Velbert. Massive Schäden hinter der Orgel von Velberts Alter Kirche ziehen ihre Sanierung in die Länge. Es wird auch um Ecken teurer als zunächst gedacht.
Eines war von vornherein absehbar: Die denkmalgeschützte Alte Kirche würde wohl ein teurer Sanierungsfall werden. Allerdings war zu dem Zeitpunkt, damals im Oktober 2020, noch nicht so ganz klar, wie aufwändig und kostspielig wirklich. In dem Gotteshaus im Herzen Velberts war man zunächst aufgrund des Schimmelbefalls der historischen Ibach-Orgel auf ein problematisches Innenklima gestoßen, hatte ernste Schäden an Mauern, Dach und Fenstern entdeckt. Die ev. Kirchengemeinde Velbert bezifferte die Sanierung daraufhin zunächst mit 340.000 Euro. Es folgten im Zuge der 2021 begonnenen Arbeiten böse Überraschungen. Doch jetzt verkündet Heike Frick: „Es geht vorwärts.“ Es bestehe die Möglichkeit, sagt die Presbyterin und stv. Baukirchmeisterin, die Kirche mit Beginn der Adventszeit wieder nutzen und dort Gottesdienste feiern zu können.
Velberter Kirche wurde zum Herzensprojekt
„Wir sind im Endspurt“, bestätigt Christiane Oehlgardt beim Ortstermin mit der WAZ. Allerdings hätten die später entdeckten großen Schäden in dem Bereich hinter der Orgel mindestens ein Jahr gekostet, so die beauftragte Architektin und Projektleiterin vom Büro „Eugen Bialon Architekt“ (Heiligenhaus). Aus dem anfangs ganz „normalen“ Auftrag sei mittlerweile eine ganz besondere Beziehung geworden: „Es ist für mich wirklich ein Herzensprojekt.“
Passendes Holz in Belgien gefunden
Hinter der Orgel mussten einzelne Tragebalken erneuert werden. Oehlgardt berichtet von verfaulten Partien, von Schädlings- und Schimmelbefall. „Teils fast wie Papier, komplett aufgelöst. Das hielt sich nur noch selbst.“ Die Material-Beschaffung habe sich jedoch äußerst schwierig gestaltet. Im Grunde sei nämlich sämtliches geeignetes Holz zum Wiederaufbau an die Ahr gegangen. Der Zimmerer habe letztlich abgelagertes altes Eichenholz in Belgien aufgetrieben. Aber das war noch nicht alles: „Im Laufe der Arbeiten ist der Sturz instabil geworden. Er musste neu verpresst und verankert werden.“ Darüber hinaus musste in dem beschriebenen Kirchen-Bereich die gesamte Elektrik überholt werden.
15 Gewerke und Fachfirmen
Insgesamt 15 verschiedene Gewerke und Fachfirmen – vorwiegend ortsansässige – hat die Gemeinde bisher hinzugezogen. Im ersten Schritt wurde außen restauriert: Dachreparaturen ausgeführt, undichte Dachluken komplett ausgetauscht sowie ein ganz alter Blitzschaden am Dachgebälk in Ordnung gebracht. Er fiel erst später auf, teils wurden dort Balken ausgetauscht. Bei den Arbeiten an der Natursteinfassade wurden Verankerungsmaßnahmen im Sturzbereich bzw. an Gesimsen im Umfeld des Turms/des Hauptportals durchgeführt; damit die einzelnen Steine beieinander bleiben und nicht auseinanderdriften. Anschließend galt es, das Mauerwerk mit Spezialmörtel neu zu verfugen. Maßnahmen, damit keine Nässe eindringen und sich Frost breit machen kann.
Besonderes historisches Kirchenglas
Das Glas der Metallfenster ist zu zwei Dritteln ersetzt worden durch historisches mundgeblasenes Kirchenglas aus dem Bayerischen Wald. Zugeschnitten und eingesetzt hat es eine in Kaiserswerth beheimatete Fachwerkstatt. Ein einziges rechteckiges Segment in Größe eines DIN A 3-Blattes schlägt mit 450 Euro zu Buche.
Pfeifen und Register ausgebaut
Die Fertigstellung der „Königin der Instrumente“ dauert noch gut ein Jahr. Die 1869 eingeweihte Ibach-Orgel, einst in Wuppertal gefertigt, ist laut Frank Wünsche heutzutage eine echte Rarität. Ihre Pfeifen bzw. Register sind zum Großteil ausgebaut, sie werden von Spezialisten in der Bonner Werkstatt des Orgelbauers Klais gereinigt und aufbereitet. „Nach der Überarbeitung hat die Orgel wieder ihre ursprünglich historische Klangfarbe“, erklärt der Presbyter und Baukirchmeister. „Wir holen Ursprungstöne wieder heraus.“
Erfreuliches Spendenaufkommen
„Ohne den tollen Einsatz unserer Ehrenamtler“, sagt Heike Frick, sei das Ganze ohnehin nicht machbar. Ausdrücklich lobt sie „ausgezeichnete Betreuung“
durch Christiane Oehlgardt. Finanziell sieht der aktuelle Stand so aus: Die Arbeiten an der Orgel kosten 220.000 und die gesamte Restaurierung incl. der im Nachhinein entdeckten Schäden 380.000 Euro. „Wir haben erfreulich problemlos die erhofften 50.000 Euro Spenden zusammenbekommen“, bilanziert Wünsche. Daran hatten auch die „Orgel-Pfeifen-Patenschaften“ und die unvergessene Initiative der kath. Schwestergemeinde St. Michael und Paulus ihren Anteil. Der Bund fördert 150.000 Euro, 400.000 muss die Gemeinde selbst wuppen.
Aufgaben reißen nicht ab
Sie hatte früher sechs Kirchen, mittlerweile sind’s bloß noch drei: nämlich Alte-, Christus- und Markuskirche. Und weil die Aufgaben und Arbeiten auch nach Fertigstellung des aktuellen Projektes nicht abreißen, gibt’s ein Spendenkonto bei der Sparkasse HRV: IBAN DE46 3345 0000 0026 2026 55, Verwendungszweck „ Instandhaltung der Kirchengebäude“.
>>> Von der Neuen zur Alten Kirche
Das Gotteshaus am Offersplatz ist Ende 1769 fertiggestellt worden. Es verfügt eigentlich jedoch über eine 1000 Jahre zurückreichende (Vor-)Geschichte.
Der Sakralbau war so lange die neue Velberter Kirche, bis sie mit Vollendung der dann noch viel neueren Christuskirche ab 1910 die Alte Kirche wurde.