Recklinghausen. . Claudia Roth sieht ihre Partei zu selbstsicher im aktuellen Landtagswahlkampf. Bei ihrem Besuch in Recklinghausen mahnte die Bundesvorsitzende der Grünen, man dürfe gerade den Piraten nicht mit Arroganz begegnen.
Die Kunst des Wahlkampfs besteht auch darin, ihn als solchen nicht unbedingt gleich erkennen zu lassen. Claudia Roth beherrscht diese Kunst. Charmant im Gespräch, interessiert an der Sache und deutlich in der Aussage. So präsentierte sich die Bundesvorsitzende der Grünen am Dienstag in Recklinghausen, wo sie sich im Erich-Klausener-Haus über die Projekte „Frauen in Arbeit“ und „Süd aktiv“ informierte. Geradezu mit leichter Hand und vordergründig nebenbei warb sie so auch für den hiesigen Landtagskandidaten Rolf Nowak und die Neuauflage der rot-grünen Regierungskoalition. Wahlkampf in kleiner Runde, aber auf hohem Niveau.
Roth sieht ihre Partei zu selbstsicher
Ein Wahlkampf, der aus Sicht der 56-Jährigen momentan eine eigenartige Tücke hat. Fast zu selbstsicher sei momentan ihre Partei und deren Klientel. „Ich bin sehr überzeugt, dass es eine stabile Mehrheit geben kann. Aber mir ist zu viel Sicherheit drin, dass viele sagen, ach das war doch gut und wird sowieso wieder so kommen. Die Wahl findet schon noch statt.“
Und deshalb ist sie auf Tour mit Kleinbus, Fahrer und Zuarbeitern. Ein Bild, das so gar nicht zum politischen Establishment passen mag. Keine Anzugträger, keine schwarzen Limousinen, keine Walkie Talkies. Dabei sind die Grünen längst ein Teil dieses Establishments. Wer einen Ministerpräsident stelle, der könne sich auch gar nicht dagegen wehren, räumt Roth ein.
Piraten seien nicht die Grünen von gestern
Der Charme der Piraten, dem neuen Rivalen am Polithorizont, mag in der Andersartigkeit und im Neuen liegen. Aber dass die Piraten von heute die Grünen von gestern sind, das verneint die Grünen-Chefin dann doch vehement. Das sei falsch. „Die Grünen haben sich sehr breit begründet und bis heute spielt die Programmatik eine ganz entscheidende Rolle. Unsere Inhalt waren sehr klar orientiert und nicht so für jeden irgendwas; nicht viele Fragen stellen ohne Antworten zu geben. Das war komplett anders.“ Der Unterschied sei der, „dass wir nicht Ausdruck einer bestimmten Lebensrealität, also der Internet-Gesellschaft, waren, sondern das und das und das konkret verändern wollten.“ Für Arroganz gegenüber dem Emporkömmling, der momentan die Rolle der frischen Alternative besetzt und zumindest damit in die Rolle der Grünen schlüpft, sei dennoch kein Platz. „Wir sollten die Piraten herausfordern nach dem Motto: Was sind denn die Antworten auf die Fragen, die ihr stellt.“
Heimspiel für Roth in Recklinghausen
Für Claudia Roth war der Besuch in Recklinghausen beinahe ein Heimspiel. Ende der 1970er Jahre hatte sie für das Junge Forum in der Stadt gearbeitet und die Ruhrfestspiele als politisches, internationales Fest erlebt. Sie habe zuvor als Dramaturgie-Assistentin an der Städtischen Bühnen Dortmund das Ruhrgebiet als Region kennen gelernt, „wo Arbeit zu Hause ist“ und „ich als wohl behütete Tochter in eine Welt gekommen bin, die mich mit offenen Armen empfangen hat; mit einer Herzlichkeit, dass es für mich ein Stück Heimat geworden ist.“ Und geradezu ins Schwärmen geriet sie, als sie von ihrer Zeit in der Amateurband „Die Stahlkocher“ erzählte.
Beinahe entschuldigen muss sie sich für ihren Enthusiasmus („Das war die definitive Lobhudelei“) und die offenkundige Sympathie für das Revier. Aber so viel Zuneigung kann wohl nicht schaden in Zeiten des Ringens um Stimmen und Anerkennung.