Recklinghausen. . Vegetarier sind blasse, schwache Menschen, die wegen steter Mangelernährung kaum die Kraft finden, selbstständig zum Bioladen zu laufen. Und Veganer sind bestenfalls Freaks. Vorurteile wie diese gibt es nach wie vor jede Menge, doch der Wind hat sich gedreht.

Wussten Sie, dass sich Bill Clinton fast völlig vegan ernährt? „Und ich gehe davon aus, dass der Mann ärztlich gut beraten wird“, erklärt Carsten Halmanseder, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Albert Schweitzer Stiftung, und grinst ein wenig schelmisch. Der 46-Jährige steht auf dem Recklinghäuser Marktplatz und hält das Bild eines gequälten Ferkels in die Höhe: Er ist dagegen, seine drei Mitstreiter auch. Mit dem „Grunzmobil“, einem etwa fünf Meter hohem Gefährt in Schweineform, touren die Berliner Tierschützer derzeit durch Deutschland. Über hundert Städte wollen sie besuchen, in vierzig waren sie bereits – und heute ist Recklinghausen dran.

Auf einer Videoleinwand sind Hühner zu sehen, die kaum noch Federn und definitiv kein Leben haben, ein panisch quiekendes Ferkel, ein völlig verstörtes Häschen: „Massentierhaltung findet oft im Verborgenen statt“, erklärt Halmanseder. „Wir wollen die Bilder auf die Straßen bringen und den Menschen, den Verbrauchern klarmachen, dass jeder was tun kann.“ Die Mitglieder der Albert Schweitzer Stiftung werben für Alternativen, für vegetarische oder vegane Ernährung oder zumindest eine radikale Einschränkung und Umstellung des Fleischkonsums. „Solange wir in Massen Fleisch essen, wird es auch Massentierhaltung geben“, so Halmanseder. Außerdem sammeln die Tierschützer Unterschriften, um eine Petition an den Bundestag auf den Weg zu bringen. Massentierhaltung widerspreche dem Tierschutzgesetz, heißt es da, die Politik soll aktiv werden.

In der Innenstadt huscht der ein oder andere Passant verschämt am Grunzmobil vorbei, ein älterer Herr reißt einen Witz über Gemüsefrikadellen. Viele aber lächeln, nicken zustimmend, unterschreiben. „In den letzten Jahren hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden“, weiß Carsten Halmanseder. „Die Leute machen sich mehr Gedanken, wir bekommen viel mehr Zuspruch.“ Längst habe sich auch die Infrastruktur gewandelt: In den Großstädten schießen vegetarische und vegane Cafés, Restaurants und Supermärkte aus dem Boden: „Selbst bei den Discountern kann man mittlerweile vegetarische und vegane Labels kaufen.“

Halmanseder selbst nennt sich Pudding-Veganer, weil er nicht nur Körner essen mag: „Aber ich mache mir meine Schwarzwälder Kirschtorte eben mit Sojasahne.“ Ein bisschen kreativ müsse man sein, ausprobieren. Halmanseder übrigens sieht ziemlich gesund aus.