Velbert. Ob Material, ob Handwerker oder Geld: Für die Energiewende beim Wohnen fehlt vieles: „Spar + Bau“ Velbert stellt sich nicht nur diesen Problemen.
Sven Karth und Ulrich Leschhorn sind keine Schwarzseher und betrachten ein lediglich zur Hälfte gefülltes Glas auch eher als halbvoll und nicht als halbleer. Aber als langjährige Praktiker der Immobilien-Branche sagen der Vorstandsvorsitzende und der Prokurist/Technikleiter der Wohnungsbaugenossenschaft Spar- und Bauverein („Spar + Bau“ Velbert) im Gespräch mit der WAZ übereinstimmend: „Eine Energiewende, wie die Politik sie beim Wohnen will, ist einfach nicht realistisch. Es fehlen Material und Handwerker, es fehlt Geld für Investitionen, um die gewünschte Wende in dieser Dimension umzusetzen. Man kann auch nicht alle Häuser auf das Null-Energie-Niveau heben“, wie es für 2045 Zielvorgabe sei. Das alles heißt allerdings nicht, dass die „Spar + Bau“-Leute die Hände in den Schoß legen.
Velberter Wohnungsbaugenossenschaft setzt mit Mieterhöhungen aus
„Wir lassen uns ingenieurtechnisch beraten. Wir wollen wissen, was muss man technisch machen? Was kostet das? Das ist der doppelte Knoten, den wir durchschlagen möchten“, erläutert Sven Karth. „Also, was muss passieren, was müssen wir investieren?“ Es sei jedoch weder alles baubar, noch alles bezahlbar. „Für uns ist das Ganze aber auch ein großes soziales Thema, Wir machen dieses Jahr keine normalen Mieterhöhungen und setzen damit aktuell ganz bewusst aus.“
Keine Stetigkeit möglich
Zudem: „Die Bauzinsen steigen, machen das Bauen teurer. Material wird teurer, die Stundenlöhne steigen.“ Hinzu komme die Unzuverlässigkeit der Bundesförderungen, die keine Stetigkeit und keine sichere Planung zulasse. „Wir müssten investieren, können das aber allenfalls zu einem kleinen Teil mit maximal acht Prozent der Kosten als Modernisierungsumlage auf die Miete umlegen. „Aber wir müssen ja auch instandhalten und neu bauen“, so der Vorstandsvorsitzende (seit 2020) weiter. Man habe in den letzten zehn, 15 Jahren eine Menge neu gebaut; „das ist ja unter dem energetischen Aspekt für den Bestand gut“.
Investitionen in der Masse nicht zu stemmen
Die Baugenossenschaft existiert seit 123 Jahren. Und so manches Objekt hat schon ein Jahrhundert auf dem Buckel. Der Großteil der Häuser – es sind insgesamt 160 mit ca. 1000 Wohneinheiten – stammt jedoch aus den 1950er bis 1980er Jahren. „Mitunter noch mit ungedämmter Außenwand, keine Kellerdecken-Dämmung, kaum Dachdämmung“, so Leschhorn. „Das sind die Regelhäuser. Die finden Sie so in ganz Deutschland.“ Damit eine Wärmepumpe ökonomisch gut arbeiten könne, müsse das Gebäude jedoch energetisch entsprechend saniert und gerüstet sein. „Das geben die Gebäude in der Fläche aber nicht her.“ Die nötigen Investitionen seien von Privatleuten nur schwierig zu stemmen, „und in der Masse auch nicht von Unternehmen“.
Zum überwiegenden Teil wird mit Gas geheizt
Die Genossenschaft hat „Gott sei Dank“ lediglich ein Haus mit elf Einheiten mit einer Öl-Zentralheizung. 40 mit 210 Wohnungen verfügen über eine Gas-Zentralheizung. In der Lortzingstraße realisierte „Spar + Bau“ vor 15 Jahren ein Pilotprojekt – „Das erste in dieser Dimension für Velbert“ – und nutzt dort für zwölf Wohnungen Geothermie: „Das läuft auch gut.“ Im Herzog-Carree (Herzog-/Nevigeser Straße) arbeitet eine Wärmepumpe. Überwiegend, das gilt für mehrere 100 Wohnungen, arbeitet eine Gas-Etagen-Heizung: „Das macht das Gros der Bestände aus.“
Flächen-Konkurrenz auf dem Dach
„Wir Techniker, Ingenieure und Stadtplaner fragen uns, wer diese Menschen berät“, moniert Ulrich Leschhorn, von Haus aus Architekt, das „was in der Politik einfach mal so vorgegeben wird“. Planungsbüros und Energieberater seien oft lange im voraus ausgebucht. Für eine Photovoltaikanlage (PV) etwa müssten Statik und Dämmung des Dachs mindestens für 20 Jahre fit sein. Weiter werde bei Mehrfamilienhäusern das Verhältnis Dach- zu Wohnfläche mit der Anzahl der Geschosse und Wohnungen ungünstiger. Hinzu komme die Flächen-Konkurrenz, ob man das Dach für Wärme oder Strom nutze, wobei PV „von der Ausbeute eigentlich effektiver“ sei.
Die Wahl des Dämmmaterials
„Speichern ist ein Thema, weil der Verbrauch abends am höchsten ist“, fährt Leschhorn fort. Aber die Batterie als Speicher für ein Einfamilienhaus koste „an die 10.000 Euro“. Und wie solle man dämmen? Material aus Polysterol sei nicht ökologisch, berge eine hohe Brandgefahr und sei aus Erdöl hergestellt. Letzteres treffe auf Mineralwolle aus Gestein nicht zu. „Aber die Produktion ist extrem energieintensiv, das betrifft vor allem Gas und damit den Preis des Dämmmaterials.“
Seriöse Kalkulation nicht machbar
„Es gibt zu den Problemen einen Austausch der Wohnungsunternehmen auf lokaler und regionaler sowie Verbandsebene“, berichtet Sven Karth. Die eigene Perspektive sei es, die Bestände für die Zukunft weiter zu ertüchtigen. Allein das laufende, millionenschwere Modernisierungsprojekt An der Mähre/Sternberg-/Höferstraße mache zehn Prozent des Bestandes aus. Man stelle parallel Modellrechnungen für mehrere Häuser aus den 1960er Jahren an, wie dort der Umstieg auf Wärmepumpen realisiert werden könne. Grundsätzlich bleibe aber die große Schwierigkeit, dass eine „seriöse Kalkulation eigentlich unmöglich“ sei: „Wie soll ich Mieten errechnen, wenn ich aufgrund der Lieferengpässe und Kostenexplosion die Baukosten nicht zuverlässig kenne?“
Letztlich dreht sich alles um Strom
„Woher soll der Strom kommen, wenn das Gas abgedreht wird? Das ist die Frage, die uns wirklich bewegt“, erklärt Sven Karth. Denn eigentlich drehe sich auch bei den Themen Digitalisierung und Mobilität ja alles um Strom. Insofern halte er die Aussage „Wir haben ein Gasproblem, kein Stromproblem“ einfach für unhaltbar. „Wenn wir die Wärmepumpen-Technik forcieren, haben wir ein handfestes Strom-Problem.“
Ein großes Handycap seien schon die Anschluss-Leistungen der Häuser. Sie seien nämlich oft weder für E-Mobilität ausgelegt noch fürs Heizen aus der Steckdose, so der „Spar + Bau“-Chef. Die vorhandene Elektrik reiche gerade mal aus für die heutzutage in einem Haushalt üblichen Verbraucher.