Langenberg. . Wenn Eltern psychisch erkranken, beeinträchtigt das auch die Beziehung zum Nachwuchs. Hier hilft das Wendepünktchen in Langenberg.

Über Spenden freut sich Christiane Höhne immer – schließlich wird bei ihrer Arbeit mit psychischen kranken Müttern und deren Kindern einiges an Material benötigt. Christiane Höhne ist die Bereichsleiterin des Wendepünktchens, dem Mutter-Kind-Haus des Vereins Wendepunkt. Hier „Am Hahn“ ist Platz für neun Mütter, die Unterstützung im Umgang mit ihrer Krankheit und in der Beziehung zu ihrem Kind benötigen.

„Die Mütter kommen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen hier an“, erzählt Christiane Höhne. Bei manchen gehe es eher um psychische Stabilisierung, „andere kommen hier an und müssen erst einmal ganz grundsätzliche Dinge lernen“ – etwa selber kochen oder vernünftige Hygiene. Im Vordergrund steht dabei immer, die Beziehung zum Kind auf eine gute Basis zu bringen.

„Wir sind aber keine Langzeit-Einrichtung“

Christiane Höhne in ihrem Büro: Von hier aus hat sie alles im Griff.
Christiane Höhne in ihrem Büro: Von hier aus hat sie alles im Griff. © Uwe Möller

Zum großen Teil werden die Mütter der Einrichtung von Jugendämtern zugewiesen – allerdings nicht aus Velbert: „Viele kommen aus dem Ruhrgebiet, aber wir hatten auch schon jemanden aus Ostfriesland hier“, sagt Christiane Höhne. Wie lange die Frauen bleiben, hängt von der Entwicklung ab. Manche können nach einigen Monaten schon wieder nach Hause, andere erst nach zweieinhalb Jahren. „Wir sind aber keine Langzeit-Einrichtung“, betont Christiane Höhne.

Untergebracht sind die Frauen in zwei Intensiv-WGs, es gibt aber auch die Möglichkeit, innerhalb des Hauses in eine Art Appartement umzuziehen. „Das Appartement ist sozusagen die Zwischenstufe zwischen WG und eigener Wohnung“, erläutert Christiane Höhne. Hier haben Mutter und Kind mehr Privatsphäre.

Mütter bekommen eine Tagesstruktur

Und was machen die Mütter im Wendepünktchen? „Wir geben ihnen eine Tagesstruktur“, erläutert Christiane Höhne. Teils werde die vorgegeben, teils zusammen mit den Müttern erarbeitet. „Es gibt Angebote wie etwa Marte Meo, gemeinsames Kochen, Hauswirtschaft oder eine Erlebnisgruppe.“ In letzterer lernen die Mütter, was sie mit ihren Kindern altersgerecht alles machen können. Dazu gibt es im Haus ein Themencafé, in dem sich die Mütter untereinander austauschen können.

Eine Art Gruppentherapie und systemische Familienberatung gehören ebenso zum Angebot im Wendepünktchen wie Reittherapie. Dazu gibt es Kooperationen mit Ärzten und Kinderärzten der Umgebung – etwa mit dem Psychiater Christian Aheimer aus Heiligenhaus.

Reittherapie nutzen in der Regel die Mütter allein

Christiane Höhne, selber Reittherapeutin, sieht große Vorteil in der Arbeit mit den Tieren: „In den meisten Fällen ist das Angebot nur für die Mütter“, sagt sie. „Sie lernen dabei vor allem Konsequenz.“ Außerdem würden sie merken, wie eine Veränderung der Körpersprache Verhaltensänderungen bei dem Pferd bewirkt. Das könnte dann auf den Umgang mit dem eigenen Kind angewandt werden. „Außerdem lernen die Mütter, dass man besser voran kommt, wenn man sich auf das Pferd fokussiert. Erleben hilft dabei genauso gut, als wenn man darüber redet“, sagt Christiane Höhne.

Veränderungen im Medienkonsum

Christiane Höhne am Eingang des Wendepünktchens.
Christiane Höhne am Eingang des Wendepünktchens. © Uwe Möller

Im Umgang mit dem Kind hat sich zudem in den letzten Jahren ein ganz anderes Thema in den Vordergrund geschoben: Der Umgang mit digitalen Medien. „Der Konsum nimmt zu, selbst Babys werden ja teilweise schon mit dem Smartphone zugedudelt“, sagt Christiane Höhne. „Wir versuchen also schon, hier Medienkompetenz zu vermitteln“: Zum Beispiel, dass es der Beziehung schadet, wenn man per Whats App Nachrichten verschickt, während das Kind die Flasche bekommt; oder dass Fotos, die einmal im Netz stehen, nie wieder verschwinden. „Wir schränken die Nutzung ein“, sagt Christiane Höhne. „Wenn die Mütter tagsüber mit dem Kind beschäftigt sind, dann gibt’s kein Handy.“ Das gebe zwar anfangs „öfter ein Riesentheater“, gesteht die Einrichtungsleiterin ein. Aber: „Mit der Zeit merken die Mütter dann, wie erholend das sein kann, wenn man mal nicht erreichbar ist.“

Richtige Ernährung ist auch Schwerpunktthema

Ein weiteres Thema: die richtige Ernährung. „Es gibt ja durchaus schon Kleinkinder, die Übergewicht haben“, stellt Christiane Höhne fest. „Wir machen dann gemeinsam Pläne, kochen gemeinsam. So entwickeln die Mütter ein besseres Bewusstsein dafür, was für das Kind und sie selbst gut ist.“ Was Christiane Höhne auch beobachtet: „Familien kommen viel später zu uns, als noch vor einigen Jahren. Manchmal fast schon zu spät.“ Es sei „erschreckend, in welch emotionalem Zustand die Kinder teilweise sind.“ Zwar sei die Arbeit eine „total schöne, aber es ist eine Herausforderung. Je älter das Kind ist, desto schwieriger wird es, das alles aufzufangen.“

Manchmal gibt es unerwartete Rückmeldungen

Um die Ziele zu erreichen, bindet das Team vom Wendepünktchen auch lokale Gruppen oder Vereine mit ein. „Die älteren Kinder gehen – wenn möglich – in die Kita, oder wir nehmen an Mutter-Kind-Gruppen im Sportverein teil“, sagt Christiane Höhne. „Da sind die Vereine auch sehr bemüht und unterstützen uns richtig gut.“

Geht die Zeit im Wendepünktchen dem Ende entgegen, „bemühen wir uns um einen fließenden Übergang in ambulante Hilfen“, sagt Christiane Höhne. Wenn die denn benötigt werden – etwa flexible Erziehungshilfen. Und manchmal gibt es auch nach Ende der Maßnahme noch Kontakt, erzählt Christiane Höhne: „Die kommen dann zu Adventsfeiern oder rufen immer mal wieder an. Das ist auch schön für uns, weil wir dann die Entwicklung mitbekommen.“ In einigen Fällen sei das besonders überraschend, „denn dann melden sich Mütter, von denen wir das so gar nicht erwartet hätten.“

ZWEITTEXT/Das Wendepünktchen gibt es seit 2008

Seit 2008 gibt es das Wendepünktchen am Standort „Am Hahn“. Gestartet ist die Einrichtung mit einer Gruppe, 2010 kam die zweite hinzu. Die Appartements gibt es seit 2014. „Denn der Schritt aus der Intensiv-WG in eine eigene Wohnung ist ein ganz harter Schnitt“, erläutert Einrichtungsleiterin Christiane Höhne. Durch die Appartements „können wir das abmildern, weil die Mutter sich hier schon an eine Struktur gewöhnen kann. In der WG sind auch immer andere Familien dabei.“ Insgesamt habe sie „sehr positive Erfahrungen“ mit diesem Vorgehen gemacht.

Christiane Höhne würde zudem gerne expandieren, „was eigenes bauen“, sagt sie. „Manche Räume sind eben nicht perfekt umgesetzt, da hätten wir schon Pläne.“ Ein bisschen größer werden solle die Einrichtung auch, „so dass wir vielleicht eine Mutter mehr pro Gruppe aufnehmen könnten.“ Viel mehr sei auch nicht gut, „denn wir wollen ja kein Großkomplex sein, die Individualität steht im Vordergrund.“ Möglich wäre auch, einen zweiten Standort zu eröffnen, „dann könnten wir mehr Plätze anbieten.“

>>DAS TEAM DES WENDEPÜNKTCHENS

  • Das Team des Wendepünktchens besteht neben Christiane Höhne aus elf weiteren festangestellten Mitarbeitern. Alle sind pädagogische Fachkräfte, alle sind multiprofessionell aufgestellt. So gibt es etwa Heilpädagog(inn)en, Sozialpädagog(inn)en, Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen oder auch zweit Reittherapeut/innen. Christiane Höhne ist Erzieherin mit therapeutischer Ausbildung und Reittherapeutin.