Neviges. Das Dach des Domes in Neviges ist zur Hälfte saniert. Der Aufwand ist enorm, die Baustelle ungewöhnlich: Freunde wähnten den Polier in Ägypten.

Frank Wiemhoff, Polier der Baufirma Torket, ist stolz: „Wir haben durchgearbeitet, hatten bisher keinen Tag Ausfall.“ Von montags bis freitags, immer von sieben bis 18 Uhr, steigen Polier Wiemhoff und seine Mannen dem Dom aufs Dach. Umso mehr wunderten sich seine Freunde, letztens ein Foto aus Ägypten zu bekommen. „Ich hab bei Sonne oben auf dem Dach ein Selfie geschossen, die haben das alle geglaubt. Dachten, ich besuchte die Cheops-Pyramide“, erzählt Wiemhoff lachend. Stutzig wurden die Freunde erst, als ihnen Frank Wiemhoff am gleichen Abend aus dem heimischen Garten entgegenstrahlte. Die beiden Pyramiden des Dom-Daches sind fertig, und damit die Hälfte der 27.000 Quadratmeter großen Gesamtfläche.

Bei Hitze zur Nordseite ausgewichen

Die vielen Winkel fordern von den Arbeitern Geduld und Sachverstand.
Die vielen Winkel fordern von den Arbeitern Geduld und Sachverstand. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Eine Baustelle, die höchste Anforderungen an die Arbeiter stellt und Weitsicht fordert. „Ich habe immer geguckt: Wie wird das Wetter? Wenn über 30 Grad vorausgesagt waren, sind wir komplett auf die Nordseite ausgewichen“, sagt Wiemhoff. „Unter der Plane war es trotzdem immer tropenmäßig heiß, da herrscht ja eine hohe Luftfeuchtigkeit.“ Was die Temperaturen betrifft, können Bauarbeiter, Gerüst- und Planbauer jetzt erst einmal durchatmen. Was bleibt, sind höchst komplizierte Arbeiten in 20 Metern Höhe, denn hier ist alles Handarbeit.

Material wurde lange erforscht

Sorgfältig streicht Siegfried Smyrek die graue Masse auf, streicht sie glatt, stellt somit die Haftbrücke her – einer der insgesamt fünf Arbeitsschritte, um den carbonfaserverstärkten Spritzmörtel aufzutragen. Jenes Material, das Experten des Instituts für Bauforschung der Technischen Hochschule Aachen in enger Zusammenarbeit mit Dom-Erbauer Gottfried Böhm und dessen Sohn Peter nach sechs Jahren Forschung für geeignet befanden. Mehrere Doktoranden haben im Rahmen dieser Studien ihre Promotion abgelegt, so hatte Martin Struck, Baumeister der Erzdiözese Köln, einst bei einer Informationsveranstaltung im Glocken-Saal angemerkt.

Zahlreiche Ecken und Winkel

Es fehlt noch Geld zur Finanzierung

Das Erzbistum Köln trägt mit nahezu fünf Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln den Löwenanteil der Kosten. Den ersten Anschnitt über der Sakramentskapelle hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit 200.000 Euro unterstützt. Den zweiten Abschnitt hat der Bund mit 300.000 Euro bezuschusst.

Aktuell hat die Wüstenrot Stiftung nach Aussage von Erzdiözesanbaumeister Martin Struck die Durchführung der Sanierung der Gnadenbild-Kapelle zugesagt. Für die dann noch verbleibenden 800 Quadratmeter sind Förderanträge gestellt. Ein Banner am Domplatz ruft zu Spenden auf, weitere Informationen hierzu gibt Martin Struck unter Telefon (0221) 1642 1250.

Auf der Baustelle steht eine Info-Tafel, die ständig aktualisiert wird. Bei Materialanlieferung kann es zum Beispiel stundenweise zur Sperrung der Straße kommen. Der Bauleitung liegt auch viel an einem guten Verhältnis zu den Anwohnern.

Das Material hat sich seit der ersten Probesanierung im September 2016 bewährt, die Arbeiten im dritten Bauabschnitt schreiten gut voran, Polier Frank Wiemhoff ist zufrieden. Und auch ein bisschen stolz, wenn er im Vorbeigehen auf dem Baugerüst mal eben über die neue ockerfarbene Wand streicht, in luftiger Höhe auf die fertige Pyramide zeigt. „Die Gauben, so wie da vorn, die sind ganz speziell.“ Die besondere Geometrie, das Zeltartige, das, was Architekturfans von Nah und Fern in den Dom lockt, sei eben auch eine besondere Herausforderung bei der Sanierung. Allein für eine Gaube müssten vier verschiedene Formteile – also kohlefaserverstärkter Spritzbeton plus Textilmatten – bestellt werden. Keine Fläche im Dom sei gleich, es gebe mindestens 40 verschiedene Winkel. Auch das macht die Sache so teuer: rund 2000 Euro kostet es, einen Quadratmeter zu sanieren.

Gottfried Böhm fährt mit 99 Jahren hinauf aufs Dach

Hier ist alles Handarbeit: Siegfried Smyrek modelliert eine Kante.
Hier ist alles Handarbeit: Siegfried Smyrek modelliert eine Kante. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Mit den 60 Quadratmetern hier oben sind wir in der nächsten Woche fertig, dann wird auch das Gerüst auf der Nordseite zum Klosterhof abgebaut“, erzählt Frank Wiemhoff. Der Vorarbeiter und sein Team haben erst kürzlich Lob von höchster Stelle bekommen: „Gottfried Böhm ist im Sommer mit dem Gerüstaufzug hoch und hat sich die Pyramide angesehen, er war sehr zufrieden.“ Der weltweit angesehene Architekt (99) hatte sich 1966 für eine Konstruktion entschieden, bei der sich Wände und Dach gegenseitig stützen. Das Beton-Faltdach wird aus einem Guss erneuert, die Gesamtkosten betragen sechs Millionen Euro. Wenn alles nach Plan verläuft, ist das neue Dach bis Mitte 2021 fertig.

Weitere Fotos der Dom-Sanierung im Netz auf waz.de/velbert