Neviges. Motorradfahrer nutzen die Kuhlendahler Straße zunehmend als Rennstrecke. Anwohner sind genervt, Polizei plant als letztes Mittel harte Maßnahmen.

Bei schönem Wetter leiden Familie Mertens und viele andere Anwohner der Kuhlendahler Straße besonders: Dann sei es vorbei mit der Ruhe, könne man im Garten manchmal sein eigenes Wort nicht verstehen. Was Dieter Mertens den Nerv raubt: Undisziplinierte Motorradfahrer, die ihre Maschinen unnötig aufheulen lassen, viel zu schnell und vor allem auch mehrfach die Serpentinen rauf und runter fahren. „Wir wohnen hier seit 27 Jahren, es wird immer schlimmer. Die kommen hier angeblasen wie die Geisteskranken“, beklagt sich Dieter Mertens. „Meine Schwiegertochter arbeitet als Sozialpädagogin in der Kindernotaufnahme. Die kommt oft mittags gestresst nach Hause und will dann ihre Ruhe haben. Aber manche der Affen fahren hier 20 mal rauf und runter.“

Unfall mit drei Schwerverletzten

177 Verstöße im Kreis Mettmann

Insgesamt zählte die Kreispolizei Mettmann im Zeitraum von Karfreitag bis Ostermontag im gesamten Kreisgebiet 177 Geschwindigkeitsverstöße von Zweiradfahrern. Elfmal wurde dabei so sehr aufs Gaspedal gedrückt, dass auf die Betroffenen nun ein Fahrverbot plus Geldstrafe wartet.

Unrühmlicher Spitzenreiter: Im Bereich Koxhof/Schlupkothen in Wülfrath erwischte die Polizei einen Motorradfahrer auf einer Yamaha, der mit 130 Stundenkilometern unterwegs war. Erlaubt waren hier 50 Stundenkilometer.

Bei 28 Fahrern stellte die Polizei technische Verstöße fest. So hatte ein 22-Jähriger in Tönisheide sein Mofa so stark getunt, dass es statt der erlaubten 25 km/ bis zu 50 km/h fuhr. Außerdem hatte er keinen Führerschein und stand unter Drogen. Gegen den Mann wurde ein Strafverfahren eingeleitet

Meist seien es die gleichen Gruppen, die sich auf der kurvenreichen Straße zwischen Tönisheide und Langenberg versammelten. „Letztens hat einer fünf Minuten stehend Gas gegeben. Die tun das nur, um Leute zu ärgern.“ Niemand halte sich an Tempo 30, es würden Rennen ausgetragen, man filme sich dabei gegenseitig mit der Helmkamera. „Besonders beliebt ist auch das extreme Kurvenfahren, bis die Funken fliegen, und das Fahren nur auf dem Hinterrad“, so Mertens. Und erinnert an den letzten schweren Unfall Mitte März, der drei Schwerverletzte forderte: Dabei war ein Motorradfahrer auf dem Hinterrad den Berg heraufgerast und beim Bremsversuch mit einem anderen Motorradfahrer zusammengestoßen. Der hatte das Spektakel vom Seitenstreifen aus beobachtet und scherte auf die Straße aus. Beide Fahrer wurden auf die Fahrbahn geschleudert, bei dem Unfall flog eines der Motorräder durch die Luft und verletzte noch Fahrer Nummer drei, der seitlich auf dem Weg stand.

Auch die Kleingärtner stört der Lärm

Die Serpentinen der Kuhlendahler Straße sind besonders bei Motorradfahrern beliebt.
Die Serpentinen der Kuhlendahler Straße sind besonders bei Motorradfahrern beliebt. © www.blossey.eu | Hans Blossey

„Die Polizei muss mehr kontrollieren, die müssen auch mal jemanden in Zivil herschicken “, fordert Anwohner Mertens und berichtet, was er häufig beobachte: „Die spielen doch Katze und Maus mit der Polizei. Zuerst wird die Strecke getestet, ob die Luft rein ist, dann werden Rennen gefahren. Und die eingebrachten Querstreifen, die sorgen doch nur für einen zusätzlichen Kick.“ Vor allem am Wochenende würden sich die Cliquen auf dem Seitenstreifen treffen, sich gegenseitig bei ihren Kunststücken zusehen. „Dass hier absolutes Halteverbot herrscht, interessiert niemanden. Man spricht sich nur ab, wer fährt und wer aufpasst.“ Genervt seien auch die Kleingartenbesitzer an der Kuhlendahler Straße.

