Velbert. Im Februar 2022 sind die ersten Gäste ins neue Velberter Hospiz gezogen. Auch wenn der Tod immer nah ist, herrscht dort keine trübe Stimmung.

„Wenn der Schmerz das Leben bestimmt, ist es schön, einen Ort zu finden wie diesen. Danke, dass mein Bruder bei Ihnen sein durfte und er hier in Würde sterben konnte.“ Wer durch das Sterbebuch, das im Velberter Hospiz ausliegt, blättert, wird viele ähnliche Sätze finden – geschrieben von Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben. So schwer es für sie war, Bruder, Freund, Partnerin, Ehemann oder den Vater gehen zu lassen, so froh und dankbar sind die Hinterbliebenen, dass die letzten Tage oder Wochen des Lebensweges so angenehm und vor allem würdevoll wie möglich waren.

Möglich ist das in dieser Form in Velbert seit knapp einem Jahr. Im Februar 2022 konnten – nach rund vierjähriger Planungs- und knapp zweijähriger Bauzeit – die ersten Gäste ins neue Hospiz an der Ecke Oststraße / Kurze Straße ziehen. In kürzester Zeit ist dort aus einer Großbaustelle ein lebendiges Haus geworden.

Aus der Großbaustelle ist in Velbert ein funktionierendes Hospiz geworden

„Aus dem Nichts einer Baustelle in so kurzer Zeit ein funktionierendes Hospiz zu machen – das ist eine stramme Leistung“, lobt Wolfgang Tamm, Geschäftsführer des Hospizvereins Niederberg das knapp 20-köpfige hauptamtliche Team. Dieses sei in kürzester Zeit wunderbar zusammengewachsen, ergänzt durch viele Ehrenamtliche, die aus unterschiedlichen Einrichtungen und Bereichen zusammengekommen seien. Einrichtungsleiterin Regina Schnetzler ist die Betriebswirtschaftlerin – aber auch ihr liegt die Hospizarbeit am Herzen, seit sie 2020 zum ersten Mal im privaten Bereich mit der Hospizarbeit in Berührung kam.

Für die Einrichtungsleiterin zählen die Menschen – erst dann die Zahlen

Den Gästen im Hospiz Velbert steht ein großer Garten zur Verfügung, jedes Zimmer hat eine Terrasse oder einen Balkon.
Den Gästen im Hospiz Velbert steht ein großer Garten zur Verfügung, jedes Zimmer hat eine Terrasse oder einen Balkon. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

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Sie muss qua Amt die Zahlen im Blick haben – aber zählen tun für sie in allererster Linie die Menschen, die Gäste im Hospiz. Das ist ihr wichtig. Dabei gehe es nicht nur um die Linderung von Schmerzen, sondern um Fürsorge, um Nähe, um Wohlbefinden für Geist und Seele. Dass viele Menschen ein völlig falsches Bild von einem Hospiz haben, weiß Schnetzler: „Viele denken, dass die Stimmung im Hospiz düster und gedrückt ist – weil der Tod immer nah ist.“ Das sei aber nicht die Realität. „Hier ist ganz viel Leben, ganz viel Lachen, ganz viel Gemeinschaft.“

So war das Weihnachtsfest im Hospiz in Velbert

In der Weihnachtszeit habe man oft zusammengesessen, habe musiziert, Plätzchen gebacken und natürlich auch gegessen. Am Heiligabend habe man einen Weihnachtsgottesdienst gestreamt, einige Gäste seien auch in der benachbarten Christuskirche gewesen, am großen, geschmückten Weihnachtsbaum habe es für alle Geschenke und ein Weihnachtskonzert gegeben. Aber auch an diesem festlichen Tag ist – auch das gehört im Hospiz dazu – ein Gast gestorben.

Im Aufenthaltsraum kommen die Hospizgäste – nicht nur in der Weihnachtszeit – zusammen. Dort wird Musik gemacht, gegessen, miteinander geredet.
Im Aufenthaltsraum kommen die Hospizgäste – nicht nur in der Weihnachtszeit – zusammen. Dort wird Musik gemacht, gegessen, miteinander geredet. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Was alle im Team bedauern: „Durch die Corona-Beschränkungen konnten wir unser Haus nicht so öffnen, wie wir es gern gehabt hätten“, sagt Tamm. Das gelte für Konzerte, Feste, Besuche von Kindergärten und Schulen – aber eben auch für die Momente des Abschieds. Es habe Fälle gegeben, in denen enge Angehörige wegen einer akuten Corona-Infektion sich nicht hätten verabschieden können. „Das ist mein größter Wunsch fürs neue Jahr“, sagt Schnetzler – „noch ein bisschen mehr Normalität und Möglichkeiten“.

Kein Verstorbener soll in Vergessenheit geraten

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Dass kein Verstorbener vergessen wird, ist dem Hospiz-Team wichtig. So gibt es neben den Einträgen im Sterbebuch auch liebevoll bemalte Steine, die im Rahmen einer Trauerfeier unter einem alten Baum im Garten des Hospizes abgelegt werden. „Und es bleiben Erinnerungen“, sagt Schnetzler. An die Menschen, ihr Lächeln, an Tränen, an manch Lebensgeschichte, die die Gäste den Mitarbeitern in ruhigen Minuten erzählen.

Gedenksteine mit Namen und Malereien liegen unter einem Baum im Garten des Hospizes in Velbert.
Gedenksteine mit Namen und Malereien liegen unter einem Baum im Garten des Hospizes in Velbert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Wenn ein junger Mensch ins Hospiz kommt – die jüngsten bisherigen Gäste waren Mitte, Ende 30 –, mache einen das nachdenklich, so Schnetzler. Man merke, dass man Dinge nicht so lange aufschieben dürfe, bis es zu spät sei – und erkenne, was wertvoll und wichtig im Leben sei.

Lange Warteliste für Plätze im Velberter Hospiz

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Die Warteliste für die zehn zur Verfügung stehenden Zimmer ist mittlerweile lang. Wer einen Platz bekommt, wird zusammen mit Ärzten wie Dr. Johann Campean nach medizinischen Aspekten und Krankheitsstadium entschieden. Die gesetzliche Kranken- und Pflegekassen übernehmen 95 Prozent der Kosten. Die verbleibenden fünf Prozent finanziert das Hospiz aus Spendenmitteln – „und darüber hinaus wird mit Spenden all das bezahlt, was das Leben lebenswert macht – was in Krankenkassen-Vorstellungen aber nicht stattfindet“, so Schnetzler.

Der Tod macht Rolf Bräutigam keine Angst mehr

Rolf Bräutigam ist seit einigen Wochen im Hospiz in Velbert. Er genießt die Zeit, die ihm noch bleibt.
Rolf Bräutigam ist seit einigen Wochen im Hospiz in Velbert. Er genießt die Zeit, die ihm noch bleibt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Einer der derzeit zehn Gäste im Hospiz ist Rolf Bräutigam. Er lebt seit einigen Wochen dort. Was er für eine Krankheit hat? „Fragen Sie lieber, was ich nicht habe“, sagt er. Krebs? Ja – auch, nicht nur an einer Stelle. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch so so lange durchhalte“, sagt er. Seine Lebensgefährtin liegt im Zimmer nebenan. Auch sie wird nicht mehr lange leben. So lange wollen die beiden aber noch jede Minute genießen, nicht jede Minute an den Tod denken. Und er habe auch viele nette Menschen kennengelernt. „Es ist eine sehr schöne Gemeinschaft hier. Ich fühle mich sauwohl.“ Etwas besseres als das Hospiz? Das kann er sich in seiner Situation nicht vorstellen. „Hier habe ich alles und darf alles“, sagt er. Bei schönem Wetter sitzt er mit einem Bierchen auf der Terrasse vor seinem Zimmer, ansonsten zeichnet er gern – „und Plätzchen habe ich auch zum ersten Mal gebacken“, sagt er – und lächelt. So macht ihm der Tod keine Angst mehr.

>>> Spenden und Infos zur Hospizarbeit

Die gesetzlichen Reglungen ermöglichen keine kostendeckende Refinanzierung der Hospizarbeit.

Darum ist man auf Spenden (Spendenkonto DE60 3345 0000 0026 0428 38 bei der Sparkasse HRV) oder online auf www.hospiz-velbert.de angewiesen.

Wer als Gast ins Hospiz kommt, muss lediglich für den Eigenanteil bei Medikamenten aufkommen, wenn keine Befreiung vorliegt. Ansonsten entstehen keine Kosten.