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Ein Bergwerk könnte den Ausstieg aus der Steinkohleförderung überleben: Geht es nach NRW-Wirtschaftsminister Voigtsberger, soll ein Referenzbergwerk die Bergbautechnologie erhalten und weiter voran treiben. Drei Kandidaten buhlen um den Zuschlag.
Die Zukunft des einst größten Wirtschaftszweiges der Region sieht so düster aus wie das Produkt, für das er steht. Sie ist schwarz. Schwarz wie Kohle eben.
Aber trotz der jüngsten Entscheidung im Bundestag, den Ausstieg aus der Steinkohleförderung nicht mehr rückgängig machen zu können, bleibt ein Fünkchen Hoffnung für die Kumpel. Seit NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger vor einigen Monaten die Idee von einem Referenzbergwerk in die Diskussion eingebracht hat, entwickeln sich neue Gedankenspiele.
Auch in Marl, wo die Zeche Auguste Victoria als eines der sechs letzten Bergwerke von einst 150 in Deutschland ein großer Arbeitgeber, Ausbildungsplatz und Wirtschaftsfaktor ist. „Die Chancen auf ein Referenzbergwerk sollte mit aller Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit geprüft werden“, sagt Marls Bürgermeister Werner Arndt daher auch.
Hochmoderne Technik
Er sähe es gerne, wenn der SPD-Minister bald zu einer Grubenbesichtigung nach Marl käme und sich etwa den neuen, hochmodernen Schrämwalzenlader anschaute, den das Bochumer Unternehmen Eickhoff gebaut hat. Eine Gewinnungsmaschine, die Kohle von Stein unterscheiden kann und als künftiger Exportschlager gilt.
„Bergbau ist Hightech“ sagen die Befürworter eine Referenzbergwerks. Es erhalte oder schaffe Arbeitsplätze auf hohem Niveau. Im Bergbau und vor allem in der Zuliefererindustrie. Auch deshalb entstehen plötzlich ungeahnte gedankliche Allianzen. Die FDP Waltrop etwa macht sich für ein Referenzbergwerk in Marl stark, „um die Technologieführerschaft der Region im Bereich des Tieftagebergbaus und der Bergbautechnologie zu erhalten und auszubauen“, wie es im Stadtverband heißt. Auguste Victoria sollte nach den Vorstellungen des Stadtverbands der Liberalen „auch als internationale Trainingsschachtanlage dienen“.
Aus Sicht von Josef Hovenjürgen weist das in die falsche Richtung. Auguste Victoria, so der CDU-Landtagsabgeordnete, habe keinen Antrag auf Verlängerung des bis 2015 gültigen Rahmenbetriebsplans gestellt. Wer von einem Forschungsbergwerk in Marl spreche, „streut den Menschen Sand in die Augen. Vielmehr müsse es darum gehen, die Zukunftsfähigkeit des Chemieparks Marl sicher zu stellen und im newPark Zukunftstechnologien anzusiedeln.“ Das helfe der Region.
Wer zahlt die Rechnung?
Die Ruhrkohle AG, Eigentümer aller verbliebenen Bergwerke, hält sich bedeckt. Nach einem ersten Treffen mit Minister Voigtsberger und Vertretern des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenhersteller (VDMA) stellt sie aber in Aussicht, eine Kostenkalkulation vorzunehmen, wie AG-Sprecher Christof Beike dieser Zeitung sagte. Sie warte darauf, dass der VDMA wie verabredet „in den nächsten Monaten einen Anforderungskatalog für ein solches Bergwerk erstellt.“
Ob es Sinn macht, ernsthaft über den Fortbestand einer Zeche nachzudenken, entscheidet am Ende nur die Antwort auf eine Frage. „Wer trägt die Kosten? Darauf kommt es an,“ sagt Professor Axel Preuße von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der wohl beim nächsten Energie-Arbeitsgespräch zwischen Ministerium, RAG und VDMA gehört werden wird. „Der Gedanke ist ja gut“, sagt der Markscheider zum Thema Referenzbergwerk. Und er plädiert dafür, auch in andere Länder zu schauen und dort mögliche Erfahrungen in dieser Frage einzuholen. Fakt sei, dass deutsche Kohle momentan nicht wettbewerbsfähig zu fördern sei und das im Zweifelsfall der Steuerzahler die Kosten eines Referenzbergwerks bezahlen müsse. Die Bergbauzulieferer könnten dies nicht.
Gr oßer Markt für Bergbautechnik
Technisch interessant und wirtschaftlich lukrativ für einen Wirtschaftszweig könnte ein Referenzbergwerk durchaus sein. Uni-Professor Axel Preuße: „In China oder Indien wird noch auf Jahrzehnte Kohle gefördert werden.“ Ergo gebe es einen großen Markt für deutsche Bergbautechnik.
Die am besten hierzulande getestet wird. Sagen die Befürworter. Und dafür kämen wohl drei Standorte in Frage. Nämlich jene Zechen, die zuletzt schließen sollen: Auguste Victoria in Marl 2015 sowie Prosper Haniel in Bottrop und das Bergwerk Ibbenbüren 2018. Ein Dreikampf.