Velbert. In der Therapieeinrichtung „Gut Stock“ geht der Wandel von Zweibett- zu Einzelzimmern voran. Die Gesamtzahl bleibt erhalten. Ein Baustellenbesuch
Im Norden von Velbert, auf dem Gelände von „Gut Stock“ im grünen Langenhorst, dreht sich zurzeit das Umzugskarussell. Allerdings passiert das nahezu geräuschlos und ohne großes Aufsehen, stehen am Hülsbecker Weg keine Möbelwagen oder Transporter Schlange, denn das Ganze geht sozusagen hausintern über die Bühne: In der soziotherapeutischen Einrichtung für chronische Suchtkranke ist dieser Tage der erste, vor rund zwei Jahren begonnene Bauabschnitt fertig geworden. Nun werden in diesem nordöstlichen Gebäuderiegel die neuen Einzelzimmer bezogen. Das soll bis zur Monatsmitte abgeschlossen sein.
Mindestbauverordnung ist zu erfüllen
Hell und freundlich ist das Ambiente geworden, mit viel Tageslicht dank großer, nahezu bodentiefer Fenster mit schönem Blick in den Innenhof. Schon bald geht’s an den zweiten Abschnitt. Die Fertigstellung des dritten und letzten ist für Ende März 2023 vorgesehen. Oder wie es Frank Gentilin ausdrückt: „Ich hoffe bis zu meinem Renteneintritt.“ Nach Auskunft des Dipl.-Pädagogen (63), der die Einrichtung schon seit 1987 leitet, haben die aufwändige Sanierung und bauliche Erweiterung vor allem ein Ziel: Die nach seiner Auskunft mit der beim Kreis angesiedelten Heimaufsicht abgestimmte Umsetzung und Erfüllung der Mindestbauverordnung aus dem Wohnungs- und Teilhabegesetz. Demzufolge sind Zweibettzimmer passé und werden nicht mehr akzeptiert, müssen ausnahmslos Einbettzimmer geschaffen und eingerichtet werden. Pärchen bekommen im Langenhorst übrigens zwei nebeneinanderliegende Zimmer angeboten.
Zahl der Betten-Plätze bleibt
Unterm Strich solle es auf „Gut Stock“ im stationären Bereich bei den bisherigen 42 Betten-Plätzen insgesamt bleiben, man habe die Menge lediglich für die Dauer der Baumaßnahmen auf 38 reduziert. Der Träger habe für die Maßnahme drei Millionen Euro beantragt und mit dem Landschaftsverband Rheinland vereinbart; zudem schultere er „noch einen erheblichen“ Eigenanteil.
Drei Bereiche plus Café
„Wir dürfen nix verändern, auch nicht am Grundriss, sondern nur eine Etage aufstocken“, erzählt Gentilin. „Die Grundfeste bleiben, wir gehen also bloß ein Stückchen Richtung Himmel.“ Neben dem stationären Bereich mit 38 bzw. 42 Bewohnern – davon sind knapp 40 Prozent Frauen – gibt es noch das ambulant-betreute Wohnen mit zurzeit 22 Klienten und drittens das Zentrum für Arbeitsförderung und Beschäftigung. Das beliebte Café hat wegen der Pandemie geschlossen.
Wiesen bleiben erst einmal erhalten
Die Mitarbeiterzahl betrage einschließlich der Bereitschaftsdienste 33. Vieles von dem, was einfach alles so täglich anfalle, werde in Eigenarbeit erledigt: von der Küche und Waschküche über die Backstube bis zur Nähstube. Da der zu dem „Gut Stock“-Vorhaben gehörige Bebauungsplan nunmehr perdu sei, müsse man die Wiesen für die Ponys und Ziegen zumindest erst einmal nicht aufgeben.
Alkohol, Medikamente, Drogen
Laut Homepage ist das Haus ein erweiterter Altbau und wurde 1865 als landwirtschaftliches Gut erbaut. Man habe die Immobilie in den 80er Jahren übernommen, nachdem es zuvor als Altenheim genutzt worden sei und dann ein paar Jahre leergestanden habe, erzählt Gentilin. Die Bewohner und Klienten – ihre Probleme sind Alkohol, Medikamente oder auch illegale Drogen – kämen vielfach aus dem Kreis Mettmann und dem nahen Ruhrgebiet sowie aus Remscheid und Wuppertal.
Die Eigentümerin
Trägerin und Eigentümerin von „Gut Stock“ ist die „Gesellschaft für den Betrieb von Sozialeinrichtungen (GBS)“. Sie hat ihren Sitz in Herne und versteht sich als „gemeinnütziger privater Dienstleister im Bereich des Sozialmanagements“. Die GBS konzipiert und betreibt seit 1996 bundesweit verschiedene Wohnformen, Einrichtungen und Dienste in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.
Dazu zählen u. a. Seniorenresidenzen, Pflegeeinrichtungen, mobile Pflegedienste und Sozialstationen, Wohngemeinschaften und Servicewohnen, Arbeitsangebote sowie ambulante Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Erkrankungen, diverse Wohnformen sowie Alltagsbegleitungen und Arbeitsangebote bei Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen.
Eine Bilanz in Dritteln
„Unter einem Jahr wollen wir gar nicht anfangen“, sagt der Leiter zum Thema Betreuungs- bzw. Aufenthaltsdauer. Das gehe bis zu drei oder vier Jahren. „Einige sind kognitiv total fit, andere brauchen Wochen oder Monate, um sich zu orientieren. Und noch andere wiederum entwickeln sich ganz schnell, denen helfen wir auch rasch wieder raus.“ Und wie sieht die Erfolgsquote aus? Bei einem Drittel sei die Arbeit erfolgreich, antwortet Frank Gentilin, ein weiteres Drittel stabilisiere sich und das dritte Drittel werde wieder rückfällig: „Aber selten hier im Haus. Meistens erst später und anderswo.“
Dezentral und auf Abstand
Nach Auskunft der Einrichtungsleitung sind zwei Drittel des Personals – „Diese Quote kann sich sehen lassen.“ – und bis auf zwei Ausnahmen sämtliche Bewohner und Klienten gegen Corona geimpft. Dennoch gelte bei der Tagesstruktur weiterhin die Devise „dezentral und mit gehörigem Abstand“.