Langenberg. Wenn nächste Woche die Fußball-EM beginnt, ist Velbert Teil des Turniers, denn die Mannschaft aus Georgien wohnt hier. Wir stellen das Land vor.

Hohe, schneebedeckte Berge. Davor erhebt sich auf einem Hügel der Turm eines Klosters. Oder: Lange Sandstrände, die sich entlang der Schwarzmeer-Küste erstrecken. Oder: Dörfer mit mittelalterlichen Wohntürmen, die ein wenig an die Städtchen der Toskana erinnern.

Das alles - und noch viel mehr - ist Georgien. Die Fußball-Nationalmannschaft der Männer des kleinen Kaukasus-Staates nimmt zum ersten Mal an einer Europameisterschaft teil und wird ihr Quartier in Velbert beziehen (WAZ berichtete). Nino Schole stammt aus Georgien, arbeitet nun für die Integrationshilfe Langenberg (IHLA) und hat sich die Zeit genommen, einmal ihr Heimatland vorzustellen.

Gastfreundlichkeit ist ein Grundsatz für Georgier

Georgier sind sehr gastfreundlich“, beginnt sie zu erzählen. „Wir haben einen Grundsatz: ‚Der Gast ist ein Geschenk Gottes‘.“ Ihr Mann, ein Deutscher, sei immer wieder begeistert, fährt sie fort. „Wenn er zum Nachbarn geht, um zum Beispiel etwas abzuholen, dann wird er überschwänglich begrüßt, es gibt etwas zu essen und Wein.“ So werde jeder Gast behandelt. „Es ist sozusagen eine heilige Pflicht, unsere Gäste großzügig zu bewirten.“

Eine Kuh auf der Straße in der Nähe der Stadt Chorvila, im Hintergrund der Kaukasus: „Es gibt viele Kühe in Georgien“, sagt die Langenbergerin Nino Schole, die selbst aus dem Kaukasus-Staat stammt.
Eine Kuh auf der Straße in der Nähe der Stadt Chorvila, im Hintergrund der Kaukasus: „Es gibt viele Kühe in Georgien“, sagt die Langenbergerin Nino Schole, die selbst aus dem Kaukasus-Staat stammt. © AFP | VANO SHLAMOV

Die georgische Küche bewege sich dabei irgendwo zwischen osteuropäisch und mediterran. „Es gibt viele Fleischgerichte, aber auch jede Menge Vegetarisches“, erzählt Nino Schole. Besonders stolz sei man in Georgien auf die mehr als 180 heimischen Käsesorten. Dazu gibt es viele Rezepte, wie der Käse verwendet wird.

Maisbrot, Käse und Wein

Traditionell zum Beispiel mit Maisbrot: „Wir verwenden Weißmais-Mehl, das ist feiner und hat einen ganz anderen Geschmack.“ Das Brot wird in Tongefäßen gebacken, auch das sorgt für eine eigene Note. „Außerdem verwenden wir sehr gerne Walnüsse.“ Die seien in fast jedem Gericht enthalten.

Berühmt ist Georgien auch für seinen Wein. Denn das Land mit seinen aktuell knapp 3,8 Millionen Einwohnern zählt zu den ältesten Anbaugebieten der Welt. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass hier bereits im sechsten Jahrtausend vor Christus Wein hergestellt worden ist.

Zum Wein gibt es Gedichte, Gesang und Tanz

„Es gibt bei uns eine ganz besondere Technik, Wein herzustellen“, erläutert Nino Schole. Ganz grob: Der Wein wird in Tongefäßen gelagert, die im Keller in die Erde eingegraben werden. „Das gibt einen eigenen Geschmack“, sagt die Langenbergerin. Und kommen die Georgier zusammen, um Wein zu trinken, folgt auch das einem ganz bestimmten Ablauf.

Wohl eine der bekanntesten Georgierinnen der Gegenwart - die Pop-Sängerin Katie Melua, hier bei einem Auftritt im Sommer 2023 in Dinslaken.
Wohl eine der bekanntesten Georgierinnen der Gegenwart - die Pop-Sängerin Katie Melua, hier bei einem Auftritt im Sommer 2023 in Dinslaken. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

„Einfach so hinsetzen und nur trinken, das gibt es nicht“, sagt Nino Schole. „Jedes Mal, bevor man trinkt, spricht man einen Toast aus. Es werden Gedichte aufgesagt, Geschichten und Legenden erzählt - und ganz viel gesungen.“ Sie zwinkert: „Alle Georgier können singen.“ Mal mehr, mal weniger gut. „Obwohl die meisten schon ganz gut sind.“ Bestes Beispiel sei die Pop-Sängerin Katie Melua. Sie stammt gebürtig aus Georgien. „So ein Abend kann sich dann schnell über ein paar Stunden hinziehen.“

Und wo gesungen wird, wird auch getanzt: „Auch dafür sind wir bekannt“, sagt Nino Schole. „Jeder zweite hat eine Tanzschule besucht und jeder, wirklich jeder, kann tanzen.“ Ihr Vater habe eine Ballettausbildung und die traditionellen georgischen Tänze ähnelten auch sehr dieser Ausdrucksform: „Alles auf den Zehenspitzen, manchmal sogar mit Schwertern. Das ist sehr, sehr schwierig - aber auch sehr, sehr schön“, gerät sie ins Schwärmen.

Viele Georgier sind sehr religiös

Ein weiterer ganz wichtiger Baustein der georgischen Kultur ist die Religion. Die Menschen in dem Gebiet traten schon sehr früh zum Christentum über. Die Heilige Nino - nach der auch Nino Schole benannt ist - kam bereits im Jahr 320 in die Gegend des heutigen Georgien und begann ihre missionarische Arbeit.

Dazu gibt es eine Legende: Nino heilte damals die Königin von einer schweren Krankheit, daraufhin ließ die Monarchin sich taufen. Ihrem Mann, König Mirian, gefiel das gar nicht, denn er hasste Christen. Eines Tages ging er zur Jagd und erblindete plötzlich. Aus lauter Verzweiflung betete er zum Gott seiner Frau, sah wieder Licht - und bat ebenfalls um die Taufe.

Schon im vierten Jahrhundert christianisiert

Ebenjener König soll auch am Grab der Heiligen nahe der Stadt Mzcheta eine Kapelle errichtet haben, die noch heute steht. „Das ist ein beliebter Ort, um seine Kinder taufen zu lassen“, erläutert Nino Schole. „Ganz in der Nähe gibt es auch eine Quelle, die ebenfalls heilig ist.“

Viele Menschen in Georgien sind tief religiös. Das Osterfest hat dabei einen sehr besonderen Stellenwert.
Viele Menschen in Georgien sind tief religiös. Das Osterfest hat dabei einen sehr besonderen Stellenwert. © dpa | Zurab Tsertsvadze

Das orthodoxe Christentum ist heute die vorherrschende Religion in Georgien, „und 80 Prozent der Menschen sind sehr, sehr gläubig“, sagt die Langenbergerin. Beispielsweise werde das Osterfest ganz groß und sehr traditionell gefeiert. „In der Osternacht sind die Menschen in der Kirche, singen und beten. Sie stehen dabei die ganze Nacht, denn auch Jesus hat damals sehr gelitten.“

Politische Spannungen im Land

Doch so schön Georgien auch ist, „wir haben immer viel um unser Land kämpfen müssen“, sagt Nino Schole. Es gibt nach wie vor Landesteile - Abchasien und Südossetien - die vom russischen Militär besetzt sind und nicht unter Kontrolle der Regierung stehen. Und ganz aktuell nimmt die politische Spannung im Land zu: Die Regierung hat ein Gesetz in Kraft gesetzt, das von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Während die Regierung sich offenbar Russland annähert, bevorzugt die Mehrheit der Menschen eine Annäherung an die EU.

Momentan nehmen die politischen Spannungen in Georgien zu: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt ein Gesetz ab, das die Regierung dennoch verabschiedet hat.
Momentan nehmen die politischen Spannungen in Georgien zu: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt ein Gesetz ab, das die Regierung dennoch verabschiedet hat. © AFP | VANO SHLAMOV

Da kommt der Erfolg der Fußballer gerade recht, sagt Nino Schole: „Wir freuen uns unglaublich über diese Mannschaft. Ich glaube, halb Georgien ist in Deutschland, um die Fußballer zu unterstützen.“ Dass die Mannschaft nun ausgerechnet in Velbert wohnt, das sei das Sahnehäubchen. „Das wird“, ist die Langenbergerin überzeugt, „eine ganz besondere Zeit“.

„Gamarjoba, Velbert“

Georgisch ist ziemlich einzigartig als Sprache und wird nur von etwa vier Millionen Menschen gesprochen. Es gibt Vermutungen, dass die Sprache auf Aramäisch basiert, der Sprache, die zur Zeit Jesu gesprochen worden ist. Das Alphabet hat 33 Buchstaben und geht neuesten Quellen nach auf das dritte Jahrhundert vor Christus zurück.

Der Standardgruß, der etwa dem deutschen „Hallo“ entspricht, lautet „Gamarjoba“. Das bedeutet „Sieg“ und spiegelt laut des Portals www.planet-georgia.com die komplizierte Vergangenheit des Landes wider. Ähnlich wie „Gamarjoba“ kann aber auch „dila“ oder „saghamo mshvidobisa“ verwendet werden. Das bedeutet so viel wie „friedlichen Tag“ bzw. „friedlichen Abend“.