Kreis Mettmann. Seit 2006 hat die Kreispolizei Mettmann Zugriff auf ein Pro Vida Motorrad. Das ist mit einem System ausgerüstet, um Raser beweiskräftig zu filmen

Kaum scheint im Frühjahr die Sonne, sind auf den Straßen wieder zahlreiche Motorradfahrer unterwegs. Während sich die meisten an die Verkehrsregeln halten, gibt es immer wieder Ausreißer – sie wollen ihre Maschinen ausfahren, Gas geben. Diese Fahrer zu stoppen ist Aufgabe von Polizei-Hauptkommissar Thorsten Beltermann und seinen Kollegen von der Krad-Gruppe der Kreispolizei.

„Eines vorweg“, sagt der Hüne – 2,03 Meter misst Beltermann. „Wir sind ganz weit davon entfernt, Motorradfahrer im Allgemeinen zu stigmatisieren.“ Schließlich sei er privat selbst gerne auf zwei Rädern unterwegs. „Immer noch“, sagt er lachend.

Verstöße ahnden und erziehen

Der Videomonitor des Pro Vida Motorrads der Kreispolizei Mettmann: Oben rechts läuft der Zähler für die Bilder pro Sekunde, links die zurückgelegte Wegstrecke. So errechnet sich die Geschwindigkeit. Unten rechts zeigt das Display, wie schnell der Polizist fährt.
Der Videomonitor des Pro Vida Motorrads der Kreispolizei Mettmann: Oben rechts läuft der Zähler für die Bilder pro Sekunde, links die zurückgelegte Wegstrecke. So errechnet sich die Geschwindigkeit. Unten rechts zeigt das Display, wie schnell der Polizist fährt. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Denn die Einschränkungen für Motorradfahrer nehmen zu. „Es ist nicht leicht, eine schöne Strecke zu finden, auf der Sie auch fahren dürfen“, sagt der Polizist. Das liege daran, dass „das Fehlverhalten einiger weniger dazu führt, dass alle bestraft werden.“

Seine Aufgabe sei es daher auch, nicht nur die Verstöße zu ahnden, sondern auch erzieherisch zu wirken. „Deswegen halten wir die Biker, die wir erwischen, auch an“, ergänzt Ulrich Löhe. Auch der Pressesprecher der Kreispolizei fährt leidenschaftlich gerne Motorrad. „Wir zeigen denen die Videos ihrer Fahrt und hoffen, dass sie daraufhin ihr Verhalten überdenken.“

Geeichte Daten liefern beweiskräftige Bilder

Diese Videos nimmt die Technik am Pro Vida Motorrad auf. Pro Vida steht für Proof Video Data, also beweiskräftige Videodaten, frei übersetzt. Die Kamera ist gut verborgen an der Front der BMW 1200 RT, kaum zu sehen, wenn man nicht weiß, wo man hinschauen muss.

Um die Geschwindigkeit zu messen, sind zwei Datensätze wichtig: Die abgelaufene Zeit – gemessen in Bildern pro Sekunde – und die zurückgelegte Wegstrecke. Diese Messungen sind geeicht, regelmäßig wird die Genauigkeit geprüft. Zusammen mit dem Bildmaterial gibt es so Beweise, die auch vor Gericht standhalten.

Viele beliebte Strecken im Kreis Mettmann

Kleines Suchrätsel: Wo ist die Kamera? Rechts am Rand, etwa mittig. Was das Pro Vida Motorrad der Kreispolizei Mettmann von einer zivilen Maschine unterscheidet – neben der Kamera verfügt die BMW über Blaulicht vorne und eine Stopp-Anzeige hinten.
Kleines Suchrätsel: Wo ist die Kamera? Rechts am Rand, etwa mittig. Was das Pro Vida Motorrad der Kreispolizei Mettmann von einer zivilen Maschine unterscheidet – neben der Kamera verfügt die BMW über Blaulicht vorne und eine Stopp-Anzeige hinten. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Nötig ist diese Technik, weil bei Messungen mit Radar oder Lichtschranke (ESO) nur aufgrund der Frontfotos weiter ermittelt wird. Anders als Autos haben die Zweiräder aber vorne kein Nummernschild, durch die Helme sind die Fahrer auch nicht zu identifizieren.

Bei Lasermessungen wird der Fahrer angehalten und die Identität festgestellt. Diese Vorgehensweise ist bei Motorradfahrern aber nicht hilfreich, „die fahren einfach weiter und sind nicht verfolgbar“, erläutert Thorsten Beltermann.

Außerdem waren diese Messstellen unflexibel und stationär, „das Motorrad erzeugt mehr Flächendruck und hat alleine durch seine Existenz auch deutliche präventive Aspekte“, sagt Beltermann.

Da es im Kreis Mettmann – besonders in Velbert – zahlreiche beliebte Motorradstrecken gibt, sind die Geschwindigkeitsverstöße zunehmend ein Problem geworden. Und so hatte die Kreispolizei seit 2006 Zugriff auf ein Pro Vida Motorrad. „Anfangs gab es nur wenige in ganz NRW, die wurden dann von Behörde zu Behörde durchgereicht“, erinnert sich Thorsten Beltermann.

Velbert liegt an der Querachse zwischen bekannten Treffs

„Man muss sich aber irgendwann überlegen, ob sich die Anschaffung einer eigenen Maschine lohnt“, sagt Pressesprecher Ulrich Löhe. Ein Pro Vida Motorrad koste immerhin mehrere zehntausend Euro. Die Kreispolizei kam zu dem Schluss, dass eine eigene Maschine notwendig sei und legte sich ein Pro Vida Krad zu. „Und das lohnt sich“, sagt Löhe.

