Marl. .
Für Marls Bürgermeister Werner Arndt ist dies eine mittlere Katastrophe. Für Ingrid Dannenberg, Sprecherin der Bergarbeiterfrauen im Frauenverband Courage ist die Rücknahme der Revisionsklausel im Bergbau das endgültige Aus. Die Schachtanlage Auguste Victoria wird Ende 2015 ihre Förderung einstellen müssen. Betroffen davon sind 3750 Arbeitsplätze.
Der Beschluss wurde am Donnerstagabend von der Bundesregierung gefasst. Die Revisionsklausel ist Bestandteil des Ausstiegsbeschlusses für den subventionierten Steinkohlebergbau. 2012 sollte eigentlich der Stilllegungsbeschluss für die verbleibenden drei Schachtanlagen überprüft und je nach wirtschaftlicher Entwicklung neu entschieden werden.
„Im Grunde,“ sagt Ingrid Dannenberg, „hat niemand mit dieser Möglichkeit gerechnet, auch wenn uns allen klar war, dass der Stilllegungsbeschluss kommen wird.“ Allerdings abfinden will sich die 60 Jahre alte Hauptschullehrerin damit nicht. „Das muss rückgängig gemacht werden.“ Die 60-Jährige, ihr Mann arbeitet noch unter Tage, unterrichtet an der Hermann-Claudius-Schule und wohnt mitten in einer Kolonie. Sie weiß um die Ängste und Sorgen der Bergbau-Familien, sieht große soziale Probleme. Sie sieht die Ruhrkohle in der Pflicht, für Ersatzarbeitsplätze zu sorgen. „Jahrelang haben sie gut verdient.“ Für sie ist die Steinkohle zu wertvoll, als dass man sie einfach verbrennt. „Die Kohle ist ein Rohstoff, aus dem man vieles machen kann.“ In diesem Bereich müssten neue Betätigungsfelder und Arbeitsplätze erschlossen werden, fordert sie. Einfach die Stellen zu streichen, dies könne nicht das Ziel sein.
Abfinden damit will sich auch nicht die Politik. Bürgermeister Werner Arndt sowie Gewerkschaften, SPD und CDU setzen auf eine weitere Variante: Auguste Victoria soll als Referenzbergbau erhalten bleiben. Wer Bergbautechnologie exportiert, muss sie auch im eigenen Land anwenden, lautet das Argument. Doch ob das zieht, ist fraglich. Das Problem: Will ein Bergwerk nach 2018 weiterarbeiten, muss es profitabel sein und die Subventionen aus den Jahren 2011 bis 2018 zurückzahlen.
Thomas Prinz, Betriebsrat bei Auguste Victoria (AV): „Es ist eine bittere Entscheidung. Wir haben noch gehofft, dass es nicht so kommt.“ Dafür hatte sich Prinz noch Anfang der Woche in Berlin eingesetzt, als er zu diesem Thema vor Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages sprach. Dass es nun beschlossene Sache ist, sieht er als großen politischen Fehler an. Dennoch habe die Revisionsklausel-Streichung die AV-Belegschaft nicht sonderlich überrascht, schließlich sei der Großteil davon ausgegangen, dass das Bergwerk geschlossen wird. „Faktisch hat sich für uns nichts geändert“, so Prinz, „am 31. Dezember 2015 wird die letzte Schicht gefahren.“ Was auch der stellvertretende Bezirksleiter der Gewerkschaft IGBCE, Klaus Brüske, so sieht. „Die Streichung der Revisionsklausel hat keine Auswirkungen auf die AV.“ Nun sei die Politik gefragt. Bürgermeister Arndt (SPD) sieht da wenig Möglichkeiten. Er hält die Entscheidung für falsch. Die Stadt habe mit den Folgen zu leben. Der Verlust der AV-Arbeitsplätze sowie bei den Zulieferern und Ausbildungsplätzen, die unwiderruflich weg sind, treffe die Stadt hart. „Das ist schon dramatisch. Wir können das allein nicht kompensieren und sind auf Hilfe angewiesen.“