Velbert. Alle zwei Jahre fragt der ADFC Kriterien zur Fahrradfreundlichkeit ab. In der Kategorie bis 100.000 Einwohner landet Velbert auf Platz 106.

Beim Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) hat Velbert erneut die Note „ungenügend“ bekommen. Bei der alle zwei Jahre durchgeführten Umfrage landete die Stadt in der Kategorie bis 100.000 Einwohner auf Platz 106 – von 110. Beteiligt hatten sich 156 Radfahrerinnen und Radfahrer aus Velbert.

Bereits bei den letzten beiden Umfragen – 2018 und 2016 – war das Ergebnis schlecht gewesen: Vor zwei Jahren landete Velbert auf dem vorletzten, vor vier Jahren gar auf dem letzten Platz. „Das jetzige Ergebnis war fast schon zu erwarten. Leider“, sagt Bernd Zielke, 1. Sprecher des ADFC Velbert.

„Effektives Verkehrsmittel fördern“

Radfahrer fühlen sich in Velbert nicht sicher, hat die Umfrage des ADFC ergeben. Auch die Radwege-Führung ist oftmals nicht gut, erläutern die Sprecher der Velberter Ortsgruppe.
Radfahrer fühlen sich in Velbert nicht sicher, hat die Umfrage des ADFC ergeben. Auch die Radwege-Führung ist oftmals nicht gut, erläutern die Sprecher der Velberter Ortsgruppe. © dpa | Marius Becker

Als „beinahe frustrierend“ bezeichnet Holger Boden das Ergebnis der Umfrage: „Alle zwei Jahre gibt es die Umfrage, alle zwei Jahre veröffentlichen wir die Ergebnisse und es gibt kaum Änderungen“, sagt der Pressesprecher der ADFC-Ortsgruppe Velbert.

Dabei „sind wir gar nicht auf Krawall aus“, fährt Boden fort. „Wir wollen, dass die Radler sicher unterwegs sein können“. Dem Club gehe es einfach nur darum, „das vielfach effektivste Verkehrsmittel zu fördern. Dabei steht für uns der Alltagsradler an erster Stelle, egal ob als Berufspendler, Touren- oder Urlaubsradler.“

Radfahrer fühlen sich nicht sicher

Die Umfrage des ADFC zeige: Der weit überwiegende Teil der Radfahrer fühle sich beim Fahren in Velbert einfach nicht sicher. So sieht es auch Bernd Zielke, täglich mit dem Rad in der Stadt unterwegs. „Man hat im Verkehr kaum das Gefühl, sicher fahren zu können. Manchmal fühle ich mich regelrecht bedroht“.

Die Vertreter des ADFC werden nicht müde, Beispiele aufzuzählen: „Befahren Sie mal die Friedrich-Ebert-Straße. Erst wird der Radfahrer zu Balanceübungen neben den Autos oder Lkws veranlasst, weil der Radweg viel zu schmal ist. Dann landet der Radler radweggeführt mitten in der Bushaltestelle – anstatt den Radweg um die Haltestelle herumzuführen. Das ist doch brandgefährlich.“

„Dooring“ ist eine Gefahr

Boden ergänzt: „Oder die Langenberger Straße. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Jeden Tag muss ich da lang. Erst wird der Radfahrer an den rechten Rand der eigentlich doch überbreiten Fahrbahn gedrängt – dort droht dann ,Dooring’, weil ein Autofahrer nach dem Parken unbedacht seine Tür öffnet.“ Der Radfahrer habe keine Chance, einen meist schweren Unfall zu vermeiden.