Zum Beispiel weil Velbert sehr beliebt sei: Viele Straßen wie die Kuhlendahler-, die Nierenhofer-, die Rottberger Straße oder der Hefel seien bekannte Biker-Strecken. „Velbert liegt ja an der Querachse zwischen zwei Biker-Treffs: dem Haus Scheppen am Baldeneysee und dem Café Hubraum in Solingen-Kohlfurt.“

Zum Saisonstart war eine Menge los

Thorsten Beltermann von der Kreispolizei Mettmann auf dem Pro Vida Motorrad. Der Polizei-Hauptkommissar fährt privat auch gerne auf zwei Rädern – seit er 18 ist.
Thorsten Beltermann von der Kreispolizei Mettmann auf dem Pro Vida Motorrad. Der Polizei-Hauptkommissar fährt privat auch gerne auf zwei Rädern – seit er 18 ist. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Viel zu tun also in der Saison, und die hat gerade erst angefangen. „Gerade um Ostern herum war die Hölle los“, sagt Thorsten Beltermann. „Das Wetter ist gut, geradezu ideal. Dazu kommt der Lockdown, wodurch die Leute noch mehr Zeit haben.“ Bis jetzt haben er und seine Kollegen „schon so 40 bis 50 Anzeigen geschrieben“, sagt der Polizei-Hauptkommissar, „das ist schon ziemlich heftig.“

Ungefährlich ist der Job auch nicht, weshalb nur sehr erfahrene Kollegen mit dem Pro Vida Motorrad unterwegs sind. Beltermann etwa fährt auf zwei Rädern, seit er 18 ist. Doch das allein reicht nicht. „Dazu kommt ein 14-tägiges Training, an dem ich mit Erfolg teilnehmen muss.“ Erst dann darf ein Polizist auf Raserjagd mit der BMW. „Regelmäßig müssen wir zur Auffrischung“, erläutert Thorsten Beltermann. „Wir müssen ja nicht nur fahren, wir müssen auch schnell fahren.“

Motorradfahrer sind oft überrascht

Die BMW sei ganz gut geeignet, handlich und agil. Und bis zu 220 km/h schnell. „Manch ein Fahrer, den wir anhalten, sagt: Ich hätte nicht gedacht, dass Deine Maschine mithalten kann.“ Das liege daran, dass die BMW nicht gerade den Ruf einer Rennmaschine habe.

Aber ist diese Aussage nicht ziemlich dreist? „Nein“, sagt Beltermann lachend. Zum einen sehe das Pro Vida Rad nicht wie ein Polizeimotorrad aus. Und zum anderen seien Biker voll konzentriert auf die Straße, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. „Da bleibt keine Zeit um zu analysieren, wer da gerade im Rückspiegel auftaucht.“

„Unglaubliche Selbstsicherheit“

Die Reaktionen der Ertappten reichten von Akzeptanz bis Arroganz, sagen Beltermann und Löhe. „Ich habe das Gefühl, dass bei vielen die Akzeptanz da ist, weil ich selber Motorrad fahre.“ Ulrich Löhe wiederum sagt: „Manche Fahrer stellen sich mit einer unglaublichen Selbstsicherheit hin. Die sind dann davon überzeugt, dass sie überragende Fahrer sind und sich die Regeln zurecht biegen können.“

So habe ihm einer etwa erzählt, den die Polizei in der Müllermilchkurve zwischen Neviges und Tönisheide gestoppt hatte: „Ich habe mir die Strecke bewusst ausgesucht, weil ich hier nur wenige Leute belästige.“ Löhe ärgert sich über solche Aussagen: „Nein“, sagt er, „er darf niemanden belästigen.“ Und einfach die Kuhlendahler Straße rauf und runter fahren sei eben nicht erlaubt.

Ruf der Szene erhalten

„Solche Auswüchse wollen wir bekämpfen“, bekräftigen die beiden Polizisten. Damit der Ruf der Szene nicht leidet und die Motorradfahrer (wieder) mehr Akzeptanz erfahren.

Auswertung auf der Wache

Die BMW 1200 RT der Kreispolizei hat 110 PS, 1200 Kubikzentimeter Hubraum und schafft in der Spitze etwa 220 km/h. Wird die Verfolgung zu brenzlig, brechen die Polizisten die Fahrt ab, „die eigene Gesundheit geht vor“, sagt Polizei-Hauptkommissar Thorsten Beltermann. Ihm sei das aber erst einmal passiert.

Zurück auf der Wache werden die Bänder – die Technik ist gut 15 Jahre alt– zunächst kopiert. Fünf Jahre müssen die Videos aufbewahrt werden. „Die Fahrer sehen wir in der Regel drei Mal“, scherzt Beltermann: einmal während der Verfolgung, dann bei der Auswertung und schließlich vor Gericht. „Fast jeder, dem ein Fahrverbot droht, klagt nämlich“, sagt der Polizist.

Die Auswertung dauert nahezu genau so lang wie der eigentliche Einsatz. Anschließend müssen Beltermann und Kollegen noch die entsprechenden Berichte verfassen. Fahren dürfe er übrigens so lange, wie er die Prüfungen bestehe – oder er in den Ruhestand gehe.