Recklinghausen / Marl. . Eine neue Projektgruppe der 20 Ruhrkunstmuseen möchte dem Verfall von Kunstwerken im öffentlichen Raum entgegen wirken. Ein Buch soll nun Aufmerksamkeit auf die vergessene Outdoor-Kunst lenken.
Starke Sätze dreier Museums-Direktoren: „70 Prozent der öffentlichen Plätze sind voll von Hässlichkeit“. – „Ungestaltete Räume schädigen das Denkvermögen.“ – „Wenn es einmal im öffentlichen Raum steht, dann ist es fast unantastbar.“
Mit dem dritten Satz appellierte Prof. Ferdinand Ullrich als Hausherr in der Kunsthalle an die „Leidensfähigkeit“ aller Künstler, die sich der Debatte um ihr Werk im Freien stellen müssen: „Ich bin da Radikal-Demokrat“, sagte Recklinghausens Museumsdirektor. Gesprächsanlass war ein neues Projekt der 20 Ruhrkunstmuseen: Sie starten eine Projektgruppe „Kunst im öffentlichen Raum“. Am Podium in der Kunsthalle neben Prof. Ullrich: Bochums Museumsdirektor Hans Günter Golinski und Prof. Walter Smerling, Direktor der Duisburger Küppersmühle und zugleich mit Prof. Ullrich Sprecher der Projektgruppe.
Buch stellt Freilicht-Kunstwerke vor
Auch Georg Elben aus Marl zählte zur Runde der Museums-Chefs. Er nannte das neue Projekt „Lobbyismus für unsere Sache“. Konkret geht’s zunächst um ein Buch, das bereits im Herbst erscheinen soll – privat finanziert – und das die „Top 100“ unter den Freilicht-Kunstwerken des Reviers vorstellt. Die 20 Museen stecken mitten in der „Inventur“, wie Walter Smerling die Auswahl nennt.
Das Marler Skulpturenmuseum „Glaskasten“ mit seinem reichen Schatz an „Außen-Werken“ wird darin gut vertreten sein, weiß Georg Elben, der im Gefolge dieser Groß-Inventur auf „neue Programme“ hofft. „Und diese Programme können in Marl sicher nicht aus der Kommune kommen.“
Die Museums-Direktoren nämlich wollen weit mehr als ein schickes „Coffeetable“-Buch, wie Golinski betont: „Man muss sich auch dem Tabu-Thema stellen, ob manche Kunst nur noch abgeräumt werden kann.“ Smerling ergänzte: „Nicht alle Werke sehen so gut aus wie der Kirkeby in Recklinghausen.“ Unter den Ziegel-Arkaden des Dänen am Lohtor hatte man sich zum Foto-Termin aufgestellt.
Verfall durch Vernachlässigung ist häufiger als Vandalismus
Für Ferdinand Ullrich eins von zwei Recklinghäuser Beispielen des langen Weges von der Anfeindung zur Verehrung: „Der Klassiker“ in dieser Hinsicht sei natürlich Henry Moores „Liegende“ von ‘65 vor dem Ruhrfestspielhaus. Der Direktor der Städtischen Museen nennt Kunst im öffentlichen Raum „unvermeidlich“ – weil man kaum an ihr vorbei kommt. – „Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Werbemedien überlassen“, so das Plädoyer von H. G. Golinski.
Und längst nicht immer sind’s Graffiti-Sprayer oder Metall-Diebe, die frei zugängliche Kunst vandalisieren. Was Walter Smerling eher blumig „die Tücken der Natur“ nennt – kann auch Verfall durch Vernachlässigung sein. „Von hundert Skulpturen“ schätzt Georg Elben, könne er mit seinem Marler Budget jährlich eine oder zwei wieder adäquat herrichten. „Manche Sachen rosten in 15 Jahren oder mehr einfach durch.“
„Vergessen, zugewachsen, zugeschmiert,“ wie Prof. Ullrich sagt. Diese Kunst- Inventur will weit mehr sein als ein skulpturaler Beauty-Contest.
Kunst für die Öffentlichkeit