Velbert. Um Psychisch kranke stabil zu halten und suchtkranke Menschen vor dem Rückfall zu schützen, sorgt die SGN in Velbert für Tagestruktur.

Volker Schmidt ist schon ganz aufgeregt: Seit drei Monaten trägt der 49-Jährige zweimal die Woche nachmittags Zeitungen aus, nach einer Knieverletzung und vierwöchigem Krankenschein geht es morgen nun wieder los. "Mir macht das sehr viel Spaß", erzählt der Klient der Sozialpsychiatrischen Gesellschaft Niederberg (SGN) in der Nordstraße, "die Menschen sind sehr lieb zu mir und am Kiosk bekomme ich immer eine Bratwurst und eine Cola spendiert."

Anerkennung und Tagesstruktur

Jesco Dörk lächelt - der diplomierte Sozialarbeiter weiß, dass der Job für Volker Schmidt mehr bedeutet als ein finanzielles Zubrot. "Gerade für psychisch kranke und labile Menschen ist es wichtig, Anerkennung zu bekommen und eine möglichst verlässliche Tagesstruktur zu haben. Und gerade in einem solchen Job entstehen soziale Kontakte, Gespräche, das ist extrem wichtig für das Selbstwertgefühl."

Schizophrenie nach Tod der Eltern

Volker Schmidt wurde in Deutschland geboren, mit zehn Jahren zog seine Familie nach Paris. Er sei schon immer psychisch auffällig gewesen, sagt der hochgewachsene Mann über sich selbst, seine Mutter habe dies aber nicht wahrhaben wollen und Hilfe verweigert. Erst als die Eltern in kurzem zeitlichem Abstand verstarben, sei seine Haupterkrankung, die Schizophrenie, richtig durchgebrochen. Ein normales Leben ist nicht möglich, Krankenhausaufenthalte, Therapien, Medikamente bestimmen sein Leben.

Unterstützung durch SGN

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland findet der Velberter seit Jahren viel Unterstützung bei der SGN, die Einrichtung bietet Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in Krisen umfassende Hilfen bei jeder Problematik: von der individuellen Beratung über Tagesstruktur, Arbeitsteilhabe, Hilfen zum selbstständigen Wohnen bis hin zur Selbsthilfegruppe. "Im ersten Lockdown waren so gut wie alle Hilfsangebote geschlossen, jetzt ist es so, dass wir den Bereich der Tagesstruktur Gott sei Dank geöffnet lassen können. Die Tagesbesucher kommen morgens gegen 10.30 Uhr, es finden einige Gruppen unter den notwendigen Hygienemaßnahmen statt und es gibt Mittagessen", erklärt Jesco Dörk. Das allerdings darf weder in den Räumen ausgegeben noch dort gegessen werden. "Die Besucher stehen draußen in einer Art Einbahnschlange mit Abstand an und erhalten ihre Portionen an einer Ausgabe. Viele nehmen das Essen dann mit nach Hause."

Betreutes Wohnen

Volker Schmidt hat es nicht weit, er wohnt direkt im Nachbarhaus, das die SGN angemietet hat. Die Bewohner werden von den Fachkräften betreut, sollen aber möglichst autark leben. "Als wir den Lockdown im Frühjahr hatten, da haben sich die Betreuer vor das Haus gestellt und wir haben am Fenster gestanden, damit der Kontakt bestehen bleiben konnte", erinnert sich Volker Schmidt, "das war sehr wichtig für mich, denn ich fühlte mich damals sehr einsam ohne das tägliche Programm in der SGN."

Einsamkeit und Depression

Ein Gefühl, dass auch Inge Baldowski gut kennt. Die 64-Jährige ist seit 13 Jahren trockene Alkoholikerin, leidet unter Depressionen. "Im ersten Lockdown habe ich mich so allein gefühlt, dass ich tatsächlich dachte, ich könnte ja ruhig wieder anfangen zu trinken, es würde eh niemanden interessieren, ich war total unten." Die Heiligenhauserin streichelt ihre Mischlingshündin Nelli, die sie im März vom rumänischen Tierschutz übernommen hatte. "Sie alleine war der Grund, warum ich nicht rückfällig wurde und mich komplett eingeigelt habe, sie kam genau im richtigen Augenblick zu mir. Ich musste mehrmals täglich vor die Tür, ich war nicht mehr allein, ich hatte Verantwortung."

Niemand wird vergessen

Jesco Dörk kann sich noch gut erinnern - mit dem ersten Lockdown kam bei den Mitarbeitern die große Sorge auf, Klienten nicht mehr erreichen zu können, sie komplett zu verlieren. "Wir mussten damals von heute auf morgen reagieren und haben das, denke ich, gut gemeistert. Wir haben telefonischen Kontakt gehalten, Chats angeboten, bei manchen angeklingelt. Niemand sollte das Gefühl haben, vergessen zu werden."

Unbedingt Hilfe suchen

Durch die Offenhaltung des Tagesstrukturangebotes stehen die Mitarbeiter weiterhin mit ihren Langzeitbesuchern im nahezu täglichen Kontakt. Schwerer erreichbar sind allerdings die Besucher, die normalerweise ab und an in die Kontaktstelle, eine Art offenes Café der SGN, kommen- denn das bleibt vorerst zu. "Ich kann nur wirklich empfehlen, sich Hilfe zu suchen, wenn man alleine nicht zurechtkommt", rät Jesco Dörk, "wir sind da die richtigen Ansprechpartner und haben zu den übliche n Zeiten auch immer ein offenes Ohr für alle Belange. Und wenn es ganz schlimm ist - die psychiatrischen Ambulanzen sind immer geöffnet." Inge Baldowski kann das nur bejahen. "Es ist so wichtig, sich nicht selbst aufzugeben. Und wenn man doch mal einen Rückfall erlebt, dann sollte man erst recht aktiv werden und sich Hilfe holen."

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INFO: Kontakt zur SGN, Nordstraße 29, Velbert, Tel. 02051 / 8023251. Psychiatrische Institutsambulanz am Klinikum Niederberg: Tel. 02051/ 982-16 70