Bochum-Wattenscheid-Mitte. Ein „autofreier“ August-Bebel-Platz wird kontrovers diskutiert. Wie wichtig er fürs Leben in Wattenscheid ist, zeigt ein Blick in die Historie.

Der August-Bebel-Platz nimmt im Wattenscheider Leben nicht nur als Verkehrsknotenpunkt eine zentrale Rolle ein. Nachdem die Bezirksvertretung Wattenscheid mit knapper Mehrheit beschlossen hat, den Platz künftig für den privaten Durchgangsverkehr sperren zu wollen, formiert sich einiger Widerstand.

Ein Bürgerbegehren will verhindern, dass der Bebelplatz künftig „autofrei“ wird. Anfang nächsten Jahres sollen Unterschriftenlisten ausgelegt werden, um genug Stimmen dafür zu sammeln. Sechs Prozent der wahlberechtigten Wattenscheider müssten sich mindestens eintragen, das sind 3485. Falls genug Stimmen zusammenkommen, würde ein Bürgerentscheid durchgeführt – und die Bezirksvertretung müsste sich erneut mit dem Thema befassen.

Radikale Zäsur in den 1960er Jahren

Ein Blick in die wechselvolle Geschichte des Platzes zeigt, wie eng er mit der stetig wachsenden Mobilität in Wattenscheid verknüpft ist. Ende des 19. Jahrhunderts als geschlossenes Objekt angelegt, diente die Fläche zunächst als Marktplatz und Ort für große Versammlungen und Veranstaltungen. In seinem Buch „Wattenscheider Straßengeschichten“ beschreibt Autor Franz-Werner Bröker die damalige Ausgangslage. Der Heimatforscher stellt fest: Der Platz erstreckte sich bei einer Länge von 180 Metern und einer Breite von fast 50 Metern als langer Schlauch von Norden nach Süden und verband die Hochstraße mit der Voedestraße.

Der August-Bebel-Platz in den 1960er Jahren: Damals prägten Marken wie „Schlegel“ und „Ritter-Bier“ das Bild.
Der August-Bebel-Platz in den 1960er Jahren: Damals prägten Marken wie „Schlegel“ und „Ritter-Bier“ das Bild. © Stadt Bochum

Dieses Ensemble erlebte in den 1960er Jahren eine radikale Zäsur. Die damaligen Stadtplaner brachen die Strukturen auf, der Bebelplatz öffnete sich und war auch über die Westenfelder Straße und die Bahnhofstraße erreichbar. Von der östlichen Seite des Platzes meldete die WAZ-Redaktion Wattenscheid im Dezember 1965 so etwas wie einen baulichen Vollzug, die Häuserreihe am Bebelplatz waren geschlossen.

Wolfsburger Künstler entwarf Brunnen

Die Chronisten berichteten damals: „Die Häuserreihe auf der östlichen Seite des Bebelplatzes ist geschlossen. Mit dem Neubau Ilse wurde die Voedestraße erreicht. Als erstes Geschäft zog das Schuhhaus Pinther hier ein.“ Das erwähnte Geschäft führt die Hausnummer 12. In direkter Nachbarschaft sehen die Planungen derzeit den möglichen Bau eines weiteren Hochhauses vor.

Die Berichte über eine attraktive Gestaltung des August-Bebel-Platzes ziehen sich im Dezember 1965 wie ein roter Faden durch das lokale Geschehen. Der Wolfsburger Künstler Peter Scaif kniete damals in einem Lupinenfeld, dem auserwählten Standort für den Brunnen, und nahm Vermessungen vor. Der Rat der Stadt Wattenscheid gab, so heißt es damals in der WAZ, den Zuschlag für seinen Entwurf.

Die Oststraße im Jahr 1964: Wo heute eine Fußgängerzone entlang führt, herrschte damals reger Autoverkehr.
Die Oststraße im Jahr 1964: Wo heute eine Fußgängerzone entlang führt, herrschte damals reger Autoverkehr. © Stadt Bochum

Kaufhaus Horten im Jahr 1966 eröffnet

Die Wasserspiele sollten zwischen 60.000 und 80.000 D-Mark kosten. Scaif zeigt sich vor Ort optimistisch, was die zügige Realisierung des Projekts betraf. Wenn es nach ihm geht, betont der Künstler, könne die Anlage schon im Mai 1966 sprudeln. Mit einer Einschränkung: „Es kommt auch auf die Zulieferfirmen an“, so der Künstler. „Wenn sie mithalten, dürfte es gelingen.“

Voll im versprochen Zeitplan lagen auf jeden Fall die Erbauer eines anderen Projekts: der Neubau des Kaufhauses Horten. Der Startschuss für die Ausschachtungsarbeiten fiel am 28. Dezember 1965. Keine zehn Monate später, am 20. Oktober 1966, herrschte am Tag der Eröffnung eine Art Ausnahmezustand am Alten Markt.