Velbert. Fünf Wochen Dauerregen haben vor allem den Weizen im nördlichen Kreis Mettmann zerstört. Was Landwirte über die Folgen sagen.
Bernd Kneer hat in all seinen Jahren als Landwirt schon viel erlebt – aber beim Rückblick auf den Sommer 2023 schüttelt selbst er den Kopf: „Nein, das gab es so noch nie!“ Was er meint, sind fünf Wochen Regen am Stück mit teilweise extrem starken Niederschlagsmengen in der Weizen-Erntezeit. „Wir hatten am Ende auf den Mähdreschern so den Kaffee auf“, flucht der Kreislandwirt, dessen Hof sich am Zwingenberger Weg in Wülfrath befindet.
„In diesem Jahr hatte vor allem der nördliche Kreis Mettmann riesiges Wetterpech“, berichtet Kneer: „Wir sind meist acht bis zehn Tage später dran mit der Ernte als die Kollegen in der Rheinschiene in Langenfeld oder Monheim.“ Und genau in der Phase – am 24. Juli – fing der Regen an und hörte lange nicht mehr auf – mit zum Teil heftigen Unwettern.
Felder in Velbert und Umgebung standen unter Wasser
Die Folge: Viele Felder standen unter Wasser, konnten mit den schweren landwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht mehr befahren werden und – noch schlimmer: „Wir konnten dabei zusehen, wie der Weizen auf den Halmen erneut keimte – auf dem Boden war plötzlich alles wieder grün, als hätten wir gerade gesät. Und der gedroschene Weizen war so feucht, dass er nicht lagerfähig war.“
200 Tonnen Weizen wanderten direkt in die Biogasanlage
Die Folge bei Bernd Kneer: Rund 200 Tonnen Weizen – ein Viertel der durchschnittlichen Gesamtmenge – waren reif für die Biogasanlage, „weil die Qualität nicht mal mehr für Futtermittel taugte“, so der Wülfrather Landwirt, der aus vielen Gesprächen mit Kollegen auch in Velbert weiß: Auf anderen Höfen sah es nicht besser aus, teilweise noch schlechter. Gerade auf Biohöfen berichteten Landwirte von „Totalausfällen“.
So beeinflusst der Klimawandel die Landwirtschaft schon jetzt ganz konkret
Dass die Landwirtschaft der Natur und dem Wetter unterworfen ist, „ist natürlich nichts Neues“, sagt Martin Dahlmann, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann: „Wir wissen alle, dass Landwirtschaft nicht auf Knopfdruck funktioniert, aber es wird halt immer extremer. Und wir als Landwirte gehören zu denen, die den Klimawandel sehr direkt zu spüren bekommen.“ Dahlmann nennt ein Beispiel: Standen seine Kühe vor 30 Jahren noch von Anfang Mai bis Ende September draußen, sind sie nun von Ende März bis Anfang Dezember auf den Weiden. „Das klingt zunächst ja ganz gut, zeigt aber, wie sehr es sich alles verändert – bereits verändert hat.“
Wülfrather Landwirt rechnet mit roten Zahlen für das Jahr 2023
Landwirt Kneer spürt die Folgen auch ganz direkt auf seinem Konto: „Dieses Jahr werden wir definitiv Verluste einfahren“, sagt er. Alle geplanten Investitionen wurden erst einmal auf Eis gelegt. Das sei aktuell einfach nicht drin. „Ja“, sagt Kneer auf die recht gute Ernte und hohen Preise im letzten Jahr angesprochen – „dadurch ist aber auch der Dünger, den ich dieses Jahr brauche, mal eben dreimal so teuer wie sonst“.
Sorgen bereiten den Landwirten neben dem Klimawandel auch immer striktere Vorgaben aus der Politik – ob aus Düsseldorf, Berlin oder Brüssel. „Teilweise sehr ideologische Vorgaben“, sagen Kneer und Dahlmann unisono – und nennen beispielhaft eine Verordnung, durch die der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln noch einmal drastisch reduziert werden solle – „obwohl wir schon drastisch reduziert haben“: „Man muss es ganz klar sagen: Dann hätten wir in Jahren wie diesen alle Totalausfälle beim Getreide.“
Politik denkt in Wahlperioden – Landwirte in Generationen
Bernd Kneers Sohn Benedikt, der Vorsitzender der Rheinischen Landjugend ist, ärgert sich, „dass wir als Landwirte in Generationen denken, die Politik aber in kurzen Wahlperioden“. Er sagt: „Wenn alle vier, fünf Jahre wieder was Neues kommt, können wir den Laden irgendwann zumachen, weil es sich nicht mehr lohnt.“ Schon jetzt sei die Landwirtschaft für viele junge Menschen unattraktiv: „Sie fragen sich, warum sie sich das doch antun sollen, wenn sie woanders mit leichterer Arbeit verlässlich mehr Geld verdienen können.“
Warum Brot und Brötchen wohl nicht wegen der schlechten Ernte teurer werden
Während die Landwirte die Folgen einer schlechten Ernte also direkt spüren, rechnen sie mit allenfalls geringen Folgen für die Verbraucher: „Wir sind ja ein reiches Land – und irgendwo auf der Welt gibt es immer gute Ernten“, sagt Dahlmann. Die Lebensmittelversorgung sei also gewährleistet – wenn auch mit weiten Transportwegen und den daraus resultierenden klimaschädlichen Folgen. Dass die Preise in den Bäckereien weiter steigen, hält Dahlmann für wahrscheinlich – „aber nicht aufgrund der Getreidepreise“, stellt er klar. Gerade einmal 1 bis 1,2 Cent mache das Mehl am Produktionspreis aus – der Rest seien Energie- und Personalkosten, rechnet Dahlmann vor.
>>> Kartoffel- und Zuckerrübenernte
Was für den Weizen schlecht war, war für die Kartoffeln gut: Der Regen im Sommer hat die Kartoffeln nach einem schlechten Start im Nordkreis dann doch noch gut wachsen lassen, so dass Bernd Kneer mit Kartoffelpreisen auf einem mittleren Level – „nicht so hoch, wie 2022“ – rechnet.
Die Rüben haben zwar einen deutlich geringeren Zuckeranteil als in den vergangenen Jahren, allerdings war der Ertrag laut Kneer überdurchschnittlich, so dass unter dem Strich hier von einer durchschnittlichen Ernte gesprochen werden könne.