Verstärkte Kontrollen

Bereits über die Osterfeiertage wurde verstärkt die Serpentinen-Strecken kontrolliert. Man werde diese Kontrollen intensiver fortsetzen, kündigt Polizeihauptkommissar Ulrich Löhe an, Pressesprecher der Kreispolizei Mettmann. So könne man unter anderem mit dem ProVida-Motorrad die Übeltäter per Videoüberwachung überführen. „Die Serpentinen sind leider ein Problem, und es ist in den letzten Jahren schlimmer geworden.“ Einige Unbelehrbare würden nicht nur sich und andere in Gefahr bringen. Ihr Verhalten werfe ein schlechtes Licht auf alle Motorradfahrer. Seit Jahren versuchten die Stadt Velbert, die Polizei und das Landesstraßenbauamt, so Ulrich Löhe, gemeinsam die schwarzen Schafe unter den Motorradfahrern zur Vernunft zu bringen. „Tempo 30, die Rüttelschwellen, die speziellen abschreckenden Warnschilder: Es hat alles nicht richtig funktioniert.“

Fahrer werden immer jünger

Dabei verhalte sich nicht nur verkehrswidrig, wer hier zu schnell fahre: „Man darf auch nicht einfach rauf und runter fahren, das ist ein klarer Verstoß gegen den Paragrafen 29 der Straßenverkehrsordnung.“ Der besagt, dass es der besonderen Erlaubnis bedürfe, „Straßen mehr als verkehrsüblich“ zu benutzen. „Manche Leute stellen auch ihre Maschine an den Rand und gucken dem Spektakel zu. Parken an der Landstraße außerhalb der geschlossener Ortschaft ist aber ganz klar verboten. Das sind alles Ordnungswidrigkeiten“, stellt Ulrich Löhe klar. Er versteht die Interessen der Anwohner und kündigt an: „Wir führen verstärkt eigene Überwachungsmaßnahmen durch und werden aber auch informiert, zum Beispiel von Anwohnern oder Kleingärtnern. Dann fahren wir auch dahin.“ Was ihm zusehend Sorgen bereite, sei nicht allein, dass die Szene größer geworden sei. „Es sind auch zunehmend jüngere Fahrer dabei. Der eine Verletzte beim letzten schweren Unfall war 16 Jahre alt.“

Sperrung als letzte Maßnahme

Die Anregung Dieter Mertens, auf der Kuhlendahler Straße spezielle Ampeln nur für Motorradfahrer einzurichten, sei nicht realisierbar, so Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach. Zum einen gebe es eine solche Ampelanlage nicht. Zum anderen müsse generell bei jedem Aufstellen von Ampeln die Verhältnismäßigkeit geprüft werden: „Die Straße ist eine wichtige Verkehrsstrecke von Tönisheide nach Langenberg und wird von vielen Verkehrsteilnehmern genutzt.“ Sollten die schwarzen Schafe unter den Motorradfahrer nicht zur Vernunft kommen, will Polizeihauptkommissar Ulrich Löhe eine drastische Maßnahme nicht ausschließen. „Hilft alles nichts, wird die Straße generell für Motorradfahrer gesperrt. Das ist dann die letzte Möglichkeit. Ich fände das schade, weil dann alle bestraft werden. Auch diejenigen, die vernünftig fahren.“ Außerdem müsse eine Straßensperre überwacht werden. „Ich kann nur an die Vernunft appellieren. Und wir werden verstärkt kontrollieren.“