Neviges. In der Stadtkirche in Velbert-Neviges können Bürgerinnen und Bürger jeden Tag für den Frieden beten. Das Angebot wird gerne genutzt.
Die einen kommen, um nicht allein zu sein, um einander zu trösten, sich Mut zu machen. Andere, weil ihnen ihre vertraute Stadtkirche, in der sie sonst Weihnachten feiern oder den Sonntagsgottesdienst, in diesem Moment einfach gut tut. Wieder andere fühlen sich zwar eher in den zwei katholischen Gotteshäusern ums Eck – der Pfarrkirche und dem Mariendom – heimisch, finden es aber „ganz wunderbar“, wie jetzt alle zusammen rücken: Jeden Tag um 19 Uhr öffnet Küsterin Birgit Dywicki die Pforten „ihrer“ Stadtkirche, damit Menschen hier für den Frieden beten können. Ganz still für sich oder bei Bedarf auch gemeinsam.
Sehr schnell reagiert
Noch am gleichen Tag, als morgens die Nachricht schockierte, dass Putins Armee die Ukraine überfallen hat, war sich in der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde der „harte Kern“ um die beiden Pfarrer Detlef Gruber und Martin Weidner einig: Man muss etwas tun. „Wir saßen abends zusammen, Frau Gruber hatte dann die Idee für ein tägliches Friedensgebet“, erzählt Birgit Dywicki. Susanne Gruber, Ehefrau von Pfarrer Detlef Gruber, hatte mehr als 30 Jahre den Kindergottesdienst geleitet. Gesagt, getan – schon einen Tag später, am Freitagabend, moderierte Detlef Gruber das erste Friedensgebet.
Auch Abbé Phil moderierte
Homepage wird zum Wunschzettel
Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde lädt bis auf Weiteres jeden Tag um 19 Uhr in die Stadtkirche ein. Auf der Homepage www.evangelische-kirche-neviges.de kann man Wünsche und Anregungen für die Gebete loswerden.Ob sich die katholische Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, an diesen täglichen Friedensgebeten beteiligt und wenn ja, in welcher Form, wird bei einer „internen Absprache“ geklärt.
Spontan kam am Wochenende auch Abbé Phil von der Glaubensgemeinschaft St. Martin, also einer der Geistlichen der katholischen Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, vom Kloster in die Stadtkirche geeilt und gab einen Impuls für diese ganz besonderen 30 Minuten. Das sei sehr gut angekommen, so sagten Tage später Teilnehmende des Friedensgebetes. Mit seiner erfrischenden Art habe Abbé Phil ein Zeichen gesetzt, wie wichtig Ökumene sei.
Einfach mal das Herz ausschütten
Die Möglichkeit, hier gemeinsam für den Frieden zu beten, machte schnell die Runde, wie sich am Montagabend zeigt: „Ich freue mich, dass auch so so viele katholische Schwestern und Brüder gekommen sind, das ist ein großes Geschenk“, sagte zur Begrüßung Gabriele Nettelbeck, Presbyterin der evangelisch-reformierten Gemeinde. Jeder bringe ja seine ganz eigenen Sorgen und Hoffnungen mit in diesen turbulenten Tagen. Das Friedensgebet sei auch eine Möglichkeit, einfach sein Herz auszuschütten, man wolle „Gott um sein Erbarmen bitten“. Es ist ganz still, als sie zum Auftakt einen kurzen Impuls gibt: „Wenn die Last der Welt dir zu schaffen macht, wenn die Menschlichkeit vor dem Ende steht, hört er dein Gebet.“
Viele schätzen auch die Stille
Wer mag, kann von seinem Platz aus eine Fürbitte sprechen, man kann aber auch ganz still für sich beten. Je nachdem, wer diese halbe Stunde moderiere, so Gabriele Nettelbeck, werde vielleicht auch mal Musik diese 30 Minuten der inneren Einkehr begleiten. „Wir halten es auf jeden Fall schlicht, im Mittelpunkt steht das Gebet.“ Und dieses Schlichte, vor allem auch die Stille zwischen den Fürbitten, das schätzen alle, die an diesem Abend hierher gekommen sind. „In einer Zeit, die sprachlos macht“, sagt Elisabeth Tilling, die sich sehr engagiert in der katholischen Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, am Ende dieser erfüllten halben Stunde: „Auch, dass wir uns hierher bewegen, in diese Kirche, das ist schön. Ich bin eigentlich eher ein Anpack-Mensch. Aber diese Mischung aus Stille und Gebet, das gefällt mir sehr.“
Gläubige auch aus Wülfrath
Aus Wülfrath kommen Sylvia und Alfred Mainberger zum Friedensgebet in die Stadtkirche. „In diesen Zeiten muss man Seite an Seite stehen. Wir kommen von der freien evangelischen Kirche, haben das in der Presse gelesen.“ Es sei „sehr tröstend, jetzt nicht allein zu sein“, meint Sylvia Mainberger, die vor allem von der schlichten Form dieser 30-minütigen Friedensgebete sehr angetan ist. „Wir kommen wieder, wahrscheinlich nicht jeden Tag, bei uns gibt es ja ähnliches, aber das hier war nicht das letzte Mal.“ Ihr Mann Alfred hatte zuvor folgende Fürbitte gesprochen;: „Wir bitten dich, steh allen bei, die in Russland für die Wahrheit aufstehen. Schenke Ihnen Mut und Kraft.“
Es ist 19.30 Uhr, einige verlassen eilig die Kirche, andere stehen noch ein bisschen zusammen. Theo Tilling spricht mit seiner Bemerkung allen aus der Seele: „Ja, gut, dass es das hier gibt. Am schönsten wäre es, wenn wir uns bald zu Dankesgebeten treffen könnten.“