Neviges. Seine Bauten sorgen weltweit für Furore. An seinem 100. Geburtstag freut sich Stararchitekt Prof. Gottfried Böhm über ein Geschenk aus Neviges.

Sein Mariendom gilt als einer der bedeutendesten Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts, die zeltdachartige, kühne Konstruktion aus einem Guss lockt Architekturliebhaber aus der ganzen Welt nach Neviges. „Mit dem Dach aus einem Guss wollte ich eine Einheit schaffen, eine Einheit aus Wand und Dach. Das habe ich in Neviges am stärksten von all meinen Objekten gemacht“, sagte Star-Architekt Prof. Gottfried Böhm anlässlich des 50-jährigen Domjubiläums. Heute, am 23. Januar, wird Prof. Gottfried Böhm 100 Jahre alt. Und empfindet es als „schönes Geburtstagsgeschenk“, dass die Sanierung des undichten Domdaches erfolgreich voranschreitet. „Das ist wirklich schön. Das machen wir alles, das macht der Peter.“

Mit 98 Jahren hinauf auf das Domdach

Mit 98 Jahren hoch hinauf aufs Domdach: Prof Böhm machte sich in 30 Metern Höhe ein Bild von den Arbeiten. Ganz links der damalige Wallfahrtsleiter Bruder Frank, mit der Weste der technische Leiter Erich Ehrhard, vorn rechts Bauleiter Lenard Dankesreiter von der Firma Torkret.
Mit 98 Jahren hoch hinauf aufs Domdach: Prof Böhm machte sich in 30 Metern Höhe ein Bild von den Arbeiten. Ganz links der damalige Wallfahrtsleiter Bruder Frank, mit der Weste der technische Leiter Erich Ehrhard, vorn rechts Bauleiter Lenard Dankesreiter von der Firma Torkret. © Torkret GmbH | Torkret GmbH

Sohn Peter Böhm, ebenfalls ein international bekannter Architekt, schaut regelmäßig an der Baustelle vorbei – bis vor kurzem noch mit seinem hochbetagten Vater. Und wer hier das letzte Wort hat, ist keine Frage. So ist Frank Wiemhoff, Polier der Baufirma Torkert, noch immer beeindruckt von einem Besuch des heute 100-Jährigen vor zwei Jahren: „Es ging um die Abstimmung der Farbe. Da gab es mehrere Töne, es wurde überlegt, aber Herr Prof. Böhm hatte ausdrücklich auf einen weichen, etwas ins Gelbliche gehenden Ton bestanden.“ Auch ließ es sich der Senior nicht nehmen, mit seinen 98 Jahren per Bauaufzug 30 Meter auf das Domdach zu fahren. Wiemhoff: „Ich hatte auch einige Farbtöne auf dem Handy, hatte ihm angeboten, ihm meine Brille zu leihen. Aber er sagte nur: Brille? Brauche ich nicht.“ Besonders fasziniert hatte Frank Wiemhoff, wie begeisterungsfähig, interessiert und neugierig Böhm noch immer sei. https://www.waz.de/staedte/velbert/article227940649.ece

Expertenteam forschte sechs Jahre lang

Der Dom mit seinem zeltdachartigen Dach ist eines der bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts.
Der Dom mit seinem zeltdachartigen Dach ist eines der bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts. © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

Die zeltdachartige Konstruktion, das, was den Mariendom ausmacht, macht auch die Sanierung so aufwändig. Es ist nicht damit getan, die undichten Stellen einfach zu flicken. Sechs Jahre lang hat tüftelten und experimentierten Wissenschaftler des Instituts für Bauforschung der Technischen Universität Aachen in enger Zusammenarbeit mit Prof. Gottfried Böhm und Sohn Peter, bis ein geeignetes Material zur Komplett-Sanierung gefunden war. Die Qualitäten des carbonfaserverstärkter Spritzmörtel, gern genommen beim Brückenbau, überzeugte dann auch Erzdiözesanbaumeister Martin Struck. Seit den ersten Probearbeiten 2016 hat sich das Material bewährt, das von Arbeitern der Spezialbaufirma Torkret in fünf Arbeitsschritten von Hand aufgetragen wird. Was die Sache noch so kompliziert macht: Keine Fläche des Doms ist gleich, es gibt mindestens 40 verschiedene Winkel. Arbeiten mit Schablonen? Keine Chance.

Zwei Drittel des Daches sind fertig

Nobel-Preis für Architektur

Prof. Gottfried Böhm nahm 1986 den Pritzker-Preis entgegen, der weltweit wichtigste Architektur-Preis. Mit Otto Frei, der 2015 posthum geehrt wurde, gelang dies nur einem weiteren Deutschen.

Die Sanierung des Mariendomes kostet insgesamt sechs Millionen Euro, den Löwenanteil zahlt das Erzbistum Köln mit fünf Millionen Euro. Auch der Bund und die Stiftung Denkmalschutz sind beteiligt. Mit der St. Paulus Kirche in Velbert-Mitte gibt es noch einen zweiten Böhm-Sakralbau in Velbert.

Dieses Plastische war es unter anderem auch, das Prof. Böhm einst den Auftrag zum Dombau sicherte. So erinnerte er sich: „Das war damals schon sehr aufregend, denn zuerst war ich ja gar nicht so sehr drin. Umso größer war dann die Freude.“ Der damalige stark sehbehinderte Kardinal Frings hatte verschiedene Modelle abgetastet und daraufhin angeregt, einen zweiten Wettbewerb durchzuführen. Danach hieß der Sieger Böhm.

Mittlerweile sind zwei Drittel der 3000 quadratmeter großen Dachfläche fertig, im Februar wird die Gnadenkapelle eingerüstet, Mitte 2021 soll alles fertig sein. Polier Wiemhoff hängt mit viel Herzblut an seiner Baustelle. Und daher freute er sich letztens auch besonders über das Lob des heute 100-jährigen Star-Architekten: „Er sagte zum Abschied: Jung, hast du gut gemacht. Weiter so.“