Wuppertal/Velbert. . Handgreiflichkeiten, Hausverbote und immer wieder das Thema Geld: Wer den ersten Zeugen im Prozess um das tödliche Ehedrama vor dem Landgericht Wuppertal zuhört, fragt sich, wie diese Ehe 32 Jahre halten und vier Kinder hervorbringen konnte. Von der bürgerlichen Fassade bleibt auch am zweiten Verhandlungstag wenig übrig.
Der Vater der am 23. Januar in ihrem Einfamilienhaus an der Voßnacker Straße durch ihren Mann getöteten Heike S. (50) wird am Dienstag vernommen. Der 75-Jährige vermittelt den Eindruck eines kreuzbraven Arbeiters. 45 Jahre arbeitete er in einer Gießerei, nichts sei ihm geschenkt worden. Und dann hätte er sich vom seinem Schwiegersohn, dem des Mordes aus Habgier und Heimtücke angeklagten Wolfgang S. (53), sagen lassen müssen: „Was hast Du denn schon geleistet in Deinem Leben?“
Hausverbote hätte dieser ihm erteilt. „Zweimal, und nur, weil ich anderer Meinung war als er.“ Verachtung hat er übrig für den Angeklagten, der selbst eingeräumt hatte, cholerisch zu sein und die Ehefrau gedrosselt und erstochen zu haben: „Ich bin 53 Jahre lang verheiratet und habe meine Frau noch nie gewürgt oder geschlagen.“ Richter Robert Bertling nimmt die Schärfe ein wenig heraus: „Das ist ja, zum Glück, immer noch der Normalfall.“
Der Richter hatte am Morgen mit den Prozessbeteiligten überlegt, wie die Beweisaufnahme fortgesetzt werden soll. Es geht vor allem um die 19 Jahre alte Tochter der Familie S., die am 23. Januar ihre Mutter tot aufgefunden hatte. Der Vater hatte da die Wohnung bereits verlassen und sich wenig später auf einer Essener Polizeiwache gestellt. Ob und wie die Tochter vernommen wird, will das Gericht mit Hilfe der Psychologin beraten, von der die 19-Jährige behandelt wird.
„Sie ist misshandelt und gewürgt worden“
Der Vater der Toten erzählt aus seiner Sicht, wie schlecht es seiner Tochter in der Ehe erging: „Sie ist misshandelt und gewürgt worden. Aber zum Arzt wollte sie nie, hat sich schützend vor ihren Mann gestellt, weil er sie eingeschüchtert hat.“ Er räumt auf Nachfrage ein, dass er dies nur gehört, nicht selbst gesehen habe.
In letzter Zeit, als klar war, dass die Tochter sich von ihrem Mann trennen wolle, hätte dieser gedroht: „Ich finde Dich überall. Ich bringe Dich um.“ Wie seine am ersten Prozesstag gehörte andere Tochter, die Schwester der Toten, sieht er das offenbar als Beleg, dass die Tat von langer Hand geplant war.
Seine Tochter hätte im Januar bereits eine andere Wohnung in Tönisheide angemietet. Weil ihr Mann die Konten für sie gesperrt hatte, musste sie sich von ihrem Vater Geld holen, damit die Kinder essen und sie Möbel kaufen konnten, erzählt der 75-Jährige. Drei Tage vor der Tat habe sein Schwiegersohn vom Auszug erfahren.
Generös soll er sich gezeigt haben, hätte die Tochter erzählt und sei glücklich darüber gewesen: „Sie sagte uns, dass er ihr gesagt habe, sie könne mitnehmen, was sie will. Er sei damit einverstanden.“ Der Vater selbst will skeptisch gewesen sein: „Ich dachte, ob das wohl stimmt? Er wollte sie nur in Sicherheit wiegen.“
„Das Haus hat er gut in Schuss gehalten“
Die Anklage geht davon aus, dass Wolfgang S. seine Frau ermordete, um ihr keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Als wolle er das untermauern, schildert der 75-Jährige das angebliche Lieblingsthema seines Schwiegersohnes: „Für ihn war wichtig: Geld, Geld und nochmals Geld.“ Mangel an Geld hatte die Familie S. offenbar nicht.
Am ersten Prozesstag war zwar von Phasen der Arbeitslosigkeit von Wolfgang S. zu hören, trotzdem kaufte er Häuser. Oft verreiste die Familie auch. Und am Dienstag erzählt der 75-Jährige vom Fuhrpark seines Sohnes: „Ein großer Geländewagen, ein Opel Cabrio, ein VW Golf und drei Motorräder.“
Wolfgang S., dem dieser Wohlstand so wichtig gewesen sein soll, dass er dafür die Mutter seiner Kinder tötete, hört den Worten des Schwiegervaters manchmal lässig spöttelnd, manchmal auch angespannt zu. Oft macht er sich Notizen. Selbst hat er sich im Prozess noch nicht geäußert, nur über seine Anwälte ein Geständnis abgelegt. Als Richter Bertling den 75-Jährigen fragt, ob der Schwiegersohn neben den negativen auch positive Eigenschaften habe, fällt diesem erst einmal nichts ein. Nur eine Eigenschaft: „Das Haus hat er gut in Schuss gehalten.“