Essen. Kleine Leute, große Gefühle: Eva Völlers Roman „Der Traum vom Glück“ spielt im Essen der 50er Jahre – und erzählt von Liebe und Leidenschaft.
Das Ruhrgebiet nimmt die Krisen, wie sie kommen – bodenständig, schaffenskräftig und ohne Gewese. Für die großen Dramen sind allenfalls die großen Namen zuständig, allen voran die Krupps. Autorin Eva Völler, in den 50er-Jahren ins Revier hineingeboren, aber schaut mit dem ganz großen Gefühl auf die kleinen Leute im Nachkriegsrevier: Und erzählt mit dem Roman „Der Traum vom Glück“ von Liebe, Leidenschaft und Tod – in einer Zechensiedlung.
So vertraut sind die Orte und doch so fern: Am Haus Scheppen gab es noch eine Badeanstalt, das Café Overbeck in der Stadt war die erste Adresse für den Sonntagmittag, die Weiße Flotte tuckerte bereits, war aber leider das einzig Weiße unter dem rußverdunkelten Himmel: Die Hespertalbahn brachte die Bergleute vors Werkstor der Zeche Pörtingsiepen.
Im Essener Stadtteil Fischlaken lebt Katharina mit ihren beiden Töchtern bei ihrer Schwiegermutter – Ehemann Karl ist noch immer nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Wohl aber dessen Neffe Johannes, der so wie einst Katharina ganz plötzlich vor Oma Mines Tür steht und ebenso selbstverständlich durchgefüttert wird: Der Garten gibt genug her, es gibt Bratkartoffeln und Kohl und eingelegte Essiggurken – ein Duftgemisch, das Katharina wiederum in ihrem Nähzimmer zur Verzweiflung bringt, wie soll sie feinen Damen schöne Kleider verkaufen, wenn ihre Stoffe nach Kohl und Bratfett riechen? Wie soll sie je ihren Traum von einer eigenen Schneiderei verwirklichen?
Eva Völlers Ruhrgebiets-Roman soll Auftakt zu einer Saga sein
In diesem Spannungsfeld von Überlebenskampf und Visionen einer komfortableren Welt legt die studierte Juristin Eva Völler ihre Familiensaga an (die Auftakt zu weiteren Bänden sein soll). Die Lektüre lebt nicht nur vom historischen Lokalkolorit, sondern birgt bei allem erwartbaren Liebesränkespiel noch einige Überraschungen; immerhin haben wir es bei den Romanfiguren mit Dickschädeln zu tun, die dem Ruhrgebiet alle Ehre erweisen.
So hat sich Katharina zwar auf eine Affäre mit dem Werdener Allgemeinmediziner Clemens eingelassen und kann auch dem verletzten Charmes des großen Jungen Johannes nicht widerstehen – trifft aber dann, als Ehemann Karl doch noch heimkehrt, wenn auch gänzlich ohne Erinnerungen an Vergangenes, eine tapfere Entscheidung.
Auch gelingen Eva Völler Nebendarsteller, die echte Charakterrollen sind, von der stoischen Oma Mine über die kantige, ruppige Nachbarin Elfriede bis hin zur Jüdin Hanna, die es aus Paris ins Zechenhäuschen verschlagen hat: Vielleicht lesen sich derartige Lebensläufe, die von äußeren Stürmen verwirbelt wurden, in Zeiten des weltweiten Corona-Sturms noch einmal glaubwürdiger und anrührender.
So ist dieser Roman mehr als die literarische Unterhaltung, die er sein will: Ein sehr genaues Zeitporträt ebenso wie ein authentischer Reigen von Figuren, die das Leben durchschüttelt, entwurzelt – und die doch immer wieder aus sich selbst heraus Kraft schöpfen.
Eva Völler: Ein Traum vom Glück. Ruhrpott-Saga Band 1. Lübbe, 464 S., 14,90 €