiligten Stellen, ob unter Umständen andere Fördertöpfe in Frage kommen können, aus denen die noch ausstehenden Arbeiten bis zur - sozusagen - schlüsselfertigen Übergabe an die Stadt finanziert werden können, oder ob wir zusätzliche Mittel beantragen können.“
Ständiger Kontakt mit den Planern
Die Wirtschaftsentwicklung als Stadttochter stehe in ständigem Kontakt mit den Planern der Stadtverwaltung, schließlich hätten alle Beteiligten ein Interesse daran, „dass der Turm jetzt nach der Sanierung nicht einfach nur wieder sicher steht, sondern von der Öffentlichkeit genutzt werden kann.“Nicht vergessen dürfe man bei aller Ungeduld, die bei der Entwicklung des Gesamtprojektes verständlich sei, dass die Wirtschaftsentwicklung das Zechenareal inklusive des Fördergerüstes eben ausdrücklich nur entwickeln sollte. Sie war als Grundeigentümer eingesetzt worden, sollte aber das Ensemble nicht betreiben, sondern nach der Gesamterschließung an die Stadt übergeben. Die WEG hatte noch als Entwicklungsgesellschaft Ruhr-Bochum das 4841 Quadratmeter-Grundstück von der NRW-Urban erworben.
130 Meter lange neue Treppenanlage
15 Tonnen alter Stahl wurden seit dem Beginn der Sicherungs- und Sanierungsarbeiten aus dem Fördergerüst aus- und 34 Tonnen wieder eingebaut, eine 130 Meter lange neue Treppenanlage wurde am Gerüst befestigt. Mehr als 200 Stufen führen nach oben bis zu den beiden Förderrädern. Die neu eingesetzten Bauteile wurden in einer anderen Farbe gestrichen als die Originalelemente, um sie unterscheiden zu können.
Unter anderem musste auch das alte, überraschenderweise dreiteilige Namensschild in 50 Metern Höhe durch ein neues ersetzt werden, da bei der Demontage per Kran herausgestellt hatte, dass die Unterkonstruktion zu stark beschädigt und nicht zu retten war. Das Schild hat der Förderverein „Schacht 4“ gesichert, zerlegt und aufbewahrt. Noch hat sich kein passender Ort gefunden, an dem es wieder öffentlich präsentiert werden kann.
Verkehrssicherheit war wichtig
Die Initiative „Schacht 4“ hatte gehofft, die Gestaltung der Freifläche unter dem Fördergerüst könne etwa Ende Juli oder Mitte August in Angriff genommen werden. Bevor schweres Gerät zum Einsatz kommt, soll möglichst noch einmal eine Möglichkeit geschaffen werden, dass Besuchergruppen den Turm besteigen können, um das Panorama über die Region mit den Relikten von immerhin sieben Schachtanlagen zu genießen.
Die Verkehrssicherheit war dazu entscheidend, und zunächst wurden dazu die Seilscheiben dauerhaft festgesetzt. Ein etwa sechs Meter hohes Zaungeflecht soll den Zugang außerdem sichern. Der Entwurf des Herner Büros für Landschaftsarchitektur, Heller und Kalka, war Diskussionsgrundlage in den Workshops in der Alten Lohnhalle, die das Stadtteilbüro koordinierte. Mit etwa 600.000 Euro kann noch kalkuliert werden.
Boule-Bahnen und Sitzwürfel sind geplant
Vorgesehen sind danach unter anderem Boule-Bahnen, Sitzwürfel und gepflasterte Bänder zur Gestaltung einzelnen Leisten sowie eine schlichte Bühne für Veranstaltungen. Selbst die Baumart wurde schon ausgesucht; Rotbuchen sollen es sein, schlank und bis etwa acht Meter hoch wachsend. Nach den zwischenzeitlichen, einzelnen und beeindruckenden Beleuchtungs-Aktionen von „Lichtwechsel Ruhr“ in verschiedenen Farben während der Sanierungsarbeiten, also auch unter Ausnutzung der gigantischen Schutzplane, sträubte sich die Schacht 4-Initiative gegen das erste Licht-Konzept. Einzelne LED-Leisten in Höhe der Hängebank würden vom Boden aus praktisch nicht zu sehen sein. Diese Version wurde also verworfen.
Teile des brach liegenden Geländes müssen noch überdeckt werden, bis sie frei zugänglich sind. Der gestaltete Bereich wird etwa 1,75 Meter über dem früheren Niveau sein. Von der Emil-Weitz-Straße aus wird er über einige Treppenstufen aus erreichbar sein. Laternen und halbhohe Stelen sollen das Areal ausleuchten.
Die Bürgerinitiative zeigt sich sehr zufrieden über das Interesse weiterer Mitstreiter, demnach plane etwa Bochum Marketing die Einbindung des Schachtgeländes in die Route touristischer Bergbau-Busrundfahrten. Sozusagen in eigener Sache ist der Entwurf eines schwarzen T-Shirts mit dem Initiativen-Logo „Schacht 4“ entstanden. Die Gastronomie auf dem Gelände will möglichst Mathieu Knepper mit seiner Firma betreiben, wie auch schon die Schwarzkaue/Alte Lohnhalle an der Einfahrt zum Gesamtbereich.
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