Langenberg. Leukämie und Corona – für Andrea Hoddick war das Jahr 2020 ein besonders schwieriges. In einem Videotagebuch hat sie die Zeit dokumentiert.

Am Anfang ist Meeresrauschen, Wellen schlagen an die Küste von El Hierro. „Werde ich das Meer jemals wiedersehen?“, fragt eine Stimme aus dem Off. Diese Stimme gehört Andrea Hoddick. Und der Film, der so beginnt, ist ein Videotagebuch. In 30 Minuten lässt die Filmemacherin Antonella Berta die Langenbergerin von ihrem ganz besonders schwierigen Jahr 2020 erzählen.

Denn dieses Jahr begann für Andrea Hoddick mit der Diagnose Leukämie. Und dann kam auch noch Corona dazu, was Behandlung und Therapie zusätzlich erschwerte. Dass sie schließlich ein Videotagebuch führte, hat mit der Freundschaft zu Antonella Berta zu tun.

Im Seminar kennen gelernt

Die Filmemacherin und Andrea Hoddick lernten sich in einem Seminar kennen. „Das war ein Bildungsurlaub, Thema war ,Gewaltfreie Kommunikation’“, erzählt die Langenbergerin, die als Krankenschwester in der Ruhrlandklinik arbeitet.

„Die Chemie zwischen uns hat einfach gestimmt“, erinnert sich Andrea Hoddick. „Wir saßen uns oft im Stuhlkreis gegenüber, haben durch nonverbale Kommunikation gemerkt, dass wir gerade wahrscheinlich das Gleiche denken.“

Kontakt gehalten

Über das Seminar hinaus hielten die beiden Kontakt, „immer mal wieder haben wir uns geschrieben und über das Leben ausgetauscht.“ Dann kam der Januar 2020 und die Diagnose. Von Antonella Berta bekam die Langenbergerin damals ein Kalenderblatt, auf dem die Geschichte einer Krebspatientin erzählt wird. Diese Frau bat ihre Freunde darum, sie weiter am Leben teilhaben zu lassen, ihr Fotos oder Videos zu schicken.

„Das konnte ich so unterschreiben“, erzählt Andrea Hoddick heute. Sie schickt diesen Text auch an ihre Freunde „und die haben wirklich Fotos und kleine Filme geschickt.“ Etwa vom Karneval, der ja 2020 noch gefeiert werden durfte. Oder von den Enkelkindern.

Dreharbeiten auf El Hierro

Antonella Berta wiederum war zu der Zeit auf El Hierro und drehte dort. Sie schickte auch Filme ins Krankenhaus: „Sie hat für mich den Sonnenaufgang gefilmt oder eine Wanderung.“ Dann bekam die Filmemacherin eine Anfrage der ARD, etwas zum Thema Corona zu machen.

„Sie hatte drei Themen im Kopf“, erzählt Andrea Hoddick. „Junge Männer, die sich in Ischgl angesteckt hatten und nun in einer Art Quarantäne-WG lebten; eine Tango-Lehrerin, die ihr Geschäft schließen musste. Und eben mich.“

21 Tage lang gefilmt

„Habe unglaublich Glück gehabt“

Sie habe auch viel Glück gehabt, sagt Andrea Hoddick: Der bei ihr diagnostizierte Leukämietypus sei derjenige mit günstiger Prognose gewesen. Und von Beginn an habe sie sich bei den Ärzten und dem Krankenhauspersonal gut aufgehoben gefühlt.

Hinzu kamen die Familie und viele gute Freunde, die ihr zur Seite gestanden haben. „Meine Tochter hat sich zum Beispiel immer selbst in Quarantäne begeben, bevor ich das Krankenhaus verlassen durfte, um dann zu Hause zu helfen.“

Ihr Sohn habe geholfen, so gut es ging, auch der getrennt lebende Mann und besonders ihre Schwester, die für die Therapien jeweils bis zum Lockdown für Tage anreiste.

„Meine Freunde und meine Familie haben sich toll abgesprochen und mich unterstützt – trotz dieser erschwerten Bedingungen“, unterstreicht die Langenbergerin.

