Neviges. Walter Stemberg, Senior-Chef des Sterne-Restaurants in Velbert, ist Gastronom des Jahres. Die Freude über die Ehrung wird jedoch überschattet.
Es ist kein Tag, die Champagnerkorken knallen zu lassen. Dabei hätte die Familie Stemberg dazu wieder einmal allen Grund, dieses Mal nicht wegen des Sternekochs Sascha, sondern wegen seines Vaters Walter Stemberg. „Diese Auszeichnung ist eine große Ehre, aber die Freude wird natürlich überschattet“, sagt der Senior-Chef des gleichnamigen Sterne-Restaurants an der Kuhlendahler Straße. Der „Schlemmer Atlas“ hat den 69-Jährigen am Montagabend im Hamburger Elysee-Hotel zum Gastronomen des Jahres gewählt.
Gratulationen aus ganz Deutschland
Das Telefon steht nicht still im Traditionshaus an der Kuhlendahler Straße, Kollegen aus ganz Deutschland gratulieren, freuen sich mit, und ganz schnell fällt jedes Mal der Satz: „Ja, die werden uns wieder dicht machen.“ Walter Stemberg legt auf, kommt zurück an den großen Tisch und holt tief Luft. „Dieses Haus steht seit über 150 Jahren, hat zwei Weltkriege überstanden. Wir werden auch diesen Krieg ohne Bomben überleben. Aber viele kleinere Betriebe nicht, und da blutet mir das Herz.“ Die Furcht vor einer erneuten Schließung der gesamten Gastronomie habe bereits am Montagabend in Hamburg die Laune der Branche mächtig getrübt. „Laut RKI sind wir kein Hotspot, trotzdem sind wir wieder dran. Die da oben wissen gar nicht, was sich da für Tragödien abspielen.“
Ausbildung ist ihm wichtig
Ja, der Zeitpunkt ist nicht günstig, aber man darf auch in Zeiten wie diesen stolz auf eine besondere Auszeichnung sein. Im letzten Jahr wurde sie an Kult-Koch Michael Käfer aus München verliehen. „In dieser Riege genannt zu werden, das freut einen natürlich, ich war auch schon mal 2007 Gastronom des Jahres“, sagt Walter Stemberg. Besonders gefreut habe ihn die Begründung des Busche-Verlags, der den Schlemmer Atlas herausgibt: „Seine gelernte und gelebte Kochkunst machte ihn nicht zuletzt zum Top-Ausbilder in der Gastronomie, zum gefragten TV-Koch und Buchautoren von 33 Kochbüchern.“ Denn ohne gelebte Kochkunst, ohne Herzblut sei Gastronomie einfach nicht möglich, so Stemberg. Und das Thema Ausbildung, das ist ihm bis heute wichtig. Mit Kennerblick erkannte er einst, welch großes Potenzial in Sohn Sascha steckt. Der 41-Jährige führt das Traditionshaus in fünfter Generation mit großem Erfolg weiter, es ist das einzige Sterne-Restaurant im Kreis Mettmann.
Bloß kein Gourmettempel
Entenbox in der Corona-Krise
Im Falle einer erneuten Schließung bietet das Gasthaus Stemberg unter 02053 5649 wieder einen Mitnahme-Service an. Von 12 bis 14 und von 18 bis 21 Uhr kann aus der Karte „Stemmi’s Take Away“ bestellt werden.
Dazu gehört auch eine „Entenbox“. Darin enthalten ist eine vorgebratene Ente mit Klößen und Apfelrotkohl. Dazu gibt’s eine Anleitung zum Fertigkochen.
„Sascha war vorher in mehreren Häusern in Düsseldorf, auf Mauritius, in Kapstadt. Als er wiederkam, übernahm er die Küche, ich kümmere mich seitdem um das Restaurant“, so Walter Stemberg. Der persönliche Kontakt zu seinen Gästen ist ihm dabei so wichtig wie vor 45 Jahren, als er mit Ehefrau Petra das elterliche Restaurant übernahm. „Wenn bei uns das Telefon klingelt, dann geht irgendeiner von uns ran. Ich spreche lieber mit den Leuten, wenn es um Reservierungen geht. Gerade, weil man natürlich auch mal absagen muss.“ Stammgäste aus dem ganzen Rheinland und Ruhrgebiet rufen an, weil sie schätzen, was Walter Stemberg sich einst 1975 vornahm: „Unser Ziel war immer: Wir wollen kein Gourmettempel sein, sondern ein Gasthaus mit erstklassiger Küche.“ In dem raffinierte Fünf-Gänge-Menüs ebenso auf der Speisekarte stehen wie Blutwurst mit geschmortem Sauerkraut.
Spott von manchen Kritikern
Sein Konzept „Zwei Küchen von einem Herd“, das Sternekoch Sascha in den letzten Jahren perfektioniert hat, sei anfangs von vielen Restaurantkritikern belächelt worden. „Ich werde nie vergessen, einer schrieb mal: Gasthaus Stemberg liegt in einem Wallfahrtsort. Und die Küche kann sich nicht entscheiden: evangelisch oder katholisch“, erinnert sich Walter Stemberg lächelnd, der übrigens am liebsten Eintöpfe isst. „Oder auch ein wirklich gutes Wiener Schnitzel. Und frischen Fisch, den mag ich auch.“ Den habe er in seinem Jahr auf Sylt kennengelernt, kurz vor der Übernahme des elterlichen Betriebs. „Die alten Seilschaften funktionieren, wir bekommen noch heute den Fisch direkt aus dem Norden.“
Dankbarkeit für die Familie
Ob er sich je einen anderen Beruf habe vorstellen können? Walter Stemberg schüttelt mit dem Kopf. „Man wächst da so herein. Ich hab mit zwölf Jahren im Betrieb meiner Eltern die Aschenbecher sauber gemacht und mir ein bisschen Taschengeld verdient. Meine Eltern hatten wenig Zeit für mich, das ist so in der Gastronomie. Mir tut das leid, ich hatte auch wenig Zeit für meinen Sohn, dafür jetzt mehr für meine Enkel. Da bin ich sehr dankbar.“ Was dem Senior-Chef wichtig ist: „Bei uns gab es nie den Zwang, weiterzumachen. Weder damals bei meinen Eltern noch später bei Sascha.“
Der Erfolg gehört dem Team
Ein erstklassiges Restaurant in fünfter Generation zu führen, das gehe nur im Team, in der „großen Stemberg-Familie“, wie es der Senior-Chef nennt, und meint damit auch die Mitarbeiter in Küche und Service. Die Nachfolge hat Enkelin Lina-Marie (8) übrigens schon vor drei Jahren im Vier-Augen-Gespräch geklärt: „Meine Schwiegertochter Coren kam mit Nachwuchs Henry aus dem Krankenhaus, Sascha hatte sie abgeholt“, erzählt Walter Stemberg. „Lina fragte mich: Opa, du bist doch der Chef hier vom Ganzen, und Papa auch, oder?“ Als Großvater Stemberg nickte, war der Fall für Lina klar: „Dann bin ich hier der Chef und der Kleine macht den Kellner.“