Kreis Mettmann. Nach dem Lockdown haben viele Branchen schnell Tritt gefasst. Doch jetzt sieht die IHK die Wirtschaft im Kreis Mettmann vor einem harten Winter.

Wer wissen will, was die so genannte „Konjunktur-Uhr“ im Neanderland geschlagen hat, der muss sich die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Düsseldorf zum Herbst für den Kreis Mettmann vorknöpfen. Wenn kein erneuter Lockdown komme, gehe die Erholung langsam weiter, lautet dort der Befund. Doch was weiß man schon in Zeiten, da sich Neuigkeiten und Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie Tag für Tag geradezu überschlagen. Das gilt auch für die Überschrift zu der Umfrage, die in der Papierform noch „Tiefpunkt überwunden – noch lange keine Normalität“ hieß und blitzschnell umgewandelt wurde in „Corona bringt den angesprungenen Konjunktur-Motor im Kreis Mettmann erneut ins Stocken“.

Die Sorgenkinder haben es richtig schwer

Fuß fassen in der Bauwirtschaft

Für den Arbeitsmarkt verheißt die IHK-Umfrage wenig Gutes: Wegen der verhaltenen Aussichten und der angespannten Wirtschaftslage ist die Einstellungsbereitschaft zurzeit eher gering.

Aber es gibt eine Ausnahme: In der Baubranche wollen weiterhin mehr Betriebe zusätzliches Personal beschäftigen als Stellen reduzieren wollen. 60 Prozent melden einen höheren Personalbedarf.

Er habe nicht gedacht, meinte Marcus Stimler denn auch eingangs der Videokonferenz, die Präsentation wie schon bei der Frühjahrsumfrage erneut in digitaler Form durchführen zu müssen. Ganz persönlich rechnet der IHK-Referent für den Raum Niederberg, der seinen Sitz in der Velberter Zweigstelle der Kammer hat, mit stärkeren Restriktionen. Nach dem Lockdown hätten sich viele Branchen wieder schnell nach oben gearbeitet, so Stimler, Sorgenkinder seien jedoch eindeutig Touristik, Dienstleistung und Gastronomie.

Zuspitzung der Lage bereits eingepreist

Gerd H. Diestler (li.), und Marcus Stimler – hier bei einem früheren Termin – sind ein erprobtes Gespann, wenn es um die Präsentation und Interpretation von Konjunkturumfragen geht.
Gerd H. Diestler (li.), und Marcus Stimler – hier bei einem früheren Termin – sind ein erprobtes Gespann, wenn es um die Präsentation und Interpretation von Konjunkturumfragen geht. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

In den jüngsten Bericht sind Einschätzungen und Antworten von 220 Betrieben mit 18.500 Beschäftigten eingeflossen, und die sind keinesfalls „blauäugig“, sondern haben bei der Erhebung – sie lief von Mitte September bis in den Oktober hinein – „mehr Infektionen und Krankheitsfälle schon eingepreist“, wie Gerd H. Diestler betont. Für den Dipl.-Volkswirt und IHK-Konjunkturexperten ist jetzt eine der zentralen Fragen, „wie lange bleibt die grundsätzlich intakte Wirtschaft weiter intakt?“

Risiken bleiben hoch und sind vielfältig

„Wirtschaftsrisiken bleiben hoch – Durststrecke wohl noch bis 2022“, „Alle Branchen verbessert – Aber nur Bau und Einzelhandel zufrieden“, „Produktion wieder hochgefahren – Aber Auslastung immer noch niedrig“ oder auch „Beschäftigung nochmals rückläufig“ lauten die Schlagzeilen in dem IHK-Bericht. Da die Wirtschaftskrise ausschließlich durch die Corona-Pandemie ausgelöst worden sei, habe die Wirtschaft nach den Lockerungen im Sommer schnell wieder Tritt fassen können, sagt Diestler. „Allerdings ist nicht daran zu denken, auf absehbare Zeit wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen zu können.“ Vor der Wirtschaft liege ein harter Winter.

Index immer noch im Minus-Bereich

Laut IHK berichtet jeder dritte Betrieb von einer schlechten Geschäftslage; Mitte Juni tat das jeder zweite. Und für jeden vierten Betrieb – Mitte Juni war es jeder sechste – laufen die Geschäfte wieder gut. Damit hat sich der Geschäftslageindex, also die Differenz der „Gut“- und „Schlecht“-Meldungen, verbessert. Allerdings verharrt er mit minus acht Punkten im negativen Bereich; Mitte Juni waren es sogar 30. Für 2021 setzt allenfalls eine kleine Mehrheit der Unternehmen auf eine Verbesserung ihrer Geschäftslage. Eine Rückkehr auf Vorkrisenniveau wird nicht vor 2022 erwartet.

Auslastung weiter zu gering

Im Krisenmodus befinden sich in der Industrie vor allem die Vorleistungsgüterproduzenten, zu denen die im Kreis stark vertretene Schloss- und Beschlagindustrie sowie die Automobil-Zulieferer zählen. Bei drei Viertel der Betriebe sind die Auftragseingänge gesunken, bei kaum einem gestiegen. Entsprechend sind die Maschinen und Ausrüstungen mit unter 70 Prozent immer noch zu gering ausgelastet. Auch in den übrigen Industriebranchen sieht es nur wenig besser aus.

Mittelstädte weniger vom Shopping-Verzicht betroffen

Gegenüber Düsseldorf mit einem Index von minus zwölf liegt der Kreis mit seiner strukturbestimmenden Industrie messbar besser bzw. Diestler zufolge „etwas weiter vorne oder weniger weit hinten“. Der Handel habe Boden wieder gut gemacht, unterm Strich sei der Einzelhandel – wenngleich nicht in Gesamtheit – im Neanderland sogar zufrieden. „Vor-Ort-Einkäufe boomen“ heißt es. Der Shopping-Verzicht betreffe stärker die Oberzentren.

Brexit und Protektionismus machen Sorgen

Darüber hinaus sehen die Unternehmen nicht nur Risiken im Zusammenhang mit Corona. Sie machen sich ebenso Sorgen über Einschränkungen des Welthandels, Tendenzen zum Protektionismus, einen harten Brexit, die Entwicklung in den USA und die CO2-Bepreisung.