Sie habe an dem Projekt erst gar nicht teilnehmen wollen, sagt die Langenbergerin. „Ich bin nicht so der Selfie-Typ.“ Ihre Kinder würden sich immer köstlich amüsieren, wenn sie die Versuche ihrer Mutter betrachten würden. „Da hat Antonella einfach nur gesagt: ,Ich zeig’ Dir das schon’“, fährt sie lachend fort.

Eine Freundin leiht ihr daraufhin eine Selfie-Stange und ab da filmt sich Andrea Hoddick 21 Tage lang, jeweils zwei bis drei Minuten täglich. Die Sequenz kam offenbar in der Redaktion so gut an, dass Antonella Berta einen eigenen Film mit Andrea Hoddick drehen soll. „So ist der 30-Minüter dann zustande gekommen.“

Andrea Hoddick genießt den beginnenden Frühling – die Langenbergerin gilt als geheilt und erholt sich jetzt von den Folgen der Krankheit.
Andrea Hoddick genießt den beginnenden Frühling – die Langenbergerin gilt als geheilt und erholt sich jetzt von den Folgen der Krankheit. © Andrea Hoddick

Ein persönlicher Dialog

„Ich habe zuerst ein Therapietagebuch geführt“, erzählt die Langenbergerin weiter, „darin habe ich notiert, wann ich zum Beispiel einen Infekt oder Fieber hatte und wie es mir dabei ging.“ Dann habe sie überlegt, was sie in den kurzen Videos sagen wolle. „So ist eigentlich ein persönlicher Dialog zwischen mir und Antonella Berta entstanden“, beschreibt sie das Resultat.

Manchmal habe die Filmemachern ihr am Telefon Fragen gestellt, ganz persönliche. Was letztlich im Fernsehen – der Kurzfilm lief in der ARD und ist aktuell in der Mediathek und auf Youtube abrufbar – zu sehen sein sollte, „das habe ich bestimmt. So war die Abmachung.“

Auch schwierige Zeiten gefilmt

Und Andrea Hoddick filmt sich, egal wie sie sich fühlt. Das erste Mal mit Glatze? „War eine Überwindung“, gibt sie zu. „Alle werden mich so sehen.“ Aber dann habe sie nur gedacht: „Egal, das gehört dazu.“ Sehr schwierig seien auch die zwei bis drei Mal gewesen, „in denen es mir richtig schlecht ging“, erinnert sie sich. „Ich war allein im Zimmer, hatte vorher geweint. Und das sieht man im Film auch.“

Entstanden ist ein eindrucksvolles, ein berührendes Filmdokument – das am Meer endet. Denn Andrea Hoddick hat die Krankheit überstanden, sie gilt als geheilt. Ob sie stolz auf das erreichte sei, habe Antonella Berta sie am Ende gefragt. „Nein“, sagt die Langenbergerin. „Das Gefühl habe ich so gar nicht.“

Heilungsprozess war „Teamarbeit“

Denn das, was sie erreicht habe, das „ist eine Teamleistung gewesen.“ Ihre Tochter, ihre Sohn, ihr Noch-Ehemann, ihre Schwester, ihre Freunde: „Die alle haben mich total getragen, haben mir Kraft und Mut gegeben.“ Manche Freundschaft hätte sich sogar noch vertieft durch die Krankheit. „Jeder hat gemacht, was er konnte.“

Und nun? Wie geht es weiter? „Ich möchte in meinen Beruf zurück“, sagt Andrea Hoddick. Nur momentan sei daran noch nicht zu denken. Körperlich sei sie noch nicht so weit, „ich würde gerne erst einmal eine onkologische Reha absolvieren.“ Dazu kommen regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Und da hat sie gerade eine positive Nachricht bekommen: „Der nächste Termin ist erst in acht Wochen“, sagt Andrea Hoddick und lächelt. „Und nicht wie vorher im Abstand von vier Wochen.“

Der Film „Doppelt getroffen – Krank in Zeiten von Corona“ steht noch bis zum 7. Februar 2022 in der Mediathek der ARD. Auf Youtube einfach „doppelt getroffen ard“ in die Suchleiste eingeben.