Der ADFC weist darauf hin, dass aus seiner Sicht der entscheidende Wille für eine städtische Planung fehle. „Wir würden uns wünschen, wenn bei Verkehrsplanungen die Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt behandelt würden – und nicht der zunehmende Fahrradverkehr im Wesentlichen nachrangig bleibt. Wenn Velbert politisch signalisiert, Radverkehr sei willkommen, dann muss einfach mehr geschehen.“

TBV arbeiten Konzept ab

Bei einem Unfall ziehen Radfahrer in der Regel den Kürzeren. Beispielsweise übersehen Autofahrer die Radler beim Abbiegen immer wieder, Radfahrer wiederum unterschätzen den Toten Winkel – etwa bei Lkw.
Bei einem Unfall ziehen Radfahrer in der Regel den Kürzeren. Beispielsweise übersehen Autofahrer die Radler beim Abbiegen immer wieder, Radfahrer wiederum unterschätzen den Toten Winkel – etwa bei Lkw. © Kreispolizei Mettmann

„Wir sind ja dabei, etwas zu tun“, antwortet Arnd Sulimma auf die Kritik der Radfahrer. „Wir haben viel vor, einiges ist auch schon umgesetzt worden“, sagt der Verkehrsplaner der Technischen Betriebe (TBV). „Offenbar hat das noch nicht gereicht, dass die Veränderungen auch bemerkbar geworden sind.“

Sulimma nennt als Beispiele, dass nun manche Einbahnstraßen für Radfahrende geöffnet, manche Sackgasse und manches Durchfahrtsverbot überprüft worden seien. „Wir haben ein Radverkehrskonzept und das arbeiten wir nach und nach ab – und hoffen, dass unsere Maßnahmen fruchten.“

Nachholbedarf beim Radverkehr

Ihm sei bewusst, „dass wir im Bereich Radverkehr einiges nacharbeiten müssen“, sagt der Verkehrsplaner. „Wir befinden uns auch in regelmäßigem Austausch mit dem ADFC. Wenn von dort Vorschläge kommen, prüfen wir die auch. Es kann halt nur vorkommen, dass so eine Prüfung negativ ausfällt.“

Die Vorstellungen des ADFC seien allerdings nicht utopisch, sagt ADFC-Mann Bernd Zielke: „Es ist eine simple Wahrheit, die man einfach aussprechen muss: Es geht eben manchmal nicht ohne eine andere Aufteilung der zur Verfügung stehenden und nicht beliebig zu vermehrenden Verkehrsfläche“.

ADFC wünscht sich weniger Platz für das Auto

Das bedeutet nach Meinung des ADFC: weniger Platz für das Auto. Velbert sei jedoch nach Meinung der Bürger immer noch sehr weit entfernt oder gar nicht erst bereit, diese Tatsache zu diskutieren. Zielke: „Es wird dann meist mit Kosten argumentiert. Dabei lösen manche Maßnahmen kaum hohe Kosten aus.“

„Man muss aber auch einen Ausgleich finden“, argumentiert Arnd Sulimma von den TBV: „Manche Bürger haben den Wunsch, Auto zu fahren und zu parken. Fußgänger wollen sicher die Straßen queren und Radfahrer wollen sicher am Verkehr teilnehmen.“ Das alles müsse berücksichtigt werden.

Grundsätzlich halte er die Umfrage aber für gut „Es gibt sehr detaillierte Fragen und die Ergebnisse lassen Rückschlüsse zu, wo bei uns die größten Baustellen sind.“ Auf die Zusammenarbeit mit dem ADFC kann sich Sulimma dabei verlassen, denn: „Wir sind immer gesprächsbereit“, sagt Bernd Zielke, „wir haben doch auch keine Lust mehr auf die rote Laterne.“

Deutschland ist kein Fahrrad-Land

230.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich laut ADFC 2020 an der Umfrage beteiligt – das sind rund 60.000 mehr als 2018. Sie haben 1024 Städte und Gemeinden bewertet (2018: 683).

Ihre Bewertungen seien ernüchternd: Die Fahrradfreundlichkeit liegt, wie 2018, bei 3,9. Damit hat sich das Radklima in Deutschland nicht verändert und ist weiter nur ausreichend. Der negative Langzeittrend bei Spaß, Sicherheitsgefühl, Konflikte mit Kfz und Breite und Oberfläche der Radwege halte an, erläutert der ADFC.

Dabei sei den Radfahrenden ein gutes Sicherheitsgefühl (81 %), die Akzeptanz von Radfahrenden durch andere Verkehrsteilnehmer (80 %) und ein konfliktfreies Miteinander von Rad- und Autoverkehr (79 %) besonders wichtig.