Neviges. Nach 366 Jahren endet bei den Hardenberger Schützen in Velbert eine Tradition. Zum ersten Mal schießt eine Frau auf den Vogel – und wird Königin.
So richtig glauben kann Janette Baron es noch immer nicht. „Das ist so wie bei beim Heiraten. Das hat auch erst ein bisschen gedauert, bis das alles bei mir angekommen ist.“ Seit Pfingsten ist die 29-Jährige die erste Schützenkönigin der Hardenberger: Nach 366 Jahren hat sich der Traditionsverein „von einem ungeschriebenem Gesetz“ verabschiedet, wie es der Vorsitzende Karsten Schulz nennt. Denn dass auch Frauen auf den Vogel schießen dürfen, war bisher undenkbar. Klar, Erfahrung im Hofstaat hat Janette Baron jede Menge, schließlich war sie durch die Pandemie sogar zwei Jahre lang Königin – aber eben „nur“ Königin, an der Seite des Schützenkönigs Sebastian II. Und nun regiert sie selbst.
Kein Mann wollte schießen
Nur die konservativen Mitglieder mögen unken, dass die Entscheidung, Frauen an den Start zu lassen, am Freitag, dem 13. fiel. Genau gesagt am 13. Mai. Auf der Jahreshauptversammlung werden traditionsgemäß jene Schützen ermittelt, die auf den Vogel schießen wollen. Das Ausspähen habe den Grund, so der Vorsitzende Karsten Schulz, zu verhindern, dass jemand auf dem Fest spontan aus einer Laune heraus und vielleicht angeschickert trifft – und später völlig überfordert ist. Finanziell und auch, was die ein oder andere Pflicht angeht. Doch zurück zum 13. Mai. Dass sich kein einziger Mann meldete, habe folgenden Grund: „Viele alte Hasen waren schon so oft dabei“, erläutert Karsten Schulz. Wie etwa Hans Rohles, fünffacher König und auch Kaiser und Vater des letzten Schützenkönigs Sebastian II. „Das ist dann auch irgendwann eine Frage des Alters.“ Zwar habe der Verein in den letzten zwei Jahren 25 neue und junge Mitglieder gewonnen, „aber die kennen sich noch nicht aus“. Da sich also niemand fand, wurde entschieden: Frauen an den Start – was der 1. Vorsitzende durchaus zeitgemäß findet.
Ungeduld vor dem Umzug
Janette Baron, Jugendleiterin im Verein, hatte jedenfalls im Mai noch keinen Gedanken daran verschwendet, mitzuschießen. Selbst Pfingstsonntag, also beim Schützenfest, sei das noch weit weg gewesen. „Wir saßen beim Königinnenfrühstück im Haus Sondermann“, erinnert sich die begeisterte Sportschützin, die zu dem Zeitpunkt wohl Königin war, aber nur „schmückendes Beiwerk“, wie sie fröhlich anmerkt. „Es kamen dann Nachrichten, wer die Pfänder abgeschossen hat, mein Mann übrigens den Reichsapfel.“ Aber ein König, der war nicht in Sicht. „Mir wurde das dann irgendwann zu bunt, wir wollten ja auch mal zum Umzug.“
Papa hatte das Nachsehen
Also nichts wie hin zum Schützenplatz, kurz Papa Hans-Werner zur Seite genommen, denn einen Mitstreiter braucht man ja schon. „Bei Papa ist der Vogel ordentlich eingeknickt, da haben schon alle die Luft angehalten. Und bei mir ist er dann gefallen.“ Ihre erste Reaktion: „Ich hab zu Papa geguckt und gesagt: Sorry“, erzählt sie lächelnd. Nach der ausgelassenen Feier beim Krönungsball begann dann gleich die Arbeit: „Man hat immer eine Woche Zeit, sich zu überlegen, was man dem König der Kleinen Schweiz mitbringt.“ Janette I. entschied sich für selbst bestickte Handtücher. „Ich bin immer für nützlich und persönlich.“ In den kommenden Monaten steht jedes zweite Wochenende ein anderes Schützenfest auf dem Programm – royale Pflicht eben. Aber jetzt sucht die gelernte Zerspanungsmechanikerin, die in einem großen IT-Unternehmen als Programmiererin tätig ist, erstmal einen Ehrenplatz für ihren Vogel: „Ich würde ihn ja gern übers Bett hängen, aber das findet mein Mann wohl nicht so gut.“