Studentin aus Essen hat sich als Stammzellenspenderin registrieren lassen -- und kam jetzt zum Einsatz. Was das für sie bedeutet.

Essen. Als sich Mara aus Essen-Bergerhausen 2018 vor einem Heimspiel ihres Lieblingseishockeyvereins Moskitos Essen ein Wattestäbchen in den Mund steckte und sich als potenzielle Stammzellenspenderin für Blutkrebspatienten registrieren ließ, rechnete sie nicht wirklich damit, dass dies irgendwann Folgen haben könnte. Vor wenigen Wochen kam dann der Anruf: Eine an Leukämie erkrankte Frau in den USA brauche ihre Stammzellen.

„Anfang November hatte ich einen Anruf mit unbekannter Nummer auf dem Handy“, berichtet Mara, deren Nachnamen wir nicht nennen, um die Anonymität bei der Spende zu wahren. Die 22-Jährige studiert Politikwissenschaft, nahm gerade an einer Online-Vorlesung teil. Als sie die Nummer der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) zuordnen konnte, sei das erst einmal ein Schock gewesen.

Für die Stammzellenspende wird ein genetischer Zwilling gesucht

„Tatsächlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass man der genetische Zwilling einer anderen Person irgendwo auf der Welt ist, die dann an Blutkrebs erkrankt und Stammzellen benötigt. Selbst nahe Familienangehörige wie Kinder, Eltern oder Geschwister kommen oft für eine Spende nicht in Frage“, erklärt die junge Bergerhauserin.

Die Registrierungsaktion an der Eishalle sei damals allgemeiner Art gewesen, es sei in diesem Fall kein Spender für eine bestimmte Person gesucht worden. Sie und ihr Freund seien zum Eishockey spät dran gewesen, hätten aber noch kurz vor Spielbeginn ihre DNA-Probe per Wattestäbchen abgegeben. „Im Hintergrund lief schon die heroische Einlaufmusik für die Spieler. Das hat für mich in dem Moment irgendwie gepasst“, erinnert sich die Studentin und muss im Nachhinein darüber lachen.

Studentin war zuerst geschockt über den Anruf

„Natürlich will man Menschen helfen, denen es nicht gut geht, deren Leben bedroht ist. Aber ich hasse alles, was mit Krankenhaus, Arzt, Spritzen oder Blut abnehmen zusammenhängt“, gibt Mara zu. „Als der Anruf kam, war ich deshalb erst einmal richtig geschockt und aufgeregt.“ Ein bisschen beruhigt habe sie die Aussage, dass sie für das Herausfiltern der Stammzellen aus dem Blut in Frage käme. Bei einer anderen Methode werde operativ Knochenmark aus dem Becken entnommen. Dafür müsse man ein paar Tage im Krankenhaus bleiben.

Bei ihr habe zum Glück ein ambulanter Krankenhaus-Aufenthalt gereicht. Über vier Stunden sei ihr Blut abgenommen und wieder zugeführt worden, dem in der Zwischenzeit Stammzellen entzogen worden seien.

Die Spende im Krankenhaus dauerte rund vier Stunden

„Das Verfahren funktioniert ähnlich wie eine Dialyse. Am Ende war es nicht so schlimm wie befürchtet“, sagt Mara wenige Tage nach dem Termin erleichtert. Zwei junge Männer hätten gleichzeitig Stammzellen gespendet. „Wir sind super betreut worden, konnten alles fragen, essen und trinken, uns unterhalten und einen Film während der Blutentnahme schauen. War gar nicht so einfach, sich auf einen Film zu einigen“, sagt Mara. Die Zeit sei schnell vergangen.

Auch im Vorfeld der Stammzellenentnahme seien Blutabnahmen beim Hausarzt und im Krankenhaus notwendig. Außerdem müsse man sich vor der Spende Medikamente spritzen, die die Bildung von Stammzellen anregen sollten. Die damit verbundenen Rücken- und Gliederschmerzen seien unangenehm, aber zu ertragen gewesen. „Was Krebspatienten über sich ergehen lassen müssen, ist im Vergleich dazu viel schlimmer“, sagt Mara. Wer Stammzellen spende, werde krankgeschrieben, die DKMS komme für Kosten wie Hotel, Fahrt, Verpflegung oder Verdienstausfall auf.

Jemandem helfen zu können, vielleicht ein Leben zu retten, das sorge schon für Glücksgefühle, berichtet Mara. Hinter jedem Fall verberge sich ja ein schwerkranker Mensch, vielleicht mit Familie, der gegen den Blutkrebs und um sein Leben kämpfe.

Spender und Empfänger können sich nach zwei Jahren kennenlernen

Spender und Empfänger der Stammzellen bleiben zwei Jahre anonym. „Ich weiß nur, dass meine Stammzellen für eine erwachsene Frau in den USA bestimmt sind“, erklärt Mara. Ganz bewusst solle in den zwei Jahren kein persönlicher Kontakt entstehen, denn es sei möglich, dass eine zweite Spende erforderlich sei. „Wenn man sich kennengelernt hat und den Empfänger womöglich unsympathisch findet, würde man vielleicht nicht ein zweites Mal spenden wollen. Das soll ausgeschlossen werden“, sagt sie. Später Kontakt zu der Empfängerin ihrer Stammzellen aufzunehmen, könne sie sich durchaus vorstellen. Es gebe Fälle, in denen regelrechte Freundschaften zwischen Spender und Empfänger entstanden seien.

Warum sie sich trotz ihrer Abneigung gegen Arztbesuche entschieden habe, sich in die Spenderdatei aufnehmen zu lassen? „Tante und Onkel sind an Krebs erkrankt, auch mein Vater ist chronisch krank. Wenn man helfen und Menschen, auch völlig Fremden, wieder ein gutes Leben ermöglichen kann, sollte man das tun“, wirbt Mara dafür, sich registrieren zu lassen und gegebenenfalls dann auch zu spenden.

Gerade jetzt in der Corona-Zeit sei die Zahl der Menschen, die sich als potenzielle Stammzellenspender in die Datei aufnehmen lassen, deutlich zurückgegangen – was für Leukämiepatienten dramatisch sei, denn es verschlechtere ihre Chance noch einmal, dass ein passender genetischer Zwilling gefunden werde.

Mara jedenfalls ist überzeugt: „Film gucken und dabei vielleicht ein Leben retten – das würde ich jederzeit wieder machen.“