Velbert. Die Politik soll den umstrittenen Bebauungsplan trotz zahlreicher Bürger-Einwendungen erneut beschließen. Das ist der Stand der Dinge.

Mehr als 700 Seiten umfasst die kiloschwere Vorlage für den Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Tourismus, der am Mittwoch, 22. Mai, öffentlich ab 17 Uhr im Velberter Rathaus tagt. Die Dicke des Papierstapels liegt nicht etwa an einer umfangreichen Tagesordnung mit zahlreichen Punkten, vielmehr geht es vor allem um ein Thema, das bereits in der Vergangenheit die Emotionen hat hochkochen lassen und zwischenzeitlich sogar vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht gelandet ist. Die Rede ist vom umstrittenen potenziellen neuen Gewerbegebiet „Großes Feld“ an der Langenberger Straße.

Nun wird es wohl endgültig ernst: Insgesamt vier Ausschüsse und final der Stadtrat am 25. Juni sollen den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet erneut beschließen – trotz zahlreicher Einwendungen von Anwohnern und Bürgern, die sich seit Jahren gegen das Großprojekt wehren, Bürgerinitiative inklusive.

2020 stimmten CDU, SPD, „Velbert anders“ und UVB für Bebauungsplan

Eigentlich waren die Weichen für das neue Gewerbegebiet bereits im Mai 2020 gestellt worden – mit den Stimmen von CDU, SPD, „Velbert anders“ und UVB, bei Gegenstimmen der Grünen, der Linken, der Piraten und der FDP – wurde vor nunmehr ziemlich genau vier Jahren der Bebauungsplan mit der Nummer 761 – Großes Feld / Langenberger Straße – beschlossen.

Während die Grünen damals einen derartigen Flächenfraß „kategorisch ablehnten“, betonten, dass mit der Realisierung eines Gewerbegebietes an dieser Stelle der Reiz von Velbert verloren gehe und der vorhandene Acker ein hohes Gut sei, den man für die Nahversorgung benötige, folgten die Fraktionen, die mit „Ja“ stimmten, weitgehend der Argumentation der Verwaltung und den Rufen nach zusätzlichen Flächen für Unternehmen.

Aus der Luft wird die Größe des geplanten Gewerbegebietes an der Langenberger Straße deutlich.
Aus der Luft wird die Größe des geplanten Gewerbegebietes an der Langenberger Straße deutlich. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Darum hält die Stadtverwaltung das Gewerbegebiet „Großes Feld“ für wichtig

Das „Große Feld“ ist laut Stadtverwaltung „die einzig verbleibende Fläche in Velbert, auf der ein großes und zusammenhängendes neues Gewerbegebiet entstehen kann“. Im gesamten Stadtgebiet gebe es keine vergleichbare Fläche, mit der alternativ der identifizierte Gewerbeflächenbedarf abgedeckt werden könnte. Der Bebauungsplan diene somit dem Ziel, den Wirtschaftsstandort Velbert mit seiner gewerblich-industriell geprägten Struktur dauerhaft zu sichern und zu stärken.

Weil im Anschluss an den 2020 getroffenen politischen Beschluss von umliegenden Anwohnern jedoch zwei sogenannte Normenkontrollanträge (darunter versteht man eine gerichtliche Überprüfung einer Regelung in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) beim zuständigen nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster gestellt wurden, passierte erst einmal nichts auf dem „Großen Feld“.

So urteilte Mitte 2023 das Oberverwaltungsgericht

Einer der Anträge wurde in der Verhandlung, die Mitte 2023 stattfand, aufgrund von Zweifeln an der Zulässigkeit zurückgenommen, da die Antragsteller keine offensichtliche Betroffenheit durch den Bebauungsplan geltend machen konnten. In der Vorlage für den aktuellen Ausschuss heißt es: „In der Verhandlung und in seinem Urteil hat das OVG NRW klargestellt, dass es die Erforderlichkeit der Planung – also die Ausweisung eines Gewerbegebietes in der geplanten Größe – als gegeben ansieht und bestätigt damit die durch die Stadt Velbert festgestellten Gewerbeflächenbedarfe. Auch mit Blick auf die betroffenen Umweltbelange sah das Gericht keine Probleme.“

Die IG „Großes Feld“ wehrte sich nicht nur mit Bannern gegen das geplante Gewerbegebiet. Es wurde auch vor Gericht verhandelt.
Die IG „Großes Feld“ wehrte sich nicht nur mit Bannern gegen das geplante Gewerbegebiet. Es wurde auch vor Gericht verhandelt. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die Antragstellenden hatten außerdem angeführt, der Bebauungsplan und die Realisierung des Gewerbegebietes würden den Hochwasserschutz verschlechtern. Auch diesen Bedenken konnte bzw. wollte das OVG NRW nicht folgen. Jedoch erklärte das Gericht am Ende den Bebauungsplan dann doch für unwirksam. Dem Gericht fehlte eine gutachterliche Berechnung des nächtlichen Verkehrslärms, der durch ein Gewerbegebiet entstehen könnte.

Stadt Velbert sieht gerichtlich festgestellten Mangel als behoben an

Das geplante Gewerbegebiet „Großes Feld“

Das Plangebiet befindet sich im Osten von Velbert-Mitte im südöstlichen Bereich der Langenberger Straße und umfasst rund 25,5 Hektar, was knapp 36 Fußballfeldern entspricht. Aktuell handelt es sich nahezu vollständig um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche.

Die Aufstellung des Bebauungsplanes wurde bereits 2017 beschlossen. Sämtliche im Rahmen der Aufstellung vorgebrachten Anregungen und Bedenken von Seiten der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange konnten im Laufe des Aufstellungsverfahrens ausgeräumt werden, es gab und gibt jedoch auch zahlreiche Einwendungen von Bürgern.

Laut städtischer Wirtschaftsförderung gibt es rund 30 Firmen, die an den Flächen interessiert sind.

Dieser vom Gericht erkannte und in Velbert danach intensiv diskutierte Abwägungsmangel wurde aus Sicht der Stadtverwaltung nun durch eine Aktualisierung und Ergänzung der schalltechnischen Untersuchung ausgeräumt. Zudem habe im Februar 2024 eine neue Verkehrszählung stattgefunden, heißt es aus dem Rathaus. Das Ergebnis fasst die Stadtverwaltung wie folgt zusammen: „Die überarbeitete schalltechnische Untersuchung hat ergeben, dass im Bereich außerhalb des Plangebietes niedrigere Straßenverkehrslärmimmissionen entstehen, als bislang im ursprünglichen Planverfahren angenommen.“ Grund dafür seien neue gesetzliche Berechnungsmethodiken. An keinem Ort würden die gesundheitsrelevanten Lärmwerte von 70 Dezibel tagsüber und 60 Dezibel nachts überschritten.

Insofern sieht die Stadtverwaltung keine Bedenken, den Bebauungsplan auf den Weg zu bringen. Die Entscheidung müssen indes nun die Kommunalpolitiker treffen – und möglicherweise später erneut das Gericht.