Langenberg. Die gebürtige Velberterin Eva Völler las im Alldiekunst-Haus aus ihrem Roman „Die Dorfschullehrerin“ und ihrer Ruhrpottsaga.

Trotz flirrender Hitze draußen versammeln sich vorwiegend Frauen reiferen Alters im kühlen Alldiekunst-Haus. Diesmal auf dem Programm: Eine Lesung der Schriftstellerin Eva Völler. Das Ganze organisiert vom passionierten Buchhändler um die Ecke, Peter Kape.

Seit 1979 organisiert er Lesungen, zuletzt am 7. April mit Horst Eckert – und kommenden Dienstag mit Neven Subotic und Gisela Steinhauer. „Wenn neue Bücher rauskommen schaue ich immer, ob das passt und kontaktiere dann den Verlag,“ erklärt er.

Start mit der „Dorfschullehrerin“

Autorin Eva Völler lebt in der Rhön – hier ein Blick von der Wasserkuppe. Ihr Roman „Die Dorfschullehrerin“ spielt ebenfalls in der Gegend, an der innerdeutschen Grenze der 1960er Jahre.
Autorin Eva Völler lebt in der Rhön – hier ein Blick von der Wasserkuppe. Ihr Roman „Die Dorfschullehrerin“ spielt ebenfalls in der Gegend, an der innerdeutschen Grenze der 1960er Jahre. © dpa | Uwe Zucchi

Mit ruhiger, angenehmer Stimme beginnt die Autorin – gebürtige Velberterin – zu lesen. Man muss sich konzentrieren, zügig, aber nicht schnell beschreibt sie unglaublich wortgewandt und bildlich die Szenen. Sie beginnt mit dem ersten Band des Romans „Die Dorfschullehrerin“.

Eine junge Lehrerin, Anfang dreißig, ist aus der ehemaligen DDR geflohen. Man schreibt das Jahr 1961. Sie möchte an der Grenze leben und arbeiten, da sie ihre Tochter zurücklassen musste. Die Protagonistin Helene trifft auf westlicher Seite ein und gerät in einen starken Schneesturm. Gefesselt lauscht das Publikum.

Liebevoll beschriebene Details

„Eine Frau war ihr über den Weg gelaufen, die ebenfalls in die Rhön wollte... Bullige Wärme drang aus der Küche in den Flur. Die Kälte hatte zu den Dingen gehört, die am schwersten zu ertragen waren.“ Eva Völlers Stimme formt sich mitunter zu breitem Platt, die Charaktere beschreibend. Gewählte Worte lassen aufhorchen: „Ich bin die neue Lehrerin, Werner, Helene Werner... Schnee aufzuklauben.... Manteltasche... Volle Regentonne.“

Halb erfroren begegnet die Protagonistin auf der Straße dem Landarzt, in den sie sich später noch verlieben sollte. Er nimmt sie zu seiner nächsten Patientin, einer werdenden Mutter, mit: „Verängstigte Ausrufe begleiteten sie zur Schlafkammer....“ Auch Details werden liebevoll beschrieben: „Sie sah an seiner Schläfe eine Ader pochen... Lag mit bleichem Gesicht... Nach scheinbar endlosen Augenblicken... Lausbubenhaft... Blutbesudelt... Schmalzbrote, Spülstein.“

Publikum entdeckt sich wieder

Der zweite Band spielt drei Jahre später, ist nicht weniger interessant. „Und auch wenn es danach aussah, ging die Welt davon nicht unter.“ Oder „Die Ernte war nicht in Gefahr, ganz im Gegensatz zu ihrer Beziehung. Vor einer Wand aus Sehnsucht, unerfüllter Liebe und Einsamkeit.“

Die Zuschauer schwelgen in ihren eigenen Gedanken. Utta Rognhofer etwa wurde 1960 selbst als Lehrerin in eine Dorfschule in Hessen geschickt und ist begeistert. „Ich kam in ein Dorf von 300 Einwohnern,“ erzählt sie.

Streifzug durch den Ruhrpott

Weiter geht’s mit Eva Völlers „Ruhrpottsaga“, einer Trilogie, die in Essen spielt. Die Protagonistin Katharina floh 1951 aus Berlin ins Ruhrgebiet. Auch hier wird anschaulich beschrieben: „Der Kohlenkerl... Blies sich in die vor Kälte rot angelaufenen Hände... Von Neugier getrieben die Treppe hinunter kam... Dürre, blasse Gestalt... Klaubte auf... Kampf gegen Windmühlenflügel... Schmutzstarrendes Zeug... Überzog die Wäsche auf den Leinen mit dunklen Schlieren... Bis zum nächsten Morgen hätten Langfinger alles geklaut.“

Ein „Herzensprojekt“ der Autorin Eva Völler ist ihre Ruhrpottsaga, hier ein historischer Blick auf Essen-Rüttenscheid.
Ein „Herzensprojekt“ der Autorin Eva Völler ist ihre Ruhrpottsaga, hier ein historischer Blick auf Essen-Rüttenscheid. © Archiv IGR

Die gebürtige Velberterin liest den Zuhörern aus der Seele: „Ich hab gedacht, Sie haben aus meinem Leben geschrieben,“ berichtet eine Dame in der späteren Fragerunde. Selbst die Namen der Charaktere hätten auf ihr Leben zu getroffen, ganz zu schweigen von der Handlung.

Trilogie war „ein Herzensprojekt“

Die Autorin erklärt sich das so: „Manche Geschichten schwingen durch den Raum und wollen geschrieben werden.“ Und weiter: „Manche Figuren wollen zum Leben erweckt werden.“ Besonders die Trilogie war ihr ein Herzensprojekt und kam aus ihrer Seele. Sie erzähle ein Stück aus ihrem eigenen Leben.

„Wir waren immer eine erzählungsfreudige Familie,“ sagt Marianne Gockel, die Mutter der 66-jährigen Autorin. Unsagbar stolz bewundert sie die Leistung ihrer Tochter. „Es ist eine wunderschöne Möglichkeit und Begabung, zu schreiben.“ Dabei sei sie unglaublich bescheiden geblieben.

Zuhörer sind begeistert

Zuhörerin Sabine Scheffler wurde von Peter Kape eingeladen und ist begeistert: „Sehr gut! Ihre Stimme fand ich super, man konnte gut zuhören.“ Und weiter: „Ich war voll mit meiner Phantasie beschäftigt und sah alles vor mir, weil es so wunderschön beschrieben war.“

Freundin Ingrid Kreuzer kann sich nur anschließen. Beide kannten die Ruhrpottsaga bereits. Sie kommt aus Kupferdreh und kennt noch die Zeche Pörtingsiepen, ihr Vater arbeitete dort als Bergmann. Es kommen Kindheitserinnerungen hoch.

Aus der Biografie

Eva Völler ist hauptberuflich Autorin und hat bereits mehr als 60 Bücher geschrieben – von Komödien über historischen Romane, Krimis bis hin zu Jugendbüchern im Science-Fiction-Stil. „Es ist wesentlich weniger glamourös, als man so meint,“ erzählt die studierte Juristin. Beim Putzen kämen ihr mitunter Ideen.

Mitte der 1990er Jahre bekam sie den ersten eigenen Computer und übte damit. Sie fing einfach an, eine Geschichte zu tippen und war selbst überrollt und überrascht. Zunächst fing sie als Hobby mit dem Schreiben an und hängte dann ihre Anwaltsrobe an den Nagel.

Die Idee zur „Dorfschullehrerin“ wurde vom Lübbe Verlag an sie herangetragen. Eva Völler recherchierte viel zu dem Thema, lebt seit Jahren selbst in der Rhön.

Weitere Infos auf www.evavoeller.de.