Velbert-Neviges. Bei der aufwändigen Sanierung des Domdachs in Neviges beginnen die Arbeiten an der C-Pyramide. Aus vielen Gründen ein ungewöhnlicher Bauabschnitt

Ratsch, ratsch, ratsch – und wieder segelt ein Bündel Moos in die Tiefe. Auf den allerersten Blick machen die Arbeiter der Firma Torkret an diesem sonnigen Morgen gerade nichts anderes als so mancher Hobbygärtner. Moos kann nur wachsen, wo Wasser ist, und das hat hier nichts zu suchen. Ist das Grünzeug runter, „dann beginnen wir mit der genauen Schadstellen-Untersuchung“, sagt Frank Wiemhoff und tätschelt in gut 30 Meter Höhe fast liebevoll den Beton des Mariendomes.

Team ist ein Segen für den Dom

Diesen Panoramablick auf Neviges genießen die Bauarbeiter nur kurz bei ihrer Fahrt mit dem Bauaufzug. Ansonsten werkeln sie unter der Spezialplane und oft bei tropischen Temperaturen.
Diesen Panoramablick auf Neviges genießen die Bauarbeiter nur kurz bei ihrer Fahrt mit dem Bauaufzug. Ansonsten werkeln sie unter der Spezialplane und oft bei tropischen Temperaturen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Seit den ersten Probe-Arbeiten 2016 ist der Polier zusammen mit Bauleiter Lenard Dankesreiter dafür zuständig, dass bei der hochkomplizierte Sanierung des undichten Domdaches alles reibungslos klappt. Und wenn der aus Köln angereiste Erzdiözesanbaumeister Martin Struck sagt: „Dieses Team ist ein Segen für den Dom“, dann sagt das viel über die besondere Arbeits-Einstellung auf dieser Baustelle. „Ich fahr immer noch gerne jeden Tag hierher“, sagt Polier Frank Wiemhoff, der nach wie vor mit Begeisterung bei der Sache ist. Und ein wenig stolz ist er auch, war doch Domarchitekt Prof. Gottfried Böhm bei seinem letzten Besuch in Neviges hochzufrieden. Da hatte er mit 98 Jahren hoch auf dem Dach den richtigen Farbton – ein warmes Beige – ausgesucht.

Diese Pyramide gilt als sehr anspruchsvoll

Seine zeltdachartige Konstruktion, bei der sich Wände und Dach gegenseitig stützen, verlangt von jedem Arbeiter hohes handwerkliches Können und auch jede Menge Geduld. Waren die Arbeiten an der „sehr schwierigen Gnadenbildkapelle“, so Bauleiter Lenard Dankesreiter, mit ihren vielen Ecken und Winkeln schon eine Herausforderung, stehe nun mit der so genannten C-Pyramide die wohl anspruchsvollste Fläche an. „Wir haben hier gleich zwei Gauben, da werden sehr viele kleinteilige Arbeiten erforderlich sein.“ Auf 800 Quadratmetern wird der carbonfaserverstärkte Spritzmörtel auch hier in fünf genau aufeinander folgenden Arbeitsschritten aufgetragen: Jenes Material, das Experten des Instituts für Bauforschung der Technischen Hochschule Aachen nach sechs Jahren Forschung für geeignet hielten. Das Grundprinzip der dauerhaften Dach-Abdichtung: Die Risse im Beton werden verkleinert auf viele kleinste Haarfugen, die nicht mehr wasserführend sind. Die Forschungsarbeit geschah in enger Zusammenarbeit mit dem Dom-Architekten Prof. Gottfried Böhm, dessen Sohn Peter und Diplom-Ingenieur Martin Struck.

Häufiger Besuch aus Köln

Hier muss man genau hinschauen: Polier Frank Wiemhoff von der Firma Torkret prüft zu Beginn jedes neuen Bauabschnittes die Schadstellen auf dem Dach.
Hier muss man genau hinschauen: Polier Frank Wiemhoff von der Firma Torkret prüft zu Beginn jedes neuen Bauabschnittes die Schadstellen auf dem Dach. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Ich hatte 2008 den ersten Kontakt mit Böhms“, erinnert sich der Erzdiözesanbaumeister, der regelmäßig aus Köln kommt und oben auf dem Dach nach dem Rechten schaut. Wieselflink klettert er an dem Gerüst eine Bauleiter hoch, zeigt auf aufgemalte gelbe und orangefarbene Ziffern und Zahlen. „Sehen Sie, es gibt hier ein bestimmtes Nummerierungssystem. Die Carbon-Matten müssen ja genau zugeschnitten werden.“ Bei der C-Pyramide gilt es, gleich zwei Gauben zu bearbeiten. Das Zeltartige, diese besondere Geometrie, also das, was Architekturfans aus aller Welt so fasziniert, ist hier besonders ausgeprägt.

Familientradition weiter geführt

Erzbistum zahlt Löwenanteil

Die Sanierung der C-Pyramide wird voraussichtlich zum Jahresende abgeschlossen. Anfang 2021 beginnt der sechste und letzte Bauabschnitt. Im Sommer 2021, so der Plan, soll das gesamte Domdach fertig sein.

Die Gesamtkosten betragen 6,85 Millionen Euro. Das Erzbistum Köln trägt mit nahezu fünf Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln den Löwenanteil. Die Wüstenrot-Stiftung hat mit 400.000 Euro die komplette Sanierung der Gnadenbildkapelle übernommen.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gab einen Zuschuss von 200.000 Euro, der Bund hat die Sanierung mit 300.000 Euro bezuschusst. Ein Banner am Domplatz ruft zu Spenden auf, weitere Informationen hierzu gibt Erzdiözesanbaumeister Martin Struck unter 0221 1642-1250.

Und macht die Sanierung mit insgesamt 6,85 Millionen Euro auch teuer. Allein für eine Gaube mussten bis zu 14 verschiedene Formteile – also kohlefaserverstärkte Textilmatten – bestellt werden. Keine Fläche im Dom sei wirklich gleich, es gebe mindestens 40 verschiedene Winkel. Bei der Konstruktion der C-Pyramide, so erläutert Martin Struck, habe sich Dom-Architekt Prof. Böhm zudem von einer Familientradition leiten lassen: So gehe die C-Pyramide mit den herumgruppierten, pultbedachten Apsiden auf einen Entwurf seines Vaters Dominikus Böhm zurück, der diese besondere Konzeption bereits 1927 für die Frauen-Friedenskirche in Frankfurt vorgeschlagen hatte. Beim Mariendom liegt die C-Pyramide über dem Gemeindebereich, also dort, wo die Gottesdienstbesucher sitzen.

Ein Dankeschön an die Anwohner

Ran ans undichte Dach: Bevor es ans Verlegen der Textilmatten mit dem Spritzbeton geht, muss erst mal ausgebessert werden.
Ran ans undichte Dach: Bevor es ans Verlegen der Textilmatten mit dem Spritzbeton geht, muss erst mal ausgebessert werden. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Dass die Finanzierung dieses Millionen-Projektes jetzt steht, erleichtert Erzdiözesanbaumeister Martin Struck natürlich sehr. Besonders aber freut ihn, dass ein neues Domdach für viele Bürger eine Herzensangelegenheit ist: „Es kommen immer wieder Leute, die spenden 50 oder auch mal 200 Euro. Bei ihnen allen hätte ich mich gerne persönlich bedankt, leider gibt es da aus Datenschutzgründen keine Namen und Adressen.“. Ein ganz dickes Dankeschön, und das ist ihm besonders wichtig, möchte Martin Struck auch den Anwohnern im näheren Umfeld der Baustelle sagen: „Seit fünf Jahren ertragen sie Staub und Presslufthammer-Lärm und wieder Staub, das geht ja bei jedem Bauabschnitt von vorn los. Die Leute sind so geduldig, das ist wirklich toll und absolut nicht selbstverständlich.“

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