Wattenscheid-Mitte. Die Werbegemeinschaft Wattenscheid kritisiert Pläne zum autofreien August-Bebel-Platz. Es drohe ein „Desaster wie beim Bongard-Boulevard Bochum“.
„Wir wären eine miserable Interessenvertretung der in und für die Innenstadt aktiven Bürger, würden wir uns gegen derartige Schildbürgerstreiche der Politik nicht zur Wehr setzen“, begründet Wolfgang Dressler, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Wattenscheid, die Einleitung des Bürgerbegehrens gegen einen autofreien Bebelplatz.
Das durch SPD, Grüne und den parteilosen Bernd Heider in der Bezirksvertretung beschlossene Mehrheitsvotum dazu sei gefasst worden, „ohne dass die in der Innenstadt seit Jahren tätigen fachkundigen Akteure wie die Werbegemeinschaft oder die Kaufleute und ihre Kunden dazu auch nur einmal befragt worden sind. Offensichtlich besteht nur ein sehr eingeschränktes Bedürfnis der SPD-Fraktion, sich vor einem derartigen Beschluss auch sachkundig zu machen“.
Bürgerbegehren eingeleitet
Die Werbegemeinschaft und ihr Vorsitzender verstehen sich über 35 Jahren „als Interessenvertreter für die Wattenscheider Gewerbetreibenden und ihre Kunden und kümmern sich um deren Belange zur Förderung der Innenstadt u.a. als Ort der Begegnung, des Konsums und des Erlebnisses“, so Wolfgang Dressler.
Das Bürgerbegehren gegen den autofreien Bebelplatz sei bei OB Eiskirch beantragt worden. Dressler rechnet damit, dass die Unterschriftenlisten dafür ab Mitte Januar ausgelegt werden. 3485 Bürger müssen unterschreiben, damit sich die Bezirksvertretung nochmal mit diesem Thema befasst. Bleibt es bei dem Beschluss, folgt ein Bürgerentscheid, bei dem alle wahlberechtigten Wattenscheider darüber abstimmen können.
Es fehlen verlässliche Angaben zum Verkehr
Er kritisiert die Aussagen der SPD über die dem Beschluss zugrunde liegenden Angaben zum Pkw-Verkehr. „Während Fraktionsvorsitzender Rohmann eine Milchmädchenrechnung von lediglich 2,5 Pkw pro Minute, die es zu verhindern und umzuleiten gilt, anführt, räumt Stadtbezirksvorsitzender Rausch ein, der Beschluss basiere auf vermutungsbasierten Schätzungen über den Pkw-Verkehr und die Zahlen der Nutzer des Platzes. Allein diese Begründungen sind widersprüchlich und unsinnig und stellen schon ein Stück aus dem politischen Tollhaus angesichts der Bedeutung dieser Maßnahme dar.“ Es handele sich schließlich um eine richtungsweisende Entscheidung für die Innenstadt.
City-Plätze und Bebelplatz müssen attraktiver werden
Vor dem Beschluss hätte man vier Punkte bedenken müssen. „1. Der Innenstadt mangelt es nicht an Platz, sondern in manchen Bereichen an Qualität. Jeder sachkundige Stadtplaner weiß seit Jahren, dass wegen des wachsenden Onlinehandels ein Bedarf an neuen Verkaufsflächen in den Innenstädten, besonders in Nebenzentren wie Wattenscheid, nicht besteht.“ Wichtig sei für die Innenstadt daher zunächst einmal die qualitative Aufwertung des Flächenbestandes „als Erlebnis- und Begegnungsorte der Bürger“, meint Dressler mit Blick auf die Bereiche „Dreieck“, Saarlandbrunnen und Alter Markt.
August-Bebel-Platz als Verkehrsknotenpunkt
„Punkt 2: Der August-Bebel-Platz ist kein vollständig integrierter Teil der Fußgängerzone, sondern ein an diese angebundener Verkehrsknoten-, Treff- und Zubringerpunkt. Dieser Funktion würde der Platz bei besserer Verkehrsführung – wie Verkehrsberuhigung, Stopp dem Ampelwahn, Schaffung von kleinen Kreisverkehren – und den im übrigen auch von uns begrüßten Maßnahmen zur Verbesserung des Erscheinungsbildes hervorragend gerecht. Hierfür wird der Platz auch dringend benötigt.“
„Desaster wie beim Bongard-Boulevard“
Im übrigen sei aus dem Konzept der SPD für die Gestaltung des Platzes an keiner Stelle ersichtlich, „wie und warum durch den Wegfall des Pkw-Verkehrs zusätzlicherelevante Erlebnis- und Begegnungsflächenentstehen würden, da ja ohnehin eine breite durch den ÖPNV genutzte Verkehrsstraße verbleibt“. Die Planung würde vielmehr „zu dem gleichen Desaster für die Atmosphäre auf dem Platz führen wie auf dem Bongard-Boulevard in Bochum, ohne dabei auch nur im Ansatz eine ausreichende zusätzliche Fußgängerfrequenz zu generieren, die den Platz mit Leben füllen würde. Die Planung erfolgt daher ohne irgendeinen erkennbaren Nutzen bei gleichzeitig erheblichen Nachteilen für alle Anrainer und Nutzer der Wattenscheider Innenstadt“.
Mehr Verkehr auf den Umgehungsstraßen
„Punkt 3: Die Umleitung des Pkw-Verkehrs verursacht zusätzliche Staus in den Umgehungsstraßen sowie durch die durch die Pkw gefahrenen weiteren Strecken erhebliche zusätzliche Umweltbelastungen.“ Wer glaube, mit einer derartigen Maßnahme z.B. einen einzigen Eppendorfer Bürger zu veranlassen, mit dem Fahrrad oder Bus statt mit dem Pkw in die Wattenscheider Innenstadt zu fahren, „agiert politisch im luftleeren Raum. Diese Bürger werden dann nämlich lieber mit dem eigenen Pkw den weiteren Weg nach Bochum nehmen“. Ökologisch wirke der Beschluss daher kontraproduktiv.
„Umsatzeinbußen für Kaufleute“
Und schließlich würden die Umbaumaßnahmen außer auf dem August-Bebel-Platz auch zu zusätzlichen Kosten für den Um- und Ausbau der Umgehungsstraßen sowie zu erheblichen Umsatzeinbußen in der Wattenscheider Innenstadt führen.
„Wem damit genützt sein soll, können wir beim besten Willen nicht erkennen. Dass die Kaufleute der Innenstadt und mit ihnen eine große Zahl Wattenscheider Bürger sich gegen derart sinnbefreite Stadtplanung zur Wehr setzen werden, darf eigentlich niemanden verwundern.“