Langenberg. Seit 40 Jahren bietet der Verein Wendepunkt in Langenberg Menschen mit psychischen Erkrankungen Unterstützung an – etwa im betreuten Wohnen.

Den Wendepunkt gibt es in Langenberg schon seit 40 Jahren, seit gut der Hälfte der Zeit bietet die soziale Einrichtung das betreute Wohnen (Bewo) an. Hier kümmern sich Fachleute unter der Leitung von Andreas Siewert um Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Er selbst ist studierter Sozialarbeiter und seit 25 Jahren im Beruf. In seinem Team gibt es viele Fachkräfte als Erzieher(innen), Krankenpflegefachkräfte sowie Sozialarbeiter, seine Frau arbeitet im Mutter-Kind-Haus.

Die „Klienten“, so werden die betreuten Menschen hier genannt, „erfahren bei uns Annahme und Wertschätzung, aber auch praktische Hilfe, um mit der Erkrankung umzugehen und den Alltag zu bewältigen“, erläutert Andreas Siewert. Fragen wie die Wochengestaltung oder regelmäßige Medikamenteneinnahme sind Thema.

Klienten zu Terminen begleiten

„Die meisten müssen aufgrund der Schwere der Erkrankung – wie etwa Psychosen, Depressionen, Zwänge und Ängste – Medikamente nehmen“, sagt Siewert . „Immer natürlich nach Verordnung und in Absprache mit dem niedergelassenen Psychiater, mit dem wir dann zusammenarbeiten.“ Die Klienten werden auch zu den Arztterminen begleitet, „wenn etwa dem Einen oder Anderen die Konzentration fehlt oder einfach Unsicherheit da ist, im öffentlichen Raum unterwegs zu sein.“

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Langenberg, Velbert und Neviges verpassen? Dann abonnieren Sie

unseren kostenlosen Newsletter. +++

Diese Villa soll vom Wendepunkt bald für das betreute Wohnen genutzt werden.
Diese Villa soll vom Wendepunkt bald für das betreute Wohnen genutzt werden. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die stationäre Reha hat der Wendepunkt Anfang 2019 beendet. Die Gebäude werden aber weiter genutzt: In dem einen Teil arbeitet noch die Verwaltung und geplant ist, dem Haus eine weitere Nutzung zu geben. Zum anderen gibt es die Villa, die zusätzlich für das betreute Wohnen genutzt werden soll.

Aber auch andere Mieter können sich um Einzelapartments – geplant im ersten und zweiten Stock – bewerben. Die wunderbare Altstadtvilla ist sehr schön gelegen und soll im Erdgeschoss Büros mit Gruppenräumen erhalten. Dort wird es Gruppenangebote geben: Kochen, Kreatives, Musikgeschichten und Ähnliches. Auch Garten und Außenbereich sollen gestaltet werden.

Mutter und Kind werden betreut

Die vier Jahre alte Mia lebt mit ihrer Mutter im betreuten Wohnen. Begleitet werden die beiden von Melanie Lopez, gelernte Erzieherin und Hebamme. Mias Mutter ist seit März 2019 im Bewo und war zuvor im Mutter-Kind-Haus.

Für sie ist der Wendepunkt mehr als nur betreutes Wohnen – er bietet ihr Sicherheit, Unterstützung und Schutz. „Ich könnte mich sofort an meine Ansprechpartner wenden, und man würde mir helfen. Egal welche Probleme ich habe“, sagt sie.

Enge Bindung zu den Klienten

Unterstützung gebe es etwa bei der Kindererziehung oder beim Einkaufen für den Kindergeburtstag, oder „wenn ich irgendwelche Briefe nicht verstehe oder Banktermine habe.“ Ihre Betreuerin Melanie kommt zweimal die Woche für 90 Minuten zu ihr. Gemeinsam erledigen die beiden dann, was anfällt – und quatschen.

Tochter Mia ist immer dabei, sofern sie Ferien hat. Melanie Lopez kommt Mia auch besuchen , wenn die Vierjährige krank ist und kümmert sich. Mias stolze Mama schwelgt in Erinnerung: „Mia mag Melanie sehr und das ist schon wirklich wichtig. Melanie hat Mia extra am Kindergeburtstag besucht, weil Mia sich das gewünscht hat.“

Die Langenberger unterstützen den Wendepunkt und seine Einrichtungen gerne: 2019 überreichten etwa Ivonne Backhaus (l) und Dr. Jasmin Schrobang-Ley (r) von der Adler-Apotheke eine Warenspende an Katja Schreier (2. v. l.) und Christina Brücher (Wendepünktchen).
Die Langenberger unterstützen den Wendepunkt und seine Einrichtungen gerne: 2019 überreichten etwa Ivonne Backhaus (l) und Dr. Jasmin Schrobang-Ley (r) von der Adler-Apotheke eine Warenspende an Katja Schreier (2. v. l.) und Christina Brücher (Wendepünktchen). © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Mias Mutter kam direkt nach ihrem Aufenthalt im Mutter-Kind-Haus übergangslos ins betreute Wohnen. Es sei ihr wichtig gewesen, „explizit Melanie als Ansprechpartnerin zu bekommen“, da die schon von Anfang an dabei gewesen sei und sogar Mia mit auf die Welt gebracht hatte.

Betreuerin von Anfang an dabei

Die Beziehung zwischen Betreuer und Betreuten sei „das A und O in dem Beruf“, erläutert Melanie Lopez. Und Mias Mutter ergänzt: „Dadurch, dass wir Vertrauen aufgebaut haben, da sie Mias erste Tage und Wochen des Lebens begleitet hat und ich alleinerziehend bin, ist mir das ganz wichtig, sie zu haben.“

Melanie Lopez schaue regelmäßig nach ihr, ob auch alles in Ordnung sei: „Und das ist schön für mich, weil ich weiß, sie hat es gelernt, sie hat Ahnung von Kindern.“ Ihr Fazit: „Ich bleibe solange, bis jemand sagt, ich darf nicht mehr.“

Zusammenarbeit vieler Einrichtungen

Und da kommt Bereichsleiter Andreas Siewert wieder ins Spiel: „ Je nach Lebensphase schauen wir, was passt jetzt grade. Man sollte die Modelle nehmen, die die Klienten in der jeweiligen Phase brauchen.“

Wichtig ist Siewert zudem, dass „es viele gute psychiatrische Einrichtungen gibt und wir auch gerne zusammenarbeiten“. Der Wendepunkt sei ein Baustein, als ambulant betreutes Wohnen. „Es gibt da viele Anbieter im Kreis, zum Beispiel die Werkstatt für Behinderte, die Tagesstätte oder die ambulanten psychiatrischen Pflegedienste.“

Sie alle würden psychisch erkrankte Menschen im Kreis Mettmann begleiten und unterstützen. „Da leistet jeder seinen Beitrag.“ Ziel sei immer, dass sich „Menschen und Lebensgeschichten entwickeln können und dürfen“. Die Leute sollten sich stabilisieren und wieder ihre eigenen Ziele und Inhalte finden. Und ermutigt werden, das „mit dem Arbeitsleben und viel Selbstständigkeit“ auszuprobieren.

55 Klienten im betreuten Wohnen

Aktuell befinden sich 55 Personen im betreuten Wohnen. Zwei Drittel davon sind Frauen, ein Drittel Männer. Die Klienten sind zwischen 20 und 65 Jahre alt und erhalten 2,5 bis 3 Wochenstunden Betreuung. Der Wendepunkt leistet Eingliederungshilfe und darüber regelt sich der Anspruch auf die ambulante Begleitung.

Dazu gibt es einen Hilfeplan sowie die Antragsabstimmungen mit dem Landschaftsverband Rheinland , so dass es dann zur Kostenzusage kommt. In der Regel gibt es eine Bewilligung für zwei Jahre, danach wird über den Hilfeplan erneut entschieden – und zwar von den Klienten gemeinsam mit dem Wendepunkt und dem Landschaftsverband.

Probleme oft in der Kindheit begründet

Die Probleme vieler Klienten liegen häufig in der Kindheit begründet – aber nicht nur. Man gehe von einem „Dreiklang“ aus, wenn jemand psychisch erkrankt. Andreas Siewert erläutert: „Ja, die Lebensgeschichte, die Biografie, spielt eine Rolle, das kann in der Kindheit beginnen.“

Dann gebe es aber „das ganze Genetische, Körperliche, die Biochemie, die mit dazu führt, das jemand psychisch erkrankt und dann kommt in der Regel ein akuter Stress oben drauf.“ Letzterer könne etwa häuslich sein – zum Beispiel ein Schulübergang; der Stress könne von der Arbeit herrühren, in einem Partnerschaftskonflikt liegen oder durch Drogenkonsum verursacht werden.

Wendepunkt arbeitet konfessionsübergreifend

Der Wendepunkt ist eine christliche Einrichtung, nimmt aber Menschen jeglichen Glaubens auf. Andreas Siewert erläutert: „Wir haben noch die beiden stationären Bereiche, den Hof für die Minderjährigen und das Mutter-Kind-Haus sowie die Ambulanz.“ Es sei „null Voraussetzung, irgendwie christlich gläubig zu sein. Wir arbeiten hier mit anerkannter Fachleistung.“

Das ist der Wendepunkt

Wendepunkt ist eine Rehaeinrichtung für psychisch erkrankte Menschen und schon seit mehr als 40 Jahren im Geschäft. Aktuell gibt es drei Bereiche.

Die Jugendhilfe-WG für Minderjährige lässt die Jugendlichen Gemeinschaft erfahren/erlernen und hilft bei Stabilisierung und Gesundheit. Das Mutter-Kind-Haus „Wendepünktchen“ bietet zwei WGs und drei Einzelapartments. Aktuell leben hier neun Mütter und einige Väter mit ihren Babys bzw. Kleinkindern.

Schließlich gibt es noch das ambulant betreute Wohnen . 15 Mitarbeiter kümmern sich um die 55 erwachsenen, psychisch erkrankten Menschen in Langenberg, Velbert-Mitte, Neviges und Heiligenhaus.