Langenberg. Weil es im Corona-Lockdown langweilig gewesen ist, hat Are Tinkhauser aus Langenberg zusammen mit seiner Mutter ein Kinderbuch geschrieben.
Für Are Tinkhauser und seine Mutter ist es an diesem grauen und verregneten Morgen eigentlich noch viel früher, als es die Uhr anzeigt: Die beiden sind mit dem Rest der Familie nämlich gerade auf Besuch in der alten Heimat, in Langenberg. Ihr aktueller Wohnort liegt rund 12.000 Kilometer entfernt in einer anderen Zeitzone.
Dort, in Santiago de Chile, ist es jetzt 6 Uhr morgens. Und Sommer. „40 Grad haben wir zuhause“, sagt Rhea Tinkhauser, „wir hatten schon ein bisschen Sorge, dass es hier in Deutschland zu kalt sein wird.“ Aber ganz so schlimm sei es dann doch nicht. „Wir haben uns extra Jacken gekauft. Damit geht es dann.“
Seit 2019 lebt die Familie in Chile
Seit 2019 lebt Familie Tinkhauser in der chilenischen Hauptstadt, Ares Vater arbeitet dort als Lehrer an der deutschen Schule. Und auch in Südamerika war natürlich Corona ein Thema in den vergangenen drei Jahren. Wobei die Maßnahmen in dem Land am Pazifischen Ozean noch deutlich strenger waren, als hier in Deutschland.
„Wir durften das Haus fast gar nicht mehr verlassen“, erzählt Rhea Tinkhauser. Nur mit schriftlicher Genehmigung etwa ging es zum Einkaufen oder zur Apotheke. „Die längste Zeit, die wir am Stück nicht raus durften, waren 121 Tage“, erinnert sie sich.
Langeweile im Lockdown
Für Erwachsene ist das schon nicht einfach, für die drei Kinder der Familie aber eine echte Herausforderung. Klar, der Schulunterricht ging weiter – wesentlich reibungsloser übrigens als in Deutschland im ersten Lockdown.
Doch irgendwann sind alle Aufgaben erledigt, alle Bücher gelesen, alle Spiele gespielt. „Mir war richtig langweilig“ erzählt Are. Also hat er sich zusammen mit seiner Mutter hingesetzt – und ein Kinderbuch geschrieben.
Vor dem Schreiben steht die Recherche
Wie bitte? „Das hat sich so ergeben“, erzählt der Zehnjährige. Seine Mutter habe die Idee gehabt, er fand den Einfall gut. Aber worum soll es in dem Buch gehen? Und viel wichtiger: Wie macht man das überhaupt?
„Wir haben uns dann erst einmal überlegt, für wen das Buch sein soll“, sagt Rhea Tinkhauser. Die Antwort war schnell gefunden – für Kinder in Ares Alter. Also Viertklässler. „Dann haben wir uns schlau gemacht, wie man so ein Buch aufbaut, wie ein Spannungsbogen funktioniert und wie man am besten für Kinder schreibt.“
Eigene Erfahrungen verarbeitet
Dann ging es um die Geschichte selbst: Auch die Idee kam den beiden recht schnell: „Wir haben einfach unsere eigenen Erfahrungen mit der Pandemie, der Quarantäne und den Lockdowns als Grundlage genommen.“
Schließlich brauchte es noch Figuren: Hauptcharakter ist nun Hannah, eine Zehnjährige, die mit ihren Eltern und dem großen Bruder Maxe in Chile lebt. Die Kinder wollen sich von den Coronamaßnahmen nicht unterkriegen lassen und beginnen damit, ihre Freizeit zu Hause kreativ und bunt zu gestalten.
So wird etwa das Kinderzimmer zur steinzeitlichen Höhle und ehe sich die beiden versehen, machen auch die Eltern mit. Oder es geht ab ins Raumschiff. Und wieder sind die Eltern dabei. „Die Kinder geben Gas und die Eltern ziehen mit“, sagt Co-Autorin Rhea Tinkhauser lachend.
Buch soll optimistisch stimmen
„Zwischendurch konnten wir uns ja auch mit anderen Kindern treffen“, blickt Are zurück, „und dahabe ich gemerkt, dass es nicht allen so gut geht.“ Deswegen, „soll das Buch ein wenig vermitteln, dass man jeder schwierigen zeit auch etwas Gutes abgewinnen kann“, ergänzt seine Mutter.
War die Idee anfänglich, „nur so für uns zu schreiben“, hatte sich diese Vorstellung schnell erledigt. Die Familie lernte eine Illustratorin kennen, das Projekt wurde größer: Redigieren, ergänzen, Kapitel umschreiben, einen Verlag suchen – fast ein Jahr verging, bis endlich ein gedrucktes Buch auf dem Tisch lag.
Infomaterial auch für Lehrerinnen und Lehrer
Und weil „Hannah lebt ihr Leben“ – so der Titel – sich ganz explizit an Schulkinder richtet, gibt es nicht nur im Buch immer wieder kleine Infoboxen mit allerlei nützlichem Wissen, sondern auch eine eigene Homepage mit Zusatzmaterial – auch für Lehrkräfte (www.hannahsleben.de).
Eine erste Kostprobe hat dann auch in dieser Woche Ares alte Schule bekommen: Er war an der Grundschule Kuhstraße und hat ein Kapitel aus seinem Buch vorgelesen. Ein wenig komisch sei das gewesen, sagt er. „Ich war der Längste auf dem Schulhof.“ Und nicht alle Lehrer hätten ihn sofort wieder erkannt.
Rückkehr nach Langenberg geplant
Für Are, seine Mutter Rhea, den Vater und seine beiden kleinen Geschwister geht es jetzt noch ein wenig durch Deutschland, bevor die Familie in den chilenischen Sommer zurückkehrt. Anfang März enden die Sommerferien – auf der Südhalbkugel ist jetzt gerade Hochsommer –, dann geht es zurück zur Schule.
Und bald, „in eineinhalb bis zwei Jahren“, sagt Rhea Tinkhauser, will die Familie wieder nach Langenberg ziehen. „Ins alte Haus.“ Ob es bis dahin eine Fortsetzung des Buches gibt? „Ich weiß nicht“, sagt Are lachend, „es hat Spaß gemacht, aber das war auch schon ganz schön viel Arbeit.“
>>>E-Book und Hörbuch<<<
Die Illustrationen in „Hannah lebt ihr Leben“ stammen von Polina Nishnikow, das Buch ist über den Books-on-Demand-Service „epubli“ veröffentlicht worden.
„Zunächst hatten wir nur ein E-Book aufgelegt“, sagt Rhea Tinkhauser. „Aber die Kinder in Deutschland haben gerne ein Buch in der Hand.“ Deswegen gibt es nun auch eine gedruckte Version.
Die soll auch auf Spanisch erscheinen. Viele Infoboxen im Buch richten sich vor allem an Kinder, die Deutsch lernen, erläutern sie doch zum Beispiel Redewendungen und Sprichwörter.
Bald könnte es „Hannah lebt ihr Leben“ auch als Hörbuch geben. Ein Studio haben die Tinkhausers schon gefunden und eine befreundete Journalistin hat sich angeboten, das Buch einzusprechen.