Gelsenkirchen. Dr. Astrid Rudel warb beim WAZ-Medizinforum um Verständnis für die Schizophrenie und die Betroffenen dieser Krankheit.

„Über Schizophrenie sprechen“, das war das Angebot des WAZ-Medizinforums am Mittwoch im Elisabeth-Krankenhaus in Erle. Und damit sei das Wichtigste schon getan, sagte Dr. Astrid Rudel, Chefärztin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Denn Betroffene haben es schwer in der Gesellschaft. Das Bekenntnis zur Krankheit hat fatale Folgen. Das zeigen Aussagen von Patienten wie diese: „Mit Psychose sind wir out“.

Dabei ist die Schizophrenie keine seltene Krankheit. Doch im Gegensatz zu anderen psychischen Erkrankungen sind Betroffene schlechter gelitten. „Das Risiko, Ablenkung zu erfahren, liegt bei über 50 Prozent. Es ist etwas Andersartiges an der Krankheit“, so die Medizinerin. Unter Stress leiden zehn Prozent aller Menschen unter psychotischen Symptomen. Da meine man schon mal, „im falschen Film“ zu sein. „Das ist keine Schizophrenie.“ Die Krankheit sei eine schwere Einschränkung. „Die Hälfte der Patienten erreicht nicht ihre Lebensziele.“ Sogar die Lebenserwartung sinke – in Deutschland um 15 Jahre.

Symptome treten unterschiedlich auf

Die Symptome treten in verschiedenen Arten auf. Zuerst sind da die Positivsymptome, ein übersteigertes Erleben von Situationen mit Wahnvorstellungen. „Die sind aber für den Patienten wirklich.“ Auf ihn wirke alles unheimlich, er fühle sich fremdgesteuert, habe bizarre, mystische Theorien, leide unter Verfolgungswahn oder der Überzeugung, er solle vergiftet werden. Das alles bedeutet enormen Stress für den Betroffenen. Auch das Denken ist beeinflusst. Schizophrene verstehen ihr Gegenüber nicht richtig, leiden unter Halluzinationen. „Das Hören von Stimmen ist typisch.“ Immer wieder fühlen sich diese Menschen von außen beeinflusst, in ihren Taten und ihren Gedanken.

Auch die Gesellschaft ist gefordert

Zu den Negativsymptomen gehören Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Gereiztheit, eine Unfähigkeit zur Entscheidung und unangemessene Affekte, ein Lächeln bei gleichzeitiger Angst. Die Krankheit kann aber auch die Bewegung beeinflussen, zu ungewollten, immer gleichen Abläufen führen oder die Sprache hemmen. Gleichzeitig wird das Verhalten zuweilen aggressiv. Für die Ärztin verständlich: „Wenn ich denke, dass ich vergiftet werde, werde ich ja bedroht.“

Die Experten (v.l.): Dr. Frank Juskowiak, Oberarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Astrid Rudel, Chefärztin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Elisabeth-Krankenhaus, und Christoph Stankiewicz,Leitender Oberarzt.
Die Experten (v.l.): Dr. Frank Juskowiak, Oberarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Astrid Rudel, Chefärztin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Elisabeth-Krankenhaus, und Christoph Stankiewicz,Leitender Oberarzt. © Thomas Schmidtke

Weil die Symptome vielfältig sind, ist die Diagnose der Schizophrenie schwer. Eine große Zahl der Patienten hatte vor dieser Diagnose eine andere. Um sicher zu sein, werden Betroffene lange Zeit beobachtet. „Erst wenn Symptome über sechs Monate anhalten, kann man auf eine Schizophrenie schließen.“

Ursachen ungeklärt

Die Ursachen der Schizophrenie sind nicht geklärt. „Man geht von einem Zusammenspiel von Anlagen und Umwelteinflüssen aus.“ Dafür fand Astrid Rudel ein bildhaftes Beispiel: ein Fass im Querschnitt. Sei dies schon halb voll mit sensiblen Gefühlen, hätten Stress und andere Risikofaktoren nur noch wenig Platz. „Da läuft das Fass schnell über. Aber, man kann ein Auffangbecken bauen“, leitete sie zur Therapie über. Die bestehe im Wesentlichen aus sehr wirksamen Medikamenten, die nicht abhängig machten. Die Pharmakologie habe enorme Fortschritte gemacht.

Ergo- und Arbeitstherapie als flankierende Maßnahmen

Psychologin A. Shirali Dikloo im Gespräch mit Besuchern. Wie sie stellten Ansprechpartner von Ergo-Therapie bis Selbsthilfe ihre Angebote vor.
Psychologin A. Shirali Dikloo im Gespräch mit Besuchern. Wie sie stellten Ansprechpartner von Ergo-Therapie bis Selbsthilfe ihre Angebote vor. © Thomas Schmidtke

Immer mehr jedoch komme auch Psychotherapie zum Einsatz. Flankiert werde diese durch Ergo- und Arbeitstherapie. „Sie behandelt Symptome auf der Handlungsebene. Die Patienten merken: Ich kann doch etwas.“ Das Selbstbewusstsein werde gestärkt, berufliche und soziale Wiedereingliederung ermöglicht. Dafür müsse auch die Gesellschaft etwas tun, so Rudel: „Ich freue mich, dass wir heute das Schweigen gebrochen haben.“