Velbert. Die offizielle Zählweise benennt 37 Leerstände in Velbert-Mitte, aber es sind eigentlich noch mehr. Die Stadt geht dagegen an. Ein zäher Kampf.
„Hier warten ca. 80 Quadratmeter mit Kellerraum auf Sie mit Ihren guten Ideen ….“, steht auf einem nicht allzu großen Aushang. Er richtet sich an Menschen mit einer „Geschäftsidee für Velbert“, die ein geeignetes Ladenlokal suchen. Dazu zwecks Kontaktaufnahme eine Mobilfunknummer. Dicht daneben hängt die Warnung „Frisch gestrichen“. Dem Schaufenster-Rahmen sieht man’s an. Bis vor gut anderthalb Jahren war an dieser Stelle der Fußgängerzone Friedrichstraße gefühlt seit Menschengedenken „Blumen Risse“. Seit das Familienunternehmen (Schwerte) die Filiale geschlossen und die Stadt verlassen hat, ist hier ein Leerstand. Der Mietvertrag ist mittlerweile ausgelaufen. Und der nächste Leerstand ist nicht weit, bloß wahlweise ein paar Schritte die Friedrichstraße hoch oder alternativ runter. 37 von insgesamt 165 Ladenlokalen im Stadtbezirk Velbert-Mitte sind aktuell ungenutzt.
Zehn Prozent wären für Velbert noch okay
Diese Zahlen, in denen die Stadtgalerie übrigens komplett außen vor ist, nennt Sven Nowoczien. Bis zu einer Quote von zehn Prozent seien Leerstände „durchaus in Ordnung“, meint der Mann vom Innenstadtmanagement Velbert („Büro Junker + Kruse Stadtforschung/Planung“, Dortmund). „Schließlich braucht man auch die Basis für eine Fluktuation, um etwas anbieten zu können oder Leute von außen anzuziehen.“ Manche Ortsansässige wollten sich vergrößern, andere sich kleiner setzen. Unter den Leerständen seien auch mehrere Fälle, in denen die Nutzer bei noch laufendem Mietvertrag ausgezogen seien.
Widrige Bedingungen für Vermittlungen
Die Stadt bemüht sich dagegen zu halten, hat allerdings gegen mehrere „Gegner“ bzw. Ursachen zu kämpfen. Stephanie Rulf nennt zunächst die beiden zurückliegenden Corona-Jahre mit Lockdowns und Auflagen. „Das hat viel verändert“, sagt die Mitarbeiterin der Wirtschaftsförderung, die sich um Leerstands- und Veranstaltungsmanagement kümmert. Zudem habe die Pandemie den ohnehin vorhandenen Trend zur Verlagerung ins Internet, also den Online-Einkauf, noch weiter verstärkt. Und jetzt komme obendrauf die Inflation, die sowohl zur Kaufzurückhaltung bei den Kunden als auch zu steigenden Nebenkosten für die Geschäftsleute führe. Nowoczien: „In diesem Kontext ist es schwer zu vermitteln.“
Vorbereitungen für Neueröffnung laufen
Immerhin: (Auch) in Sachen Friedrichstraße 144 – vormals „Risse“ – „gibt es Interessenten und haben schon mehrere Besichtigungen stattgefunden“, so Rulf. Wesentlich konkreter ist die Lage jenseits der Post-/Kolpingstraße. In dem ehemaligen Telekom-Laden bzw. zuletzt VMG-Touristinfo-Standort laufen Umbau- und Einrichtungsarbeiten. Dort macht sich eine Gründerin aus Velbert mit einer Pasta-Manufaktur startklar.
Zwei Programme zur Verfügung
Die Wirtschaftsförderin hat zwei wichtige Instrumente in ihrem Werkzeugkasten. Über das „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in NRW“ vom Land kann die Stadt Ladenlokale im zentralen Versorgungsbereich bzw. Zentrum aller drei Stadtbezirke anmieten und bis maximal Ende 2023 zu bloß 20 Prozent der Altmiete weitervermieten. Die Eigentümer müssen auf 30 Prozent der Altmiete verzichten (Infos: https://sofortprogramm.velbert.de/).
50 Prozent Zuschuss zur Kaltmiete
Beim städt. „Zuschussprogramm für die Anmietung freier Ladenlokale“ kann ein Jahr lang ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 50 Prozent der Kaltmiete sowie einmalig ein Basisbetrag als Zuschuss für die „Anschaffungs- und Gestehungskosten“ gewährt werden. Und zwar im Falle der Anmietung eines leerstehenden Ladenlokals im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt sowie der Nebenzentren Neviges, Tönisheide und Langenberg (https://wirtschaftsfoerderung.velbert.de/leistungen/informationen-zu-foerderprogrammen-2). Die Nachfrage lohnt allemal: Unter bestimmten Bedingungen werden sogar Grün und Mobiliar gefördert.
Ergänzung und Belebung erwünscht
„Wir sind immer auf der Suche nach spannenden, frequenzbringenden Konzepten, die das Umfeld stärken, z. B. aus dem Bereich Einzelhandel und Gastronomie“, sagt Stephanie Rulf. Bei der Nutzer-Auswahl spiele es eine gewichtige Rolle, wie/ob das Vorhaben zur vorhandenen Mischung passe und ob es ein Beitrag zur Ergänzung und Belebung sei.
Auch die Eigentümer sind gefordert
Jörg Ostermann bekräftigt in diesem Zusammenhang erneut den Appell von Silke de Roode, ebenfalls vom Innenstadtmanagement. Dass es nämlich mitunter auch an den Eigentümern sei, Probleme und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, indem sie etwa ggf. mit der Miete herunter gingen oder einen Sanierungsstau abbauten.
Stadt gestalten und anziehend machen
Wo die Stadt es wirklich in der Hand habe, etwas zu entscheiden und zu tun, geschehe das auch, betont der Fachdezernent. Dazu zählt er nicht zuletzt die Gestaltung von Plätzen wie am Offers und am „Extrablatt“ sowie das neue Gestaltungshandbuch mit seinem Leitfaden: „Wir wollen den öffentlichen Raum gestalten und anziehend machen.“ Die Eröffnung und Inbetriebnahme des Velberter Bürgerforums, des verwandelten Forum Niederberg, mit Bibliothek, VHS etc. im Sommer nächsten Jahres, fügt Jörg Ostermann hinzu, werde der Innenstadt „zwangsläufig mehr Fluktuation“ bescheren.
Deutsche Innenstädte darben
Die Situation vor Ort spiegele die allgemeine Entwicklung der deutschen Innenstädte wieder, erklärt Sven Nowoczien. „Das ist hier nichts Außergewöhnliches“, sagt auch Stephanie Rulf, „Handel alleine funktioniert nicht mehr.“ Was sie sich wünschen? „Individuelle Nutzungen, die das Vorhandene ergänzen“, antwortet er. „Ich hätte gerne mehr Gastronomie, wegen der Belebung“ sagt